Hanahaki- Blaue Orchideen

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»Sie durchziehen meine Brust, bis ich es nicht mehr zurückhalten kann. Und wann immer ich huste, färben sich meine Handflächen rot.«

~*~

Jan konnte sich nicht daran erinnern, wann es angefangen hatte. Himmelblaue Blütenblätter, dick und kräftig, übersät mit kleinen roten Tröpfchen, die auf dem Blatt schimmerten wie Tau im Morgengrauen, nur tödlicher.

Er wusste, warum er in diesem Moment ein Blütenblatt in seiner zitternden Hand hielt, sein Hals rau und kratzig war und warum sein Mund nach dem metallischen Geschmack von Blut schmeckte.

Der Braunhaarige hatte sich immer gefragt, wieso ausgerechnet er diese Krankheit haben musste. Als wäre es noch keine Herausforderung genug, an Tourette zu leiden. Und als wäre es noch keine Schande genug, seinen Freunden vorzuenthalten, dass er vermutlich bald an Blumen erstickte, die seine Lungen nach und nach füllten, behielt Jan sein Geheimnis für sich und litt allein in seinem Badezimmer, über dem Waschbecken hängend und hoffte, dass das unerträgliche Kratzen in seinem Hals bald nachgeben würde.

Den Grund für seine Schmerzen kannte Jan. Es war niemand anderes als Tim, sein bester Freund seit vielen Jahren, der ihm immer treu zur Seite stand und in den sich Jan Hals über Kopf verliebt hatte. Es war unvorhersehbar gewesen und Jan wollte es in den ersten Wochen nicht realisieren, vor allem, weil er keine Anzeichen entdecken konnte, dass Tim genauso fühlte wie er.

Doch dann begann er kleine Blütenblätter zu spucken, wann auch immer er allein war und an seinen besten Freund dachte. Erst waren es nur unscheinbare, kleine Blattspitzen gewesen, umhüllt von dunkelrot glänzender Flüssigkeit, bis es nach und nach ganze Blütenblätter wurden. Er hatte die Hanahaki-Krankheit.

Und so wischte sich Jan das restliche Blut von seinen Mundwinkeln mit einem Handtuch neben dem Waschbecken ab und verfluchte diese Krankheit. Er wusste, er würde daran sterben, denn Tim könnte seine Liebe niemals erwidern. Wieso sollte er auch? Warum sollte er sich für Jan entscheiden, der nichts Besonderes an sich hatte als sein Tourette, dass eher eine Belastung war als ein Gewinn, wenn Tim jede gutaussehende, attraktive junge Frau haben könnte, die auf dieser Welt herumlief.

Tim, mit seinem süßen Lächeln und seinem ansteckenden Optimismus war der schönste Mensch, den sich Jan jemals vorstellen konnte. Und er wusste, dass es nicht Tims Schuld gewesen war, dass sich Jan so abscheulich fühlte, nein, es war er selbst, den er dafür hasste, nicht besser auszusehen, witziger zu sein und selbstbewusster. Er verabscheute sich selbst dafür, so einen Menschen wie Tim nicht verdient zu haben.

Plötzlich spürte Jan erneut dieses unangenehme Stechen in seinem Hals und den Druck in seiner Lunge und in seinen Eingeweiden, der ihm die Luft abzuschnüren drohte. Es fühlte sich an wie Rasierklingen, die quälend langsam seinen Hals hinaufkletterten, bis sie in seiner Mundhöhle angelangt waren. Jan wusste was jetzt kam und er beugte sich über das Waschbecken, um das Blut mitsamt der blauen Orchideenblätter auszuspucken. Erneut wischte er sich das restliche Blut von den Lippen.

Ich bin so ein Idiot.

Er musste aufhören an Tim zu denken. Also beschloss der Braunhaarige, sich in der Küche einen Kaffee zu machen, um seine Nerven zu beruhigen. Das Chaos im Badezimmer würde er später sauber machen; es war ja nicht das erste Mal gewesen.

Jan trat den Weg zur Tür an, bis ihn ein Tic die Tür auf und zu knallen ließ. Genervt verdrehte er die Augen und versuchte es zu ignorieren, um nicht in noch mehr Selbstzweifel zu versinken.

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Flowers in my lungs    |Gewitter im KopfDove le storie prendono vita. Scoprilo ora