144. Kapitel

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Matteos Sicht

Die Zeit im Krankenhaus zog sich ewig dahin. Es war fast als hätte man eine Parallelwelt betreten in der die Gesetze der sonstigen Realität nicht mehr galten. Am nächsten morgen erschien mir die Welt schemenhaft, als die leichten Sonnenstrahlen begannen den Flur der Intensivstation zu fluten kam es mir fast unwillkürlich vor.

Ich hatte die Nacht im Krankenhaus verbracht. Fede hatte zwar versucht mit ihm zu kommen, aber ich wollte lieber hier bleiben. Schlafen konnte ich nicht, manchmal dämmerte ich in einem Zustand zwischen wach und schlafend hin und her doch jedes mal wenn ich kurz davor war wirklich einzuschlafen erfasste mich der Schock von neuem. Ich konnte die Kontrolle nicht abgeben, wenn jederzeit die Möglichkeit bestand dass der Arzt uns sprechen wollte.

Selbst als mein Bruder mich bat mit ihm nach Hause zu gehen um einen kurzen Tapetenwechsel zu bekommen lehnte ich ab. Es hätte mir vielleicht gut getan, aber zu wissen, dass einfach nur die Möglichkeit bestände nicht sofort da sein zu können, wenn Luna aufwachte oder wie mehr erfuhren würde mich wahnsinnig machen, also blieb ich hier. Der zustand in dem wir uns befanden war nicht vergleichbar mit irgendetwas anderem. Nina blieb mit mir wach, auch sie konnte die Nacht nicht schlafen. Sobald die Sonne aufging erschien Gaston im Krankenhaus, wahrscheinlich hatte er Ninas Nachrichten nach dem Aufwachen gesehen und sich sofort auf den Weg gemacht. Überfordert versuchte er seine Freundin und mich zu unterstützen und allen gute Laune zu machen, so wie er eben immer war, doch man kannte meinem besten Freund an, dass sein Lächeln nicht halb so cheerful war wie sonst und er eigentlich nicht wusste wie er damit umgehen sollte.

Ich versuchte mich auf die anderen Menschen in diesem Raum zu konzentrieren und fing so manchen besorgten Blick auf. In all der Eile hatte ich ganz vergessen, dass wir nicht die einzigen waren, die in der Intensivstation um unsere Angehörigen bangten. Ich vernahm die leblosen, verweinten Augen eines Mädchens das nicht älter als zehn Jahre sein konnte. Es war unschwer zu erkennen dass sie wahrscheinlich die ganze Nacht geweint hatte. Ihr Anblick versetzte mir einen seltsamen Stich. Der Mann neben ihr schien ihr Vater zu sein, der genauso kraftlos aussah. Ob sie wohl auf die Mutter des Mädchens wartete? Wir teilten irgendwie dasselbe Schicksal und steckten fest in dieser Blase aus Ungewissheit, wie ein Zwischenraum in der Mitte von dem was war und dem was sein würde. Letzteres war von dem was in diesen Hallen passieren würde unmittelbar betroffen.
Es war so frustrierend und...grausam. Ich ließ meinen Blick über meine Leute schweifen. Nina hatte sich auf Gastons Schoß verkrümelt, die Augen geschlossen und den Kopf gesenkt. Vielleicht konnte sie jetzt wenigstens ein bisschen Schlaf kriegen. Simon und Ambar waren in Ambars Krankenzimmer und Violetta, sowie German schienen nicht richtig zu schlafen, aber auch nicht wach zu sein. Lunas Eltern und Alfredo unterhielten sich gedämpft etwas entfernt von uns und ich sah wie Monicas uns zugewandter Rücken immer wieder von Schluchzern durchzuckt wurde.

Auf einmal sah ich auf. Eine Tür ging auf und ein Arzt in einem weißen Kittel trat hervor. In diesem Moment erschien er mir wie die Möglichkeit einer lange erwarteten Erlösung. Oder ein Todesengel. Mein Atem versagte und ich wagte es nicht zu hoffen, doch tatsächlich....er ging in unsere Richtung. Selbst bei dem kleinen Mädchen und ihrem Vater machte er nicht halt sondern steuerte weiter auf unsere Gruppe zu. Wäre ich noch ganz bei Sinnen, hätte es mir leider getan, da die beiden schon länger auf die qualvolle, alles entscheidende Nachricht warteten als wir, doch in dem Moment verwendete ich keinen Gedanken daran. Ob mich das zum schlechten Menschen macht oder nicht ich konnte nur an eines denken, und zwar daran endlich zu erfahren wie es weiter gehen würde.

"Sind sie die Angehörigen von Senorita Luna Valente und Senora Sharon Benson?", fragte der eher jüngere Arzt.

Endlich. Endlich würde ich entweder aus dieser Hölle befreit werden oder vollständig in den Abgrund fallen. "Ja, das sind wir.", hörte ich Lunas Mutter sagen. Violetta meinte leise, dass sie Simon und Ambar holen werde und machte sich mit schnellem Schritt davon. Das alles bemerkte ich allerdings lediglich am Rande, da jegliche Konzentration meinerseits auf den Arzt gerichtet war. Ich sah wie Nina totenbleich nach vorne sah, die Augen aufgerissen wie ein panisches Tier und wie German mit starrem Blick geradeaus sah. Ambar und Simon kamen mit Violetta angerannt, beide mit zerzausten Haaren und kleinen, von dunklen Augenringen gesäumten Augen, und doch wirkten sie hellwach. Alfredo hielt die Finger verkreuzt, als würde er beten, aber vielleicht versuchte er auch einfach nur sich irgendwie selbst zusammen zu halten. Mein Bruder und Ludmila erschienen gehetzt und außer Atem an der Intensivstation. Anscheinend waren sie auch von Violetta informiert worden.

Twins, love and more mistakes 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt