Kapitel 4

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Wie von ihr vorhergesagt stand meine Mutter mitten in der Nacht im Zimmer, um mich zu wecken.

Ich reckte mich. Diese Nacht war die erste seit eineinhalb Jahren, die ich durchgeschlafen hatte. Die kleinen weißen Pillen hatten mir eine fast göttliche Nacht beschert, ich fühlte mich wie neu geboren.

Beflügelt vom Gefühl stieg ich aus dem Bett. Es machte sich zum ersten Mal seit Monaten etwas wie Motivation breit.

Ich lächelte.

Selbst mein Spiegelbild im Badezimmer überraschte mich: Keine Augenringe, keine Kissenfalten im Gesicht , gar nichts.

Ich stieg schnell in die Dusche. Da ich fast alles aus meinem Badezimmer mit nach Miami mitnehmen würde,  bestand meine Dusche aus spärlichen 5 Minuten... Auch gut.  Fröstelnd und nur mit einem Handtuch bekleidet lief ich zurück in mein Zimmer, um mir ein obligatorisches Outfit auszusuchen. 

Ich endete in schwarzen Leggings, weißen Chucks , einem halbarm Oversized Sweater und einem riesigen roten Schal um den Hals. Dazu trug ich noch meine Armbanduhr und nahm schlussendlich mein Handy, Kissen und mein Notizbuch unter den Arm, in das ich, sobald mir etwas passierte, eintrug was mir durch den Kopf geht.

So bepackt müsste ich nicht mehr nach oben zurück kommen, das war gut.

Unten wartete meine Mutter bereits mit einem Tee auf mich.

"Schön,  dass du zeitig fertig wurdest.  Freut mich wirklich." Sie schon mir den Becher Tee entgegen und fuhr mir über die Hand. Ich lächelte sie an, schluckte gleichzeitig aber einen Riesen Kloß in meinen Hals hinunter. 

Keiner von uns beiden sagte etwas, wir knabberten an den Waffeln vom Vortag,  die Sie noch aufgehoben hatte.

Mir wurde so langsam flau im Magen.

Dass niemand was sagte, brachte mich wieder zum Nachdenken.. Und damit zur Angst.

Meine Mutter bemerkte das -Wie auch immer-  und sie stieg auf um Den Tisch abzuräumen und sagte, dass wir jetzt fahren würden.

Es regnete.

Gemeinsam liefen wir vors Haus, denn meine Mutter hatte ein Taxi gerufen, da es zu teuer geworden wäre, das Auto für Zweieinhalb Wochen am Flughafen stehen zu lassen. Ich zückte mein Handy und  schrieb Sarah.

"GUTEN MORGEEEEEN. :D warten gerade aufs Taxi.  Not very exited 'bout this.  xx"

Ihre Antwort würde ich wohl erst in Miami bekommen. Es war ja immerhin erst kurz vor Vier.

Es regnete.

Als das Taxi vor unserem Haus hielt drückte meine Mutter mich noch einmal und unsere Reise nach Miami ging los.

Wir redeten auf der halbstündigen Fahrt fast durchgehend über meinen Vater.  Viel hatte ich in meinen fast siebzehn Jahren noch nicht von ihm gehabt. Ungefähr vier war ich, als Mama und er sich gestritten haben. Ständig.  Ein richtiger Bilderbuchstreit. Teller, die durch die Küche flogen. Kleidungsstücke, die aus dem oberen Stock aus dem Fenster geworfen wurden. Weinen meiner Mutter.

Und dann auf einmal war er einfach weg.

Ich war dann, als ich älter wurde, ein paar Mal bei ihm. Nicht oft,  nicht nennenswert lang, aber ich war da.  Er und meine Ma hatten nur spärlich Kontakt gehalten, um ein paar Fragen zu klären wie es mit mir steht, ob es uns gut geht. Er wusste nichts von den Dingen, die mein Kopf machen und ich wusste nichts von Ihm, er war mein Vater, aber auch nur auf dem Papier.  Unterhalt zahlte er seit jeher nicht, weil meine Ma viel zu stolz ist, sich unter die Arme greifen zu lassen..  Und sie bekommt es gut hin, mehr als gut sogar. Sie ist eine richtige Karrierefrau, voll von Power und Motivation. Ich war stolz auf sie. Nichts auf der Welt ging für mich über unseren Mädelshaushalt.

Gemeinsam stiegen wir aus dem Taxi,  dass uns zum Haupteingang des Flughafens gebracht hatte. Das Gepäck hinter uns herziehend erledigten wir das Organisatorische und warteten in der Halle.  Man merkte, wie viel ihr daran lag, dass ich mich keinesfalls unwohl fühlte zwischen all den Leuten. Egal, wohin wir beide gingen, um uns die Zeit bis zum Abflug zu vertreiben,  nahm sie mich in ihre Arme und ließ mich nicht allein.

"Wie wärs mit 'nem Kaffee?",  fragte sie und nickte mit dem Kopf in Richtung des Starbucks,  der sich gegenüber von uns befand. Ich kicherte. Starbucks war nicht wirklich meins. Nicht,  weil es nicht lecker ist, sondern eher weil sich ständig irgendwelche hysterischen Gören darin befanden. Dennoch stimmte ich ihr zu und gemeinsam durchforsteten wir das Angebot.  Sie nahm einen großen Mocca,  Ich blieb an einem Chaitee hängen,  der, wie ich im Nachhinein herausfand,  richtig gut war.  Wir gingen nicht sofort zurück in den Wartebereich sondern machten uns es auf den großen Stoffsesseln im Café bequem.

"Wie ist er so, Mama?..  Hat er Kinder?", fragte ich sie. Ich war wirklich neugierig auf meinen Vater.

Sie lächelte.

"Sehr nett. Er ist humorvoll,  aber dennoch streng und konsequent." Sie zögerte,  bevor sie weiter sprach. "Er kann allerdings nicht verlieren.  Wenn er etwas will, bekommt er es auch. Aber lass uns jetzt gehen. Wir können gleich das Boarding beginnen. "

Immernoch war Regen durch die Fenster des Airports zu erkennen.

Regen.

Regen, der ausdrückte,  wie ich mich fühlte.

Der Flug war ohnehin kurz, ich schlief ein wenig,  eingekuschelt in meine Strickjacke und schrieb in mein Notizbuch.. :

Miami- Oder wie es ist, seinen Vater neu kennenzulernen

Die nächsten Wochen bin ich in Miami mit Mum. Gerade bin ich im Flugzeug auf dem Weg nach Miami, zu meinem Vater. Ja, ich habe einen Vater.  Es ist eine Reise ins völlig ungewisse, weder weiß ich wie mein Vater ist, noch was Miami für mich bereit halten wird.

...Angefangen hat es schon einmal vielversprechend mit einem durchgehenden Regen...
Wahnsinn, wie die Wolken von oben aussehen. Es ist, als würden die Träume der Menschen eingewoben in zuckerwatteweichen Polsterbetten ruhen, bis sich die Menschen trauen, ihren Traum zur Realität zu machen.. Erst dann werden die kleinen Träume wachgekitzelt und auf ihre Reise nach unten,  Ans Ziel,  Geschickt, wo sie für vollkommenes Glück sorgen.
Meine Reise beginnt erst am Ziel und ich schaue mit gemischten Gefühlen voraus.

Damit schloss ich den Eintrag, der sich genauso verwirrt anhörte, wie ich mich fühlte, und hörte weiterhin Musik.

Die kleinen Fernseher, die im Flieger verteilt die Gäste auf dem aktuellen Stand hielten, verrieten mir, dass wir Miami schon verdächtig nahe waren.

Bald würde er vor mir stehen, der, der sich meinen Vater nannte..

Und damit würde meine ungewisse Reise beginnen..

Ava || Nash Grier FFМесто, где живут истории. Откройте их для себя