Kapitel 3

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Sarah hatte mir am Abend während meines Netflix-Marathons noch geschrieben.
"Date war super, Keegan war unglaublich!! Wir sprechen in der Schule, schlaf nicht zu spät! :* "

Sie war glücklich gewesen, ich hatte mir ihr Gesicht schon vortstellen können: Glitzernde Augen, gerötete Wangen und ein Grinsen, fast breiter als das ganze Gesicht.

Aber das war mir egal. Hier und jetzt, mitten in der Nacht, gegen 3 Uhr, da zählte nur ich. Mein Winterschlaf. So bittersüß und wunderbar umhüllt von Einsamkeit liege ich nun also in meinem Bett und lasse mich von der Dunkelheit umarmen.

Niemand wird je verstehen können, wie es für mich ist, allein zu sein. Ich kann mich endlich spüren, wenn niemand sonst redet. Wenn die Menschen schlafen und all das egoistische, herrische Verhalten unter den Bettdecken Amerikas begraben liegt, dann lebe ich. Jeder Atemzug ist für mich wie eine Wiedergeburt, es fühlt sich so gut an, unabhängig von allen Anderen zu sein. Die Nacht ist mein Rausch, mein Hirn brütet die wahnsinnigsten Gedanken aus und ich fühle soetwas wie Glück. Kein vollkommenes Glück, aber allein die Attrappe der Glücksgefühle reicht mir aus, um diesen Rausch Nacht für Nacht zu wiederholen, dann, wenn Ihr schlaft.

Von meinem Winterschlaf weiß eigentlich nur meine Mum und ich nehme mal an, sie hat es meinem Dad auch erzählt. Ansonsten bin ich eine kleine Meisterin der Masken, es ist bis jetzt niemandem aufgefallen, dass mein Kopf mir Streiche spielt und ich nicht immer das lustige Mädchen bin, dass ich in der Öffentlichkeit gebe. Außer meiner immer hochmotivierten Art (aaachtung, Ironie) und meinen 'dezenten' Augenringen bin ich das normale Mädel von Nebenan und das ist auch gut so, sonst würde sich vermutlich nicht einmal mehr Sarah mit mir abgeben wollen.

Apropos Sarah..
"Du hast nicht geschlafen, huh? Lüg nicht, du warst um 5:45 Uhr online und hast meine Nachricht von gestern Abend gelesen." - Naja, was soll man dazu sagen. Ich hatte wirklich nicht geschlafen, deshalb war ich auch so überrascht, dass mir Sarah 'Mitten in der Nacht' schrieb.
"Hab ich echt nicht, ist mir aber dank dir eben auch aufgefallen. Komm schon, es ist der letzte Schultag. Sei nicht so streng mit mir Liebling." , antwortete ich ihr, ehe ich meine morgendliche Prozedur von Duschen bis zur Schule rennen, weil ich -oh Wunder- fast zu spät gekommen wäre, vollzogen hatte.

"Also, erzähl. Wie war dein Date?", ich zog sie in eine Umarmung und sah sie, nachdem ich losgelassen hatte, neugierig an.

"Keegan war einfach perfekt! Er hat mich Zuhause abgeholt, hat sich meinen Eltern vorgestellt und mir Blumen mitgebracht und dann sind wir zum Essen in ein Restaurant gefahren und er hat mich eingeladen und wir haben einfach ewig geredet und er meinte dass mein Kleid ganz toll aussieht und dann hat er mich zurück gebracht und hat mich geküsst und-" Sie wurde von mir unterbrochen.

"HAAAALT. Mach mal Pausen wenn du redest, das fließt ja ohne Punkt und Komma, meine Güte!" Ich musste lachen und fuhr fort. "Jedenfalls bin ich froh, dass es gut gelaufen ist. Da vorne wartet er übrigens."

Sie lächelte seelig und wurde rot.

"Na los, verzieh dich zu Keegan haha", damit schickte ich sie weg und sah noch aus dem Augenwinkel, wie sich die beiden küssten, während ich meinen Weg durch die Schülergrüppchen zu meinem Mathekurs suchte. (Kleine Randbemerkung: 1.Ich hasse Mathe. 2.Ich bin grottenschlecht in Mathe. 3. 98% der Zeit im Matheunterricht vertreibe ich mir die Zeit auf Twitter, was vermutlich Punkt 2 erklärt.) Angekommen am richtigen Raum warf ich meine Tasche unter den Tisch und breitete meine Sachen aus. Neben mir saß Lucas, ein Freund aus Kindergartenzeiten.

"Na Ava, alles gut?"
Oh ja, bestens, außer der Tatsache, dass ich weder Lust auf Unterricht, noch Lust auf Dich habe.

"Alles Super", antwortete ich und packte meinen Thermosbecher aus, um das drohende Gespräch einfach in Tee zu ertränken.

Ava || Nash Grier FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt