Act Seven

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Erstaunlich erholt war Kageyama am Samstagmorgen erwacht. Seine Erschöpfung war nach dem gestrigen Training so groß gewesen, dass er, ohne ein Bad zu nehmen in sein Bett fiel und bis zum nächsten Morgen tief und fest schlief. Der Schwarzhaarige hatte den Tag mit einem leichten Frühstück und einem Bad begonnen, gefolgt von ausgiebigen Dehnübungen. Am Vormittag hatte er sich unter den Kirschbaum im Garten gesetzt und an seinem Handy einige Spiele gezockt. Als er die Lust daran verlor schnappte er sich seine Laufschuhe und joggte im gemächlichen Tempo eine große Runde durch die Nachbarschaft. Gegen Mittag war es dann so heiß geworden, dass er sich in das klimatisierte Wohnzimmer zurückzog und einige aufgenommene Spiele der japanischen Volleyball-Nationalmannschaft anschaute. Am frühen Nachmittag brachte eine Nachbarin eine große Wassermelone vorbei, die seine Mutter aufschnitt und ihm als kühlen Snack reichte.

Jetzt war es kurz nach sechs. Der Zuspieler saß, sich angenehm leicht fühlend am Fenster seines Zimmers und betrachtete die sich langsam senkende Sonne. Noch stand sie recht hoch und es würde noch eine Weile dauern bis sie ganz untergegangen war. Die Zikaden hatten in der schwülen Hitze zu einem lauten Zirpkonzert angesetzt und Schweiß rann ihm über die Haut ohne, dass er sich körperlich betätigt hätte. Ein Blick auf den Wecker auf seinem Nachtisch verriet ihm, dass er in Kürze losmusste, um rechtzeitig am vereinbarten Treffpunkt zu sein. Er wand sich von der harmonischen Szenerie ab und kramte in seinem Kleiderschrank nach einem frischen T-Shirt. Seine Mutter hatte ihm einen alten Yukata seines Vaters aufschwatzen wollen, aber er hatte sich vehement geweigert. Er zog sich das alte Shirt über den Kopf und wischte sich damit noch schnell über die feuchte Stirn bevor er das neue überzog. Kageyama hatte gute Hoffnung, dass der Abend ohne Zwischenfälle verlaufen würde und so ausgeruht wie er sich gerade fühlte würde es vielleicht sogar ein wenig Spaß machen. Er stopfte sich seinen Geldbeutel, sein Handy und den Haustürschlüssel in die Hosentaschen der kurzen Shorts und verließ sein Elternhaus Richtung Bushaltestelle. Tanaka wohnte am anderen Ende der Stadt, er würde etwa eine halbe Stunde benötigen. Der Bus war zu Beginn nur spärlich besetzt, doch je näher er dem Straßenfest kam, desto voller wurde er. Der Zuspieler quetschte sich am hinteren Ende in eine Ecke, um mit möglichst wenig anderen Menschen Körperkontakt aufnehmen zu müssen. Erleichtert aufatmend verließ er das Gefährt an der Endhaltestelle und strömte mit einer Menge von Menschen in Richtung angenehmer Gerüche und lautem Kinderlachen. Schon aus einiger Entfernung konnte er einen Teil seiner Teamkollegen warten sehen. Sugawara trug wie angekündigt einen Yukata und auch Nishinoya und Tanaka hatten das klassische japanische Gewand an. Sie unterhielten sich fröhlich plappernd miteinander und begrüßten den Neuankömmling mit lautem Hallo. Er erwiderte den Gruß und wurde sofort von Tanaka in ein Gespräch über die Vorzüge von Kniestrümpfen gegenüber Strumpfhosen verwickelt. Der Dunkelhaarige verstand den Sinn hinter der Diskussion nicht so ganz, versuchte aber dem Schlagabtausch des Kurzhaarigen mit dem kleinen Libero zu folgen. „Fehlt noch wer?", ertönte die Frage des Teamkapitäns. „Nur noch der Knirps, oder?", kam es von Enoshita, der sich mit der Hand Luft zufächelte. In dem Augenblick schallte ein lautes „Ich bin da!" durch die Menge und ein rotblonder Haarschopf bahnte sie rempelnd durch die Menge. Kageyama schluckte trocken. Hinata hatte sich ebenfalls für einen Yukata entschieden, im Gegensatz zu Sugawara schrie dieser jedoch förmlich ‚Mein Träger hat keinen Sinn für Ordnung und mich in der Eile des Gefechts schlampig gebunden'. Die Stoffbahn der oben liegenden Seite war hoch gerutscht wodurch am Ausschnitt eine große Falte entstand. Dies führte dazu, dass die linke Schulter des kleinen Mittelblockers offen lag und den Blick auf sein ausgeprägtes Schlüsselbein frei gab. Die andere Seite hatte er mit einer Hand etwas hochgerafft, um ungehindert rennen zu können. Dadurch war aber auch ein guter Teil seiner Oberschenkel sichtbar. Keuchend kam der Rothaarige vor seinen Teamkollegen zum Stehen und fing nach einer kurzen Pause zum Luftholen an seine Kleidung ungeschickt zu richten. Der silberblonde Zuspieler lächelte nachsichtig und half ihm dabei. Er lockerte den Stoffgürtel etwas, zog die obere Seite nach vorne, um sie zu glätten, schlang sie dann um den zierlichen Körper und fixierte das Ganze erneut mit dem Gürtel. Zufrieden betrachtete er sein Werk und wuschelte dem freudestrahlenden Hinata durch die Haare. Kageyama hatte sich bei der Hälfte der Prozedur abgewandt. Beim Nachvorneziehen hatte Sugawara einen kleinen Teil der Brust des Kleineren freigelegt. Sie war nur wenige Millisekunden sichtbar gewesen, aber er war sich ganz sicher gewesen eine pinke Brustwarze aufblitzen gesehen zu haben. Er würde den restlichen Abend Abstand halten von dem kleinen Wirbelwind. Der Tag war bisher so gut verlaufen. Seine neu gewonnene Energie wollte er sich nicht durch die Schusseligkeit seines Partners wieder rauben lassen.

Sie schlenderten gemeinsam über das Straßenfest. Alle schienen ihren Spaß zu haben. Vor allem Tanaka und Nishinoya sorgten mit mal mehr mal weniger beabsichtigten Aktionen für allgemeine Heiterkeit. Mit zunehmender Dunkelheit füllten sich die engen Gassen und es wurde immer schwieriger mit einer großen Gruppe durch die Menge zu gelangen. An einem kleinen Yakisoba-Stand versammelte Daichi die Mannschaft um sich. „Ich würde sagen von hier an teilen wir uns auf. Vermutlich verlieren wir uns so oder so. In einer Stunde beginnt das Feuerwerk. Asahi, Suga und ich werden es uns von dem kleinen Hügel ein Stück die Straße runter anschauen. Wer dazukommen möchte ist gerne eingeladen sich uns anzuschließen. Allen anderen wünsche ich noch viel Spaß und erholt euch morgen gut damit ihr für das Training am Montag wieder fit seid." „Jawohl Herr Vater", witzelte Tsukishima und erntete neben allgemeinem Gekicher böse Blicke von seinem Kapitän. Sie zerstreuten sich in verschiedene Richtungen und Kageyama hatte die Hoffnung sich unbemerkt aus dem Staub machen zu können, als er einen Zug an seinem T-Shirt spürte. Verwundert drehte er sich um und blickte in ein schüchtern lächelndes Gesicht. „Kageyama, können wir zusammen weitergehen? Wir haben in letzter Zeit so wenig miteinander gesprochen und ich dachte wir können die Feinheiten unseres Angriffs nochmal besprechen." Das Herz des Zuspielers rutschte ihm in die Hose. Genau das hatte er eigentlich tunlichst vermeiden wollen. Allein zu sein mit Hinata, traute er sich das zu? Im Moment sah es so aus, als hätte er keine andere Möglichkeit. Es wäre sehr auffällig gewesen, wenn er ihn jetzt einfach abblitzen ließ. Also nickte er stumm, steckte die schweißnassen Hände in die Hosentaschen und lief ohne festes Ziel los. Der Kleinere sprang neben ihm her und fing an zu plappern. Kageyama trug nur mit einem gelegentlichem „Hmm", „Sehe ich auch so", oder „Kann sein" zum Gespräch bei. Sein Blick wurde immer wieder von dem auf und ab wippenden, rotblonden Haarschopf angezogen. Da der Besitzer eine ganze Ecke kleiner war als er selbst hatte er von dieser Position einen guten Ausblick auf den Ausschnitt des Yukatas. Sugawara hatte zwar dafür gesorgt, dass dieser nun ordentlich verschnürt an seinem Träger anlag, dies verhinderte jedoch nicht, dass sich der Dunkelhaarige vorstellte, wohin die Schweißperlen, die unter dem dunklen Stoff verschwanden, weiterflossen. Seine Ohren liefen rot an und mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt bemerkte er erst nach einigen Minuten, dass der Kleinere aufgehört hatte zu plappern und ihn mit einem unergründlichen Blick anstarrte. Sie waren an einem kleinen Park angekommen. Links und rechts vom Eingang der Anlage waren kleine Essensstände aufgebaut und in den Ästen der Bäume hingen bunte Lampions. Das ungleiche Paar stand unter einem alten Ahornbaum, dessen Blätter gefährlich rot im schummrigen Licht leuchteten. „Was ist?", fragte der Größere verunsichert. Er setzte sich an den Stamm des knorrigen Baumes und versuchte dem stechenden Blick auszuweichen. Hinata schien einen Augenblick zu überlegen, machte dann jedoch einen entschlossenen Gesichtsausdruck und hockte sich vor seinen Teamkameraden. „Was ist eigentlich los mit dir? Seit einer Woche sprichst du kaum noch mit mir, dein Zuspiel ist grottig und deine Augenringe sehen aus wie mit Edding aufgemalt. Wobei das zugegebenen Maßen heute besser ist. Aber trotzdem, was ist passiert?" Der Kleine hatte seinen Kopf nach der Ansprache schief gelegt und sah seinen Partner besorgt an. Dieser blickte betreten zu Boden. Natürlich hatte Hinata etwas gemerkt. Es wäre auch sehr verwunderlich gewesen, wenn nicht. In der Brust des Schwarzhaarigen bildete sich ein Knoten. Er wollte dem kleinen Wuschelkopf keine Sorgen machen, aber hatte auch keine Ahnung wie er die Situation anders handhaben sollte. „Es ist nichts", nuschelte er in seine angezogenen Knie, „Nur ein bisschen wenig Schlaf." Er spürte skeptische Blicke auf seiner Haut. Hinata glaubte ihm nicht. Er würde sich selbst auch nicht glauben. „Komm mal mit." Der Rothaarige hatte sich aufgerichtet, sein Handgelenk ergriffen und zog ihn nun hinter sich her weiter in den Park hinein. Kageyama ließ es geschehen. Er war mit einem Mal am Ende der Fahnenstange angelangt und überließ sich bereitwillig der Führung des anderen. Je weiter sie in den Park vordrangen, desto weniger Menschen begegneten ihnen. An einer Parkbank, die schon lange nicht mehr von dem herumwachsenden Gestrüpp befreit worden war, machten sie Halt. Zwei große Büsche wuchsen rechts und links neben der Sitzgelegenheit und schirmten sie vor neugierigen Blicken ab. Ein großer Kirschbaum sorgte dafür, dass Schatten über die Bank fiel und machte den Sitzplatz in der lauen Sommernacht damit fast uneinsehbar. Der kleine Mittelblocker drückte seinen Gefährten auf die Sitzfläche und nahm neben ihm Platz. „So und jetzt erzählst du mir was passiert ist."

Sweet Summer-Dream (mit 🍋Extra) Where stories live. Discover now