Ben

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Das Wetter hier ist wechselhaft und im Gegensatz zu gestern, scheint heute die Sonne unter strahlend blauem Himmel. Ich würde gerne in Top und Jeans rumlaufen, möchte aber nicht, dass jemand den blauen Fleck entdeckt. Dieser Säufer hat mich gestern so stark am Arm gepackt, dass sich auf der unteren Seite ein großer, blauer Fleck gebildet hat.

Ich ziehe mir eine leichte Jacke drüber und gehe die Treppe runter, um zu frühstücken. Als ich mich umsehe, ist Melinda verschwunden. Sie hat mir einen Zettel hingelegt, dass sie noch ein paar Dinge einkaufen muss, bevor sie das Café öffnet. Schläft diese Frau eigentlich überhaupt? 

Außerdem schreibt sie mir, dass meine Eltern gestern angerufen haben und mich gerne heute sprechen würden. Ich habe überhaupt keine Lust mit ihnen zu reden, sie haben mich hier ausgesetzt wie einen Hund und nun muss ich mit einem Psycho eine Statue erarbeiten und danach stundenlang Kaffee ausschenken. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich sie nicht vermisse, doch dafür war ich einfach noch nicht bereit.

Als ich die Klasse betrete, sitzt Ben nicht wie üblich an seinem Platz. Ich setze mich und hole das Buch heraus, was mir einen missbilligenden Blick des Lehrers einbringt. Schuldbewusst lächle ich zurück und zucke mit den Schultern.

Ben kommt geschlagene 20 Minuten zu spät. Er diskutiert vorne mit dem Lehrer, dann geht er einfach an ihm vorbei und setzt sich. Wir sprechen kein Wort miteinander, sondern arbeiten weiter an unseren Aufgaben vom letzten Mal. 

Die Sonne scheint durch die Fensterfront und erhitzt den Klassenraum. Ich versuche mich zu konzentrieren, doch unter der Jacke wird es immer wärmer. Mit einem Seufzen gebe ich nach und ziehe dieses Ding aus, in der Hoffnung dass der Fleck nicht zu sehr auffällt. 

Damit wir den Grundstein für die Statue entwickeln können, brauchen wir Drähte und Pappe, die wir aus dem Nebenraum holen. Ich drehe Ben den Rücken zu und sortiere die Drähte nach ihrer Größe. "Was für ein beschissenes Chaos.", fluche ich vor mich hin. 

Ich habe keine Ahnung, was ich hier mache und auch nicht, wie man so eine dämliche Statue baut, aber mittlerweile finde ich es interessanter als in der ersten Stunde. "Wieso hast du da einen blauen Fleck?", fragt Ben, der plötzlich ganz nah hinter mir steht. So nah, dass ich seine Wärme spüren kann. 

Ich erschrecke mich, drehe mich um und sehe ihm in die Augen. Ich unterdrücke meinen Reflex ihm vorzuhalten, dass ich ihn ja auch nicht nach seinem blauen Auge gefragt habe. "Ach, nichts... ein Versehen.", stottere ich, unfähig zu lügen. 

"Sag es mir", knurrt er und fixiert mich mit seinen grünen Augen. Wieso zum Teufel denkt er, er könnte so mit mir sprechen? "Nein.", antworte ich schroff. "Maria, erzähl mir, wer dir diesen blauen Fleck verpasst hat", sein Kiefer bebt vor Wut und es wird schlimmer, als ich mich von ihm abwende. 

Ich gebe nach, denn er würde sowieso keine Ruhe geben. Außerdem war es mir schleierhaft, wieso ausgerechnet das jetzt sein Interesse weckte. 

"Ich helfe in dem Café meiner Tante aus und da war gestern Abend so ein Vollidiot, der mit seinem Kaffee unzufrieden war. Er ist ausgerastet und hat mich am Arm gepackt...", sage ich und merke, dass die Tränen wieder kommen. 

Das erste Mal schaut er mich sanft an und ich spüre, dass so etwas wie Mitleid von ihm ausgeht. Er bemerkt, dass er die Schutzmauer hat fallen lassen und dreht sich schnell weg. 

"Weißt du, wie der heißt?", fragt er mich zwischen zusammengekniffenen Zähnen. "Ramond oder so, keine Ahnung..." Ben ballt nachdenklich seine Hände zu Fäusten. "Du arbeitest also in dem Café bei Melinda?" 

Überrascht darüber, dass er aus dieser kleinen Information ableiten konnte, wo ich arbeite und wer meine Tante ist, lasse ich den Draht fallen. "Ja, sie ist meine Tante", wiederhole ich verwirrt.

Und dann, ohne ein weiteres Wort, läuft er einfach aus dem Raum. Ich schnappe mir den Draht und folge ihm. Die große Uhr über der Tafel verrät mir, dass wir nur noch wenige Minuten bis zum Ende der Stunde haben. Zum Glück, denn es wird immer merkwürdiger mit diesem Jungen... 

Trust me, I am a Bad Boy. / AbgeschlossenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt