Kapitel 2

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Ich habe mich nicht geweigert, in Henris Auto einzusteigen. Ich habe mich auch nicht geweigert, als er meinte ich soll mich auf den Fahrersitz setzen.

Deswegen fahre ich jetzt ein einem Aston Martin DBS an der Küste von L.A entlang. Henris Musikgeschmack scheint mir unschlagbar. Wir hören Lieder, die ich noch nie zuvor gehört habe. Sie sind alt, das erkennt man sofort und sie erschafft eine Atmosphäre in der Luft, die mir greifbar scheint. Ich fühle mich leicht – und glücklich. Während der Fahrt reden wir nicht. Deswegen schrecke ich kurz auf, als er sagt „Fahr rechts ran, ich würde gerne weiter fahren." Da es sein Wagen ist widerspreche ich nicht und fahre rechts ran. Wir wechseln die Sitze und jetzt fährt Henri die Küste entlang. Er dreht die Musik lauter und ich lasse das Fenster runter gehen. Ich blicke in den Himmel, die Palmen ziehen an ihm vorbei wie Raketen. Und plötzlich ertönt ein Song, den ich zufällig kenne und liebe: sweater weather.

„Du hörst The Neighbourhood?", frage ich überrascht.

„Eher selten, aber ich liebe diesen Track" antwortet Henri.

Er dreht die Musik noch lauter und plötzlich merke ich, wie leichtgängig das hier gerade ist. Ich fühle mich so wohl, dabei ist das nicht gerade selbstverständlich. Henri kam gestern erst an, ich habe keine einzige stringente Unterhaltung mit ihm geführt. Ich kenne ihn im Grunde gar nicht. Ich weiß gar nichts über ihn. Aber trotzdem. Trotzdem, sitzen wir jetzt hier zusammen, lieben dasselbe Lied und genießen diesen Augenblick zusammen.

Ich bin enttäuscht, als ich die Straßen meiner Nachbarschaft erkenne. Doch dann fährt Henri einfach raus nach Beverly Hills. Ich bin überrascht, aber doch freue ich mich darüber. Ich wollte ohnehin nicht nach Hause.

„Wohin fährst du?", frage ich ihn.

„Wir gehen essen", antwortet er mir grinsend.

„Und wo willst du hin?", frage ich ihn wieder.

„Ich hab da etwas empfohlen bekommen", er schenkt mir ein warmes Lächeln.

Ich lehne mich in den Sitz und beschließe mich überraschen zu lassen. Wir fahren durch Einkaufsstraßen und es läuft wieder die alte Musik. Irgendwie, schafft Henri es mich dermaßen von allem abzulenken. Meine Gedanken kreisen nicht umher wie sie es sonst tun. Ich genieße die Ruhe, die ich in mir spüre und warte ab, wo Henri mich hin bringt. Als ich merke, dass wir aus Beverly Hills raus fahren und einen Berg hochfahren, habe ich eine Vermutung.

„Du möchtest ins Chateau Marmont?" ich schaue ihn mit großen Augen an. Das habe ich nun wirklich nicht erwartet. „Wer hat dir das empfohlen?" frage ich ihn, ohne seine Antwort abzuwarten. Es gibt ohnehin keine andere Option mehr, dieser Berg führt nur zum Chateau Marmont. Einem luxuriösem Hotel, das auch ein Resteraunt führt. Es ist nicht gerade günstig, und nicht gerade dass, was ich an einem Sonntagnachmittag zum Essen gehen anpeilen würde. Zu zweit. Mit Henri, einem Jungen, den ich seit gestern kenne. Unweigerlich, frage ich mich was für Standards Henri gewöhnt ist. Vielleicht ist ein Essen im Chateau Marmont etwas ganz normales für ihn.

„Meine Mum" antwortet er mir.

Wir parken auf dem Parkplatz des Hotels, dann steigt Henri aus, läuft zu meiner Tür und hebt sie mir auf. Ich bin gerade am überlegen, was dass alles soll, als er mir die Hand hinstreckt. Ich nehme sie, da man bei diesen niedrigen Sportwagen wirklich Hilfe gebrauchen kann und streiche draußen verlegen mein Kleid glatt. Ich bin heilfroh, dass ich mich etwas schicker angezogen habe und mustere Henri. Er trägt mittlerweile eine schwarze Chino mit einem schwarzen Langarmshirt. Dazu trägt er Lederschuhe. An jedem anderen Jungen fände ich dieses Outfit zu glatt geleckt, aber nicht so an Henri. Die braune Haut, die verwuschelte Frisur, seine Größe und die breiten Schultern – all das lässt es nicht affig wirken. Mir fällt auf, dass dieses Outfit viel schicker als die sonstigen ist. Hat er vielleicht schon geplant hier her zu kommen? Möchte er unbedingt etwas von hier probieren?

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