Kapitel 1

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Wir verstehen das Leben in jener Richtung, die wir nie erleben.



KAPITEL 1

Aurora

Sommer 2016

Seit dem ich denken kann lebe ich in Los Angeles. Für viele Leute rund um die Welt die wohl coolste Stadt überhaupt. Wir haben einiges zu bieten: Hollywood, Sonne, Meer. Alles was das Herz begehrt.

Gut, die 5th Avenue liegt in New York und Breakfast At Tiffany's spielt dort aber das sei L.A. verziehen. „Dreh die Musik lauter" bitte ich Roxy als ich nach links abbiege. Gerade ertönte der erste Ton von Glad You Came, meinem Lieblingslied. Sofort durchströmt mich eine Vorfreude auf all die Strandpartys und Grillabende, die mich in den Ferien erwarten. Wir sind auf dem Weg zu unserer Schule, denn heute steht das Sommerfest der Lennox High an. Leider ist die Schule auch in L.A ätzend. Es ist Mitte Juli und das Einzige, was mich über diesen tragischen Morgen hinweg tröstet, ist mein Outfit und mein eiskaltes Getränk in meiner Hand. Es ist ein Samstag morgen und wir mussten um 7 Uhr aufstehen, weil wir um Punkt 9 Uhr in unserem Klassenzimmer sein müssen. Dort wartet unser Klassenlehrer Mr Carter auf uns und trägt uns in eine Anwesenheitsliste ein. Wer nicht erscheint hat ordentlich Pech gehabt, denn in dem Falle darf man in den Ferien regelmäßig zum Nachsitzen in die Schule. Die Sonne brennt mir im Nacken und ich bereue kurz, das schwarze Kleid angezogen zu haben. „Da muss ich jetzt wohl durch", denke ich. Wie heißt es doch so schön? „Wer schön sein will muss leiden". Wohl wahr. Vor allem im brühend heißen L.A. Wo in meinen Kreisen jeder das teuerste Auto fahren möchte und eine Monogramm Louis Vuitton auf dem Beifahrersitz hat.

Seufzend nehme ich einen großen Schluck mit dem Strohhalm. Unsere Schule liegt mitten in Los Angeles und Roxy und ich wohnen an der Küste in Santa Monica. Da wir wegen mir unbedingt zu Starbucks mussten, sollte ich mich nun wirklich beeilen, denn Roxy kommt ungerne zu spät. Ich beiße mir auf die Unterlippe und schaue fleißig jede rote Ampel böse an.

„Es hätte ja nicht unbedingt Starbucks sein müssen, das lag nun wirklich nicht auf dem Weg", kommentiert Roxy die ganze Situation, als könnte sie meine Gedanken lesen. Das würde mich jedenfalls nicht wundern, denn wir kennen uns bereits unser gesamtes Leben lang.

„Ich trinke nur Starbucks-Kaffee", gebe ich mit verstellter Stimme und einem Grinsen zurück.

„Du bist so wählerisch Auri!", wirft sie mir triefend vor Ironie vor während sie den Spiegel runter klappt. In ihrem weißen Polokleid von Ralph Lauren sieht sie umwerfend aus. Ihr platinblonder Bob fällt perfekt und ihre Haut ist am Anfang des Sommers schon goldbraun gebrannt.

„Und du solltest dich mal locker machen. Es macht keinen Unterschied, ob wir fünf vor oder fünf nach in der Schule sind", brachte ich unter einem schiefen Lächeln zurück. Die Aussage empört sie so sehr, dass sie ihren Blick mit offenem Mund vom Spiegel zu mir wendet. Es sieht herrlich aus wie sie mich mit ihrem Lipgloss in der Hand empört mustert. Ich muss lachen und lege dabei den Kopf leicht in den Nacken. Das Wetter ist so schön, dass es mir den schulreichen Samstag noch schwerer macht. Ich könnte jetzt am Strand sitzen denke ich. Sehnsüchtig blicke ich zur Küste. Es sieht großartig aus hier. Das Wasser ist türkisblau und an beiden Straßenrändern ragen hohe Palmen in den strahlend blauen Himmel.

Zufrieden drehe ich die Musik selbst so laut bis sie draußen schon die Leute an der Küste hören und singe lauthals mit. Meine letzten fünf Minuten in Freiheit muss ich schließlich genießen. Ich werde ganze fünf Stunden auf diesem doofen Fest ausharren müssen.

Roxy und ich sind überrascht, dass das Schulgelände schon um diese frühe Uhrzeit so voll ist. Man sieht Eltern, Schüler, kleine Geschwister und natürlich Lehrer in Grüppchen stehen. Die meisten haben ein Champagnerglas in der Hand. Durch die Grüppchen schlängeln sich weiß angezogene Kellner und Kellnerinnen mit Häppchen und es läuft klassische Musik. Alles zusammen ist es einfach zu öde und zu anstrengend für einen Samstag morgen.

AURORAWhere stories live. Discover now