Drei (Teil 2/2)

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Als ich neben ihr zum stehen kam und das innere des Ladens sah, wusste ich, warum sie so reagiert hatte. Es war traumhaft. Der Innenraum erschien recht dunkel, jedoch waren über den Regalen und an den Decken überall Lichterketten aufgehängt worden. Viele Bilder mit Landschaften zierten die Wände in ihren schwarzen, glänzenden Rahmen. Amy griff mit der noch von Tüten verschonten Hand nach meiner und zog mich in das Innere des Geschäfts, welches erstaunlich gut roch. Nahezu gleichzeitig atmeten wir den Duft nach Blumen ein und lachten. Wir schlenderten durch die Gänge, welche allesamt von den Lichterketten beleuchtet wurden und durchwühlten die Kleiderstangen und Regale nach Kleidung, die mir gefallen würde. Mich wunderte es nicht, dass wir nach kurzer Zeit so einige Shirts und Hosen über den Armen hängen hatten, da Amy genau genau wusste, was mir gefiel und was nicht. Allein anhand ihrer Reaktion auf diesen wirklich schönen Laden hätte ich mir denken können, dass wir schließlich doch nicht mit leeren Händen nach Hause gehen würden. Ich hatte wirklich eine Vorstellung von dem, was ich mir kaufen wollte, jedoch war ich trotzdem mehr als froh, Amy bei mir zu haben. Manchmal hatte ich nämlich doch keine Ahnung davon, ob etwas wirklich zusammenpasste, oder nicht. Gerade versuchte ich mit vollbepackten Armen in Richtung der Umkleiden zu gehen, als ich an einem der vielen Regale hängenblieb und mir mindestens die Hälfte meiner erbeuteten Klamotten auf den Boden fielen. Leise fluchend kniete ich mich hin um das Chaos zu beseitigen, was sich jedoch als recht kompliziert herausstellte, da ich krampfhaft versuchte, nicht auch noch die andere Hälfte auf dem Boden zu verteilen. Mit viel Mühe schaffte ich es, mich wieder aufzurichten und meinen Weg fortzusetzen. Erleichtert lud ich den Berg an Klamotten auf dem Stuhl, welcher sich im inneren der Kabine befand, ab und fuhr mir mit der Hand durch meine blonden Haare. Durch die Sonne waren manche Strähnen heller geworden und glänzten nun in einem unnormal hellem blond, welches im Licht manchmal gold erschien. Meine Mom hatte stets große Freude daran mich als Streifenhörnchen zu betiteln, da meine Haarfarbe nunmal ein Gemisch aus blond und vielen dunkleren Strähnen war. Auch wenn sie wusste, dass ich diese Bezeichnung über alles hasste, verwendete Mom sie immer wieder, wofür sie jedes Mal aufs neue einen bösen Blick von mir erntete. Seit dem letzten Friseurtermin war viel Zeit vergangen und somit wucherten meine Haare schon seit Wochen vor sich hin. Mittlerweile gingen sie mir bis zum Bauchnabel, worüber ich im Moment mehr als froh war. Ich mochte diese Länge sehr, auch wenn mir kürzere und dünnere Haare wohl so manchen sommerlichen Hitzeschock ersparen würden. Amy sagte immer, dass ich froh über meine Haare sein sollte. Viele wären nicht mit so etwas wundervollem ausgestattet, also solle ich mich mit dem zufriedengeben, was ich hatte. Und natürlich hatte sie recht mit dem, was sie sagte. Ihre Weisheiten nahm ich mir stets zu Herzen und bewahrte sie für die schlechten Tage gut in meinem Kopf auf. Manchmal konnte ich wirklich schlechte Laune haben und nur Amy schaffte es, mich in irgendeiner unerklärlichen Art und Weise, mich wieder positiv zu Stimmen. »Wag es nicht, dich alleine in eine der Umkleiden zu verziehen, ohne mir Bescheid zu sagen!«, hörte ich sie rufen und lachte. Ebenso wie ich versuchte sie kläglich die Ladung von Klamotten auf ihrem Arm sicher in meine Richtung zu transportieren. Bevor jedoch doch noch etwas runterfallen konnte beschloss ich, ihr zur Hilfe zu eilen.

»Danke«, stöhnte sie erleichtert und atmete etwas auf. Zusammen trugen wir die vielen Sommerklamotten auch in ihre Umkleide und ich verzog mich zurück zu meinen eigenen Sachen. Nach und nach probierte ich zuerst die vielen Shirts und einige der Hosen an, jedoch sagte mir letztlich nichts davon komplett zu. In diesem Moment wusste ich selbst nicht, ob ich einfach nur viel zu wählerisch war, oder ob es einen ganz andern Grund dafür gab. Aus der angrenzenden Kabine hörte ich ein nahezu ununterbrochenes Quietschen welches mich darauf schließen lies, dass Amy um einiges erfolgreicher war, als ich. Seufzend widmete ich mich also dem riesigen Kleiderhaufen in der Hoffnung, vielleicht doch irgendetwas vergessen zu haben. Und tatsächlich zog ich nach kurzer Zeit eine sehr knittrige Denim Latzhose aus den andern Kleidungsstücken hervor. Erstaunt musterte ich sie und begann, an ihr herumzuzupfen, um wenigstens ein paar der vielen Falten wieder zu glätten. Erfolglos schüttelte ich sie aus, wobei mir plötzlich ein Shirt entgegen flog und mitten im Gesicht landete. Ich schüttelte den Kopf und bückte mich, um das Hosen-Geschoss wieder vom Boden aufzusammeln. Sowas dämliches konnte einfach nur mir passieren. So war es ständig. Schon als kleines Kind war ich so tollpatschig gewesen, dass ich eines Tages vom Dach einer Scheune in einen Strohhaufen hatte springen wollen, jedoch vollkommen daneben landete und mir das Bein brach. Mein Dad hatte mich damals lange trösten müssen und schließlich erzählte er mir, dass mein Bein nur mit ganz viel Eis heilen würde. Und somit fuhren wir nach dem Krankenhaus Aufenthalt zu einer Eisdiele. Dies taten wir jedoch nicht nur dieses eine Mal, sondern vermutlich jeden zweiten Tag. Denn Beine heilten laut meines Dads besonders schnell vom Eis essen. Damals war er wirklich ein großer Held für mich gewesen. Beim Gedanken an ihn und sein stets strahlendes Lächeln schloss ich die Augen und atmete tief durch. Beruhig dich Reeva, dachte und begann mir mein Top äußerst unelegant über den Kopf zu ziehen. Kurz betrachtete ich das Hosen-Geschoss-Shirt welches schwarz weiß gestreift war. Vorsichtig zog ich es an und bemerkte überrascht dass es etwas kürzer geschnitten und schulterfrei war, denn die eigentlich vermuteten kurzen Ärmel schmiegten sich seitlich an meine von der Sonne gebräunten Oberarme. Kurz musterte ich mich im Spiegel, bevor ich mich aus meiner engen Jeans heraus quälte und auch die Latzhose überzog. Beim befestigen der Träger an der Vorderseite des Stoffes stellte ich mich äußerst ungeschickt an, schaffte es aber trotzdem irgendwann und musterte nun endgültig mein Spiegel-Ich. Mit der Hand griff ich nach meinen Haaren und legte sie über meine linke Schulter, um mich besser betrachten zu können und drehte mich etwas hin und her. Niemals hätte ich gedacht, dass ich an dieser Outfit Kombination gefallen finden würde, dieser Moment bewies mir jedoch das vollkommene Gegenteil. Zufrieden lächelte ich mein Spiegel-Ich an.

»Wie weit bist du?«, rief ich über die Wand der Kabinen, die Amy und mich voneinander trennten. Mir kam ein leises Kramen entgegen bis sie schließlich »Fast fertig« antwortete und ich begann mein eigenen Klamotten anzuziehen, den großen Kleiderhaufen ordentlich zusammenzufalten und letztlich stieß ich mit einem Fuß die Kabinentür auf. 

Between The LinesWhere stories live. Discover now