Angst

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Meine Hände fingen an zu zittern, als ich die Menschenmasse sah. Mit wackeligen Schritten stieg ich neben John, die mit Steinen gepflasterten Treppenstufen hinauf. Ich war angespannt, denn diese Situation war völlig neu für mich. Die Galerie war mit Steinboden ausgelegt, große Lampen hingen von der hohen Decke, an der Wand hingen neuartige Bilder und über all standen Kunstwerke auf kleinen Podesten. Das alles war nicht ganz mein Stil, aber ich freute mich, endlich von meinem alten Leben weg zukommen und ein bisschen Spaß zu haben. Die anderen Gäste liefen gemütlich durch die Gänge, schnappten sich hin und wieder ein Häppchen von dem Tablett des Kellners, der hier die Runde machte und betrachteten dabei fasziniert die Kunstwerke. Ich musste aufpassen, dass ich mit meinen hohen Schuhen auf dem rutschigen Boden nicht hin fiel und ließ auch deshalb meinen Arm die ganze Zeit bei John eingehakt. Wir wollten nicht auffallen, also mischten wir uns unter die Leute und kamen auch hin und wieder mit jemanden ins Gespräch. Es war ungewöhnlich plötzlich ein anderer Mensch zu sein und sich immer als Laurie Donovan vorstellen zu müssen. Nachdem wir einmal die ganze Ausstellung gesehen hatten flüsterte John mir etwas ins Ohr und verschwand in einem schmalen Seitengang, der mir bis jetzt noch nicht aufgefallen war. Ich konnte nicht genau verstehen was er sagte, doch ich glaube das er wollte, dass ich hier blieb und mich weiter mit den anderen Gästen unterhielt.

Eine gelangweilte Dame gesellte sich mit ihrem Pudel, den sie im Arm trug, zu mir und wir sprachen über die hier ausgestellten Kunstwerke. Nebenbei fand ich heraus, dass sie aus Norwegen angereist war und ein großes Vermögen besaß. Während wir uns unterhielten wurde ein Mann auf uns aufmerksam und reichte uns zwei Gläser Sekt. Er war groß, hatte breite Schultern, blondes, kurzes, gegeeltes Haar, dass für meinen Geschmack viel zu ölig aussah und trug einen dunklen Anzug. Seine Augen waren graublau und starrten mich unentwegt an. Als ich das Sektglas entgegen nahm, streiften seine Finger meine Hand und es war, als ob tausende kleine Blitze durch meinen Körper zuckten. Schnell zog ich meine Hand weg und nahm einen Schluck, nachdem wir gemeinsam angestoßen hatten. Mir war es in Gegenwart des Mannes unwohl, also suchte ich nach John, der aber spurlos verschwunden schien. Als ich mich von den Beiden abwand, um nach ihm zu suchen, bemerkte ich die durchdringenden Blicke der Sicherheitsleute, die die Kunstgala beaufsichtigten. Ich wurde hecktisch und drängelte mich durch die Menschenmenge hindurch, da packte mich plötzlich jemand an meinem Arm und drehte mich in seine Richtung.

Zum Glück war es nur John, der mir entgegen grinste. "Hast du dich erschreckt?", stichelte er mich. "Ha Ha", tat ich es mit einem sarkastischen Lachen ab. "Was gibts?"

"Ich muss nochmal weg, die Übergabe findet gleich statt. Den Ort und die beteiligten Personen habe ich bereits ausfindig gemacht und auch das Sicherheitssystem habe ich gescheckt. Josefina, du solltest dich vor den Securityleuten in Acht nehmen, das sind keine guten Männer."

"Ich passe schon auf", sagte ich und gab ihm einen innigen Kuss. "Beeil dich, ich warte hier auf dich." Dann verschwand er wieder.

Alleine stand ich da und das unwohle Gefühl kam zurück. Als ich mich umdrehte, stand dort der Mann, der mir den Sekt gebracht hatte und lächelte mich an. "Haben sie mich schon vermisst?", sagte er mit seiner unheimlichen Stimme und verlangte auch keine Antwort darauf, sondern zog mich auf die Tanzfläche. Ich hatte gar keine andere Wahl und musse also mit diesem Wiederling tanzen. "Sie sind wunderschön.", flüsterte er und strich mir eine Strähne hinter das Ohr. Mich wiederte es an, wie er mich berührte und ich versuchte mich, soweit wie möglich von ihm fernzuhalten, doch in der Tanzhaltung war das schier unmöglich. Vorsichtig versuchte ich mich aus seinem Griff zu lösen und wich ein wenig zurück. Er zog mich sofort wieder eng an sich und sah leicht verärgert aus. "Was soll den das? Magst du denn nicht mit mir tanzen?"

Ich antwortete ihm nicht, denn er machte mir angst. Als ich ihm mit meinem spitzen Absatz auf den Fuß trat, ließ er mich los und ich eilte davon. Ich flüchtete auf die Damentoilette, wusch mir die Hände, die er angefasst hatte und schaute in den Spiegel. Meine Haare sahen noch gut aus, nur der Lipgloss war schon abgegangen. Auf der Toilette herrschte Hochbetrieb und andauernd wurde ich von wütenden Frauen auf die Seite gestoßen. Es war definitiv nicht der perfekte Ort, um sich auszuruhen, also trat ich wieder zur Tür hinaus.

Mein Blick erstarrte und mein Körper wurde steif.

ThunderstormWo Geschichten leben. Entdecke jetzt