Funktionieren | Thoffi

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War das die Tür, die gerade leise ins Schloss gefallen war? Hieß das, das Thomas endlich da war? Ratlos ging Steff in den Flur. Kein Licht brannte, aber Thomas Schuhe standen ordentlich neben ihren eigenen und seine Jacke hing an der Garderobe.

War er heimgekommen, ohne sich bei ihr zu melden? Das sah ihm gar nicht ähnlich. Aber es wäre auch nicht das erste Mal gewesen. Bis spät verbrachte er in letzter Zeit die Tage im Proberaum, nur um dann wortlos nach Hause zu kommen und sich direkt ins Schlafzimmer zu verziehen. So langsam, aber sicher machte Steff sich Sorgen um ihn.

Kurz überlegte sie, was sie jetzt machen sollte, dann fasste sie einen Entschluss. Erst schaute sie kurz bei ihrem Sohn im Zimmer vorbei, doch der schlief bereits tief und fest und hatte nichts von alldem mitbekommen. Dann schlich sie sich zum Bad. Das Rauschen des Wassers zeigte ihr, dass Thomas bereits unter der Dusche stand.

Einen Moment zögerte sie noch, dann öffnete sie leise die Tür und gesellte sich zu ihm ins Bad. Er bemerkte sie nicht, stand nur still da und ließ sich das Wasser in das Gesicht prasseln. Steff zog sich aus und stieg zu ihm in die Duschkabine.

"Steff?! Was zur-" Erschrocken drehte er sich zu ihr um, sah sie entgeistert an, "Was tust du hier?" Sie schenkte ihm ein zuckersüßes Lächeln.

"Darf ich denn nicht gemeinsam mit meinem Freund duschen?" Federleicht strich sie mit ihrer Hand über seine nasse Brust, beobachtete dabei ganz genau jegliche Regung in seinem Gesicht. Die dunklen Augenringe und der müde Blick gefielen ihr gar nicht.

Fast schon beschämt senkte Thomas den Blick und griff nach ihren Händen, um sie zu stoppen.

"Steff, sorry, aber bitte nicht heute. Ich... bin echt nicht in der Stimmung dafür." Seine Hand schnellte zur Tür. Entschieden hielt sie ihn auf, suchte seinen Blick. Er wich ihr aus. Sie seufzte.

"Dreh dich um und mach dich mal ein bisschen kleiner, du Riese."

"Steff, bitte, ich-" Aber Steff ließ sich nicht beirren, während sie die Shampoo-Flasche nahm und sich etwas auf die Hand spritzte. Auffordernd sah sie Thomas an.

Er rührte sich nicht, starrte sie nur etwas verwirrt an.

"Thomas, ich seh doch, dass es dir nicht gut geht. Und wenn du noch nicht darüber reden willst, ist das okay. Aber lass mich wenigsten etwas Kleines für dich tun." Thomas presste die Lippen aufeinander und nickte.

Sein Kopf sank gegen ihre Schulter, während sie mit kreisender Bewegung das Shampoo in sein Haar einmassierte. Leise summte sie eine Melodie, das, was bei ihrer letzten Jamsession entstanden war und ihr seitdem im Kopf rumspukte.

Der Duft von Kiefern und Moschus erfüllte die Duschkabine - ein Geruch, der so unweigerlich Thomas war und sich so nach zu Hause anfühlte. Tief atmete Steff ein. Sie konnte es nicht sehen, aber es entlockte Thomas ein kleines Lächeln.

Was sie allerdings merkte, waren seine Arme, die sich um ihre Hüfte legten und sie näher zogen. Es lag nichts Sexuelles in der Bewegung - es war einfach nur die Suche nach etwas Geborgenheit. Er weigerte sich nicht länger und ließ sich einfach fallen in ihre bereits ausgebreiteten Arme. Langsam wich die Spannung aus seinen Schultern.

Steff nahm sich Zeit. Gründlich verteilte sie das Shampoo in seinen Haaren, wusch es genauso sorgfältig wieder aus, nahm sie als nächstes das Duschgel und arbeitete sich langsam voran.

"Du musst mich jetzt leider loslassen, damit ich weitermachen kann" Grummelnd zog Thomas sie noch ein Stück näher, was Steff zum Lachen brachte.

"Komm schon, es dauert nur noch ein paar Minuten." Sanft strich sie ihm eine nasse Strähne hinter sein Ohr. Missmutig löste Thomas sich von ihr und schaute ihr abschätzend dabei zu, wie sie sich sein Duschgel in die Hand spritzte.

Seufzend ergab er sich seinem Schicksal. Aber Steff sah ihm an, dass er es genoss.

Er arbeitete zu viel. Von früh bis spät war er momentan im Proberaum, verkrümelte sich dort hinter den PC, um an den Soundspuren ihres neuen Songs zu arbeiten, während die Deadline immer näher rückte. Sein Nacken und Rücken war komplett verspannt. Sie ließ es unkommentiert, weil sie wusste, dass Thomas es wusste.

Genauso wie er wissen sollte, dass es so nicht weiter gehen konnte. Zumindest hoffte Steff das. Wenn er nur wenigstens mit ihr reden würde.
Sie musste ihm Zeit geben. Auch wenn es ihr jeden Tag schwerer fiel.

Steff stellte das warme Wasser ab, was Thomas mit einem unwilligen Murren bemerkte.

"Na komm schon, du Brummbär." Halbherzig trocknete er sich ab und zog sich seine Schlafsachen über.

"Putzt du mir jetzt auch noch die Zähne?" Ein eindeutiger Blick von Steff reicht, um ihm ein kleines Schmunzeln zu entlocken. Abwehrend hob er die Hände. Sie konnte nur den Kopf schütteln, aber innerlich beruhigten sie die kleinen Neckereien etwas. Es war bekanntes Terrain, ihre ganz eigene Form eines täglichen kleinen Ich liebe dich.

"Ich schau nochmal nach unserem Kleinen." Damit verschwand er schließlich aus dem Bad. Die fiese kleine Stimme Steffs Inneren merkte an, dass er ihren Sohn auch selbst ins Bett hätte bringen können, wäre er nicht so spät nach Hause gekommen wäre. Sie ignorierte die Stimme. Noch fiel es ihr leicht, aber mit jedem Tag, in der Thomas sich mehr in sich zurückzog, wurde die Stimme lauter.

Im Spiegel begegnete sie ihrem besorgten Blick.

Nein.

Sie vertraute Thomas. Er würde sich ihr anvertrauen, wenn er so weit war. Und bis dahin würde sie ihn auf jegliche Art unterstützen. Steff nickte sich nochmal einmal ermutigend zu, bevor sie das Bad verließ und ins Schlafzimmer ging.

Thomas lag schon im Bett, ihr abgewandt. Aber seine Nachttischlampe brannte noch. Schnell schlüpfte sie zu ihm ins Bett. Für einen kurzen Moment zögerte sie noch, aber dann kuschelte sie sich von hinten an ihn. Er versteifte sich kurz, aber ließ es dann zu und löschte das Licht.

Im Dunkeln fühlte Steff sich mutig genug, um einen Arm um Thomas zu schlingen und eins ihrer Beine zwischen seine zu schieben. Sie hauchte ihm noch einen Kuss in den Nacken und flüsterte ein leises "Gute Nacht."

Ein warmer Händedruck und Thomas raue Finger, die sich mit ihren verschränkten, waren die einzige Antwort.

Und es war alles, was sie brauchte. 

Laut GedachtWhere stories live. Discover now