Schneeflocken im Wind |Stefamu

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Entstanden im Rahmen des fünften Mondshots-Monats der lieben reiseumdiewelt (@vergessdenrestderwelt_ auf insta)

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Sieben Minuten. So viel Zeit hatte sie, um einmal kurz durchzuschnaufen. Stimmt nicht. Von den sieben Minuten, würde sie drei Minuten in der Maske verbringen und mindestens eine Minute nachdem die Werbepause angefangen hat und eine Minute bevor sie wieder live waren, würde sie wieder auf dem Stuhl sitzen müssen. Das hieß, ihr blieben knapp zwei Minuten, um kurz in die Nacht nach draußen zu gehen, die frische Luft zu atmen und einfach kurz zu sich zu kommen.

So sehr sie diese Show auch liebte, Live-Fernsehen verlangte unglaublich viel von einem. Es war so ganz anders als Konzerte zu geben. Dort konnte man die Menschen sehen und hören. Man konnte sich in gewissem Maße treiben lassen, ohne sich allzu genau an einen Plan zu halten. Bei The Voice hatte man nur eine Kamera und ein kleines Publikum, was genau gesagt bekam, wann es zu klatschen hatte. Alles war auf die Sekunde genau durchgetaktet. Und wehe, man war nur eine Millisekunde in Verzug. Es war stressig.
Aber für diese Talente lohnte es sich allemal. Steff wusste, würde sie wieder gefragt werden, würde sie sofort zusagen eine weitere Staffel Coach zu sein.

In der Glastür, die nach draußen führte war bereits ein kleiner Stopper. Anscheinend war sie nicht die einzige, die die Idee hatte, kurz durchzuatmen. Draußen war die Luft eiskalt und tatsächlich tanzten doch Schneeflocken vom Himmel herab. Fasziniert blieb Steff in der Tür stehen und beobachtete das Schneetreiben.

Schnee im Dezember in Berlin. Das war wirklich eine Seltenheit.

"I'm coming in a minute, don't worry", murmelte eine tiefe Stimme auf einmal. Es war Samu der ein paar Meter weiter am Eisengeländer stand, den Kopf in den Nacken gelegt und die Augen geschlossen hatte.

"Oh, keine Sorge. Ich wollte eigentlich selber nur ein bisschen Luft schnappen, wenns dich nicht stört."

"Du könntest never stören, Steff." Die Art wie er ihren Namen sagte, sorgte jedes Mal wieder für ein Kribbeln in ihrem Magen. Wenn er sie dazu auch noch so liebevoll wie jetzt ansah, wurden ihr die Knie auch noch ganz weich. Steff verfluchte sich und ihr bescheuertes Herz für so eine Reaktion.

Groß, blond und blauäugig. Der klassische Frauenschwarm, der mit jeder flirtete, die nicht bei drei auf dem Baum war. Überhaupt nicht Steffs Typ. Sie hatte sich Samu als arroganten Mistkerl vorgestellt, der in ihr keine Konkurrentin wahrnahm, sondern nur eine weitere Frau, die sofort alles tat, was er sagte, wenn er einmal mit seinen verflucht langen Wimpern klimperte.

Und dann lernte sie Samu kennen und er war so völlig anders. So überraschend ruhig und zurückgezogen. Vor der Kamera klar - da war er der große Macker, wie man sich ihn vorstellte. Aber sobald die Kamera aus war, sie mit den anderen Coaches ausgingen, zog er sich in sich zurück. Verfolgt mit angestrengter Miene das schnelle Deutsch, was sie sprachen. Schwieg lieber, als etwas Falsches zu sagen. Es war fast niedlich gewesen mit anzusehen. Irgendwann hatte sie sich einen Ruck gegeben und ihm mit ihrem rudimentären Englisch versucht zu erklären, womit genau Smudo und Michi Rea gerade aufzogen.
Es war der Startschuss für eine zarte Freundschaft und ein absolutes Gefühlschaos, das seines gleichen suchte, gewesen.

Und jetzt standen sie beide hier und starrten empor in den schwarzen Nachthimmel. Etwas erwartungsvolles lag in der Luft.

"Es ist fast wie in Finnland. But they're bigger there. More snow. Not those little... what do you call it?"

"Flocken. Schneeflocken."

"A cute word. In finnish it's lumihiutale."

"Ich versuch mal gar nicht erst das auszusprechen", meinte Steff schnaubend. Samu lächelte.

"I'm gonna miss this. I'm more than happy to be back in finland. But still something about the time here... I will miss it. I will miss you."

"Me too." Samu hatte seine Blick vom Himmel abgewandt und schaute sie nun direkt mit seinen so unglaublich blauen Augen an. Schneeflocken zierten seine blonden Haare. Eine vereinzelte trudelte zu seinen Lippen hinunter. Es war auf einmal alles, was Steff wahrnehmen konnte.

"Du hast da was", flüsterte sie mit rauer Stimme.

"Then do something about it." Samu schaute sie mit so einer unglaublichen Zärtlichkeit an. Mit so viel... Liebe. Etwas spitzbübisch blitzten seine blaue Augen, aber gleichzeitig wirkten sie irgendwie sehnsüchtig. Als würde er schon lange auf etwas warten.

"What do you want me to do about it?" Steff meinte in dem Blau seiner Augen ertrinken zu können.

"I don't know - you tell me." Bevor sie es sich zweimal überlegen konnte was genau sie da gerade tat, zog sie Samu die letzten Zentimeter zu sich runter und küsste ihn.

Und auch das war so völlig anders, als Steff es sich vorgestellt hatte. Sie hatte mit einer große Explosion gerechnet, einem innerlichen Feuerwerk der Emotionen. Ein Finale so hitzig und voller Gefühl wie die gesamte Staffel, ihre gesamte Beziehung zu Samu. Aber stattdessen war es irgendwie... leise. Als würde die Welt für einen kurzen Augenblick den Atem anhalten.
Eine Art... umgekehrter Zeitraffer. Es waren nur sie beide.
Samu und Steff.
Seine Lippen auf ihren, seine Hände auf ihren Hüften, ihre in den blonden Haaren vergraben.

Und dennoch fühlt es sich genauso wie es war so richtig an. Dieser Moment gehörte ihnen.

In der Werbepause des Finales von The Voice of Germany auf einer kleinen Treppe hinter einer Feuertür. Umgeben vom Schneetreiben Berlins.

Laut GedachtWhere stories live. Discover now