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Obwohl ich mich so ausgelaugt fühle, dass es mir so vorkommt, als könnte ich tagelang schlafen, ist nun an Schlaf nicht zu denken. Ich werfe einen kurzen Blick über mein Zimmer – es ist hübsch eingerichtet, es gibt ein breites Himmelbett und große Fenster, die einen wunderschönen Blick auf die im Mondlicht funkelnde Skyline der Gläsernen Stadt freigeben –, dann lass ich mich auf den Boden sinken und winkle die Beine an. Nun, wo um mich herum immer mehr Ruhe eingekehrt ist und ich allein bin, droht mich die Panik zu überwältigen.

Mein Herz schlägt immer schneller, meine Atmung wird flach. Ich greife in die Tasche meines Kleides und ziehe mein Spray hervor, inhaliere es tief, doch es bringt nichts. Es ist, als würde mir eine unsichtbare Macht die Kehle zudrücken.

Schweiß bricht mir aus und ich springe auf, laufe zum Fenster, in der festen Überzeugung, dass es verschlossen ist, doch das ist es nicht. Es lässt sich öffnen, und ein Schwall frischer Nachtluft strömt in den Raum.

Ich beuge mich über das Fensterbrett und sehe nach draußen. Weit unter mir liegen der Schlosspark und sein gepflasterter Hof mit dem Springbrunnen, rechts das Labyrinth, durch das Kael – hoffentlich – entkommen ist. Nun weiß ich, wovor er mich warnen wollte. Er muss es gewusst haben.

Ich atme einige Male tief durch, doch es hilft nichts, mein Herz rast noch immer, mein gesamter Körper kribbelt, Schwindel erfasst mich. Ich muss hier raus, spätestens jetzt, doch mein Zimmer ist zu hoch, und so haste ich zur Tür. Entgegen meiner Erwartung ist auch sie nicht abgesperrt.

Ich reiße sie auf und stürze auf den Flur, der nun verlassen und im Dämmerlicht vor mir liegt. Und dann laufe ich einfach los.

Ohne Ziel und ohne Plan renne ich den Korridor entlang und bin dabei erstaunlich leise, denn meine Schritte werden von dem dicken Teppich gedämpft. Ich weiß nicht, wo ich hin will. Ich weiß nur, dass ich hier nicht bleiben kann, dass ich weg muss. An die frische Luft, unter den nächtlichen Himmel, und vielleicht schaffe ich es ja doch aus dem Palast. Vielleicht schaffe ich es ungesehen durch Celestria und zurück zum Echostrider, und vielleicht ist Kael noch da und vielleicht kann er mich zurückbringen. Zurück nach Tremoris, zu meiner Familie.

Das sind ganz schön viele Vielleichts und das weiß ich. Aber ich brauche etwas, an das ich mich klammern kann.

Ich renne und renne und weiße Türen fliegen an mir vorbei, wie die, hinter der mein eigenes Zimmer liegt, Tür um Tür.

Wie aus weiter Ferne höre ich jemanden meinen Namen rufen, doch ich schiebe das Geräusch weg. Ich will nichts hören, nur meinen eigenen Atem und meinen eigenen Herzschlag, der mir in den Ohren dröhnt.

Die Stimme ertönt erneut, wird lauter. „Cinna, bleib stehen."

Doch ich bleibe nicht stehen. Immer weiter renne ich, so lange, bis ich völlig erschöpft bin, und auch dann noch. Bis ich irgendwann gezwungen werde, anzuhalten, weil mich jemand am Arm packt. Jemand zieht mich zu sich heran, ich spüre Wärme und einen fremden Herzschlag an meinem Ohr, und dann steigt mir der Duft von Rosenparfum in die Nase, milde vertraut, und lässt mich blinzeln. „Du musst stehen bleiben", sagt eine sanfte Stimme. „Sonst rennst du dich noch zu Tode. Hier gibt es keinen Ausweg."

„Wie?" Ich blinzle erneut und dann blicke ich nach oben in das ernste Gesicht von Kaida, die mich fest in ihren Armen hält und dabei durchdringend mustert.

„Du musst dich beruhigen, okay?", sagt sie leise.

„Ja", sage ich, doch ich weiß nicht, wie. Mein Herz rast so sehr und meine Gedanken sind so ein Durcheinander, dass ich nicht weiß, wie ich mich jemals wieder beruhigen kann.

„Ich habe das auch schon versucht", sagt Kaida. „Hier rauszukommen. Der Weg führt im Kreis, ist dir das nicht aufgefallen? Es gibt keinen Ausweg, nur unsere Zimmer und diesen runden Flur."

„Aber das ist nicht möglich!", stoße ich hervor und winde mich aus ihrem Griff. Fassungslos starre ich sie an. Das darf einfach nicht sein!

Sie zuckt die Achseln. „Celestria ist Die Magische, oder?", sagt sie. „Ich denke, hier sind sehr viele Dinge möglich, die wir uns in Tremoris nicht vorstellen können. Komm mit, du kannst bei mir schlafen. Das heißt, wenn du möchtest. Dann bist du nicht allein. Zumindest ich bin froh, wenn ich heute Nacht nicht allein bin."

Sie legt ihren Kopf ein wenig schief, fragend, und ich nicke. Stumm folge ich ihr in ihr Zimmer, während mein Puls sich langsam wieder ein wenig beruhigt. Kaidas Stimme, ihre Wärme, ihre Besonnenheit helfen mir dabei.

Ihr Zimmer ist genauso eingerichtet wie meins. Und als ich zum Fenster gehe, stelle ich fest, dass der Winkel, aus dem ich auf den Hof blicke, auch der gleiche ist. Das dürfte rein logisch eigentlich nicht sein, selbst wenn ihr Zimmer direkt neben meinem liegt, müsste er zumindest minimal anders sein. Vermutlich ist also auch das eine Art Zauber. Eine Illusion.

Ich gehe zum Bett und lasse mich auf die Matratze sinken.

„Danke", sage ich matt. Und dann wird mir mit einem Mal klar, was ihre Anwesenheit wirklich bedeutet. „Schön, dass du es geschafft hast, Kaida."

„Das kann ich nur zurückgeben", entgegnet sie leise.





Eigentlich sollte ja Kael der Love Interest sein, aber irgendwie taucht er kaum auf. xD Stattdessen mag ich Kaida immer lieber. Sollte es vielleicht eine wlw Geschichte werden?

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⏰ Letzte Aktualisierung: Nov 28, 2023 ⏰

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Cinder & Blood: The darker Side of MidnightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt