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Bis zum Abend hat sich Emmys und Penkos Vorhaben rumgesprochen und ich stelle fest, dass Neuigkeiten sich hier tatsächlich verbreiten wie ein Lauffeuer. Die Antwort auf meine peinliche Frage bekomme ich auch: Selbstverständlich duldet Mr Winterbourne keine Partys in seinem Gemäuer, die Studenten haben jedoch Mittel und Wege gefunden, sein Verbot zu umgehen.

„Wir müssen warten, bis er im Bett ist", erklärt Emmy. Sie ist nach dem Abendessen, das ich mit den anderen im Speisesaal einnehmen durfte, mit auf mein Zimmer gekommen und wühlt nun gemeinsam mit mir in meinem riesigen begehbaren Kleiderschrank. „Er schläft immer pünktlich um halb zehn, keine Sekunde später. Und er schläft wie ein Stein, keine Chance, dass er aufwacht."

„Wird es nicht zu laut sein? Ich meine, hier sind dreihundert Studenten!" Ich schaffe es nicht, meine Verwunderung zu verbergen.

„Du wirst schon sehen." Emmy grinst verschlagen. „Meine Güte, sind das schöne Kleider! Ich wünschte, ich könnte mir eins davon leihen."

„Darfst du jederzeit!"

Sie zieht eine Augenbraue nach oben. „Sehe ich so aus, als würden mir deine Kleider passen?"

„Vermutlich eher nicht", muss ich zugeben. „Was schade ist, denn ich würde wirklich gerne mit dir tauschen."

„Glaub mir, das würde nicht helfen", sagt Emmy, die sofort kapiert, worum es mir geht. „An meiner alten Schule gab es Schuluniformen, sodass alle das gleiche tragen mussten. Und trotzdem gab es Schüler, die andere für Oberflächlichkeiten fertiggemacht haben. Menschen wie Rabinja werden immer einen Grund finden, sich über andere zu stellen. Wenn es nicht die Kleidung ist, dann sind es eben die Haare. Oder die Hautfarbe. Die Stimme. Der Gang. Was weiß ich. Anpassung hilft da nicht."

„Das tröstet mich jetzt nicht wirklich." Ich nehme ein schlichtes dunkelblaues Kleid aus dem Schrank, das zwar immer noch meilenweit von dem entfernt ist, was die anderen Studentinnen tragen, aber zumindest nicht ganz so sehr nach Reichtum schreit wie all die anderen Kleider.

„Das sollte es aber." Emmy hält inne und sieht mich ernst an. „Ich habe schon mein ganzes Leben lang mit Leuten wie Rabinja zu tun und wenn ich eins gelernt habe, dann dass es nicht aufhört, indem man versucht, es ihnen recht zu machen. Denn darum geht es diesen Menschen nicht. Sie wollen nicht, dass du dich anpasst, im Grunde ist es ihnen egal, welche Kleider du trägst, ob du dick oder dünn bist, wie du dein Haar frisiert hast."

„Und was wollen sie dann?" Ich verstehe es ernsthaft nicht. In Delerani habe ich zwar Privatunterricht zuhause bekommen, trotzdem kannte ich natürlich andere Kinder und hatte auch ein paar wenige Freundschaften, auch wenn alle sich in den letzten Jahren verlaufen haben. Mit einer gehässigen Person wie Rabinja hatte ich jedoch noch nie zu tun und ich kapiere nicht, was sie von ihrem Verhalten hat. Meiner Meinung nach sollte man immer versuchen, sich selbst und anderen das Leben so angenehm wie möglich zu machen.

Emmy zuckt die Achseln. „Sich besser fühlen, nehme ich an. Meistens ist es so, dass sie irgendwas in dir sehen, was sie selbst gerne hätten. Und sie können es nicht ertragen, dass du es offensichtlich hast, deshalb tun sie alles dafür, dir den Rest deines Lebens so gut es geht zu ruinieren. Ich nehme an, es fühlt sich für sie nach ausgleichender Gerechtigkeit an."

„Und was habe ich, was Rabinja gerne hätte?" Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Frau mich um irgendwas beneidet. Ja, Vel hat viel Geld. Aber Rabinjas Eltern offensichtlich auch.

„Das kann ich dir auch nicht sagen", sagt Emmy und fährt wieder fort, meine Kleider zu durchwühlen. „Ich kann dir nur sagen, dass es nicht aufhören wird, indem du nachgibst. Dann wird sie nur etwas Neues finden. Menschen wie ihr musst du die Stirn bieten, sonst wirst du niemals deine Ruhe haben. Schau mal, meinst du, das könnte mir passen?"

Sie hält mir ein grellgelbes Kleid vor die Nase, das etwas weiter geschnitten ist. Von der Größe her könnte es ihr tatsächlich passen, aber die Farbe beißt sich auf abscheuliche Weise mit dem leuchtenden Rot ihrer Haare und lässt ihr helles Gesicht fast kränklich bleich wirken.

„Ähm", sage ich und suche nach einer diplomatischen Antwort, doch sie hängt das Kleid bereits wieder auf den Haken.

„Zu grell, du hast recht."

Ich kann nicht aufhören, über ihre Worte nachzudenken. Rabinja die Stirn bieten. Ich habe keine Ahnung, wie ich das anstellen soll, in einer solchen Situation war ich noch nie. Und ich weiß nicht, ob ich der Typ für Kämpfe bin. Bisher war ich überzeugt davon, dass jeder Konflikt sich mit Kommunikation lösen lässt – und dass im Grunde seines Herzens ein jeder Mensch sich nach Harmonie sehnt. Das wird bei Rabinja nicht anders sein. Vielleicht sollte ich einfach mal das Gespräch mit ihr suchen.

What happened at Winterbourne AcademyWhere stories live. Discover now