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Wir betreten ein helles, ordentlich aufgeräumtes Büro. Aktenschränke säumen die Wände links und rechts, in einer Ecke stehen ein paar dunkelgraue Sessel um einen runden kleinen Tisch. Auch hier ist der Boden aus dunklem Parkett, in der Mitte liegt jedoch ein grauer Teppich und direkt darüber hängt ein kristallener Kronleuchter. Ein Schreibtisch steht am anderen Ende des Raumes vor mehreren der hohen schmalen Fenster, die den Blick auf den blühenden Park neben der Akademie freigeben – ein wunderschönes, irgendwie friedliches Bild. Da ich die letzten Stunden zuerst im Zug und dann auf den hektischen Straßen von Londaris verbracht habe, sauge ich die Natur förmlich in mich auf. Ich muss mich zwingen, den Blick abzuwenden und stattdessen Mr Winterbourne in die Augen zu sehen.

Wie Amelia trägt er das goldene Siegel der Sonnenmagier auf der Stirn und sein dunkles Haar ist bereits von feinen grauen Strähnen durchzogen. Leider muss ich feststellen, dass die Haarfarbe und das Siegel auch schon die einzigen Ähnlichkeiten zwischen den beiden sind. In Mr Winterbournes Gesicht fehlt jegliche Herzlichkeit und obwohl er lächelt, wirkt es nicht echt. Die Züge um seinen Mund zeugen von Unnachgiebigkeit und die Härte in seinen stahlgrauen Augen lässt mich schlucken.

Er erhebt sich von seinem Stuhl und ich sehe, dass er einen eleganten grauen Anzug trägt.

„Miss Saranja Crimson!", sagt er. Seine Stimme ist dunkel und ruhig, doch auch irgendwie kalt.

Er ist böse, flüstert etwas in meinem Kopf. Mein Herz schlägt schneller.

Mir wird klar, dass Mr Winterbourne mir auf unerklärliche Art Angst einjagt, was albern ist. Ja, er wird mein Dozent in diversen Fächern sein, aber ich hatte auch an meiner vorherigen Schule schon strenge Lehrer. Das gehört dazu und dann muss ich mich bei ihm eben doppelt anstrengen.

Endlich schaffe ich es, mich in Bewegung zu setzen und auf ihn zuzugehen. Zwischenzeitlich ist er um seinen Schreibtisch herumgekommen und als wir einander gegenüberstehen, muss ich feststellen, dass er riesig ist, bestimmt zwei Köpfe größer als ich, was mich noch mehr einschüchtert. Er reicht mir seine Hand; sie ist eiskalt.

„Ich freue mich, an Ihrer Akademie studieren zu dürfen", piepse ich aufgeregt.

„Die Freude ist ganz auf meiner Seite", sagt Mr Winterbourne. Er mustert mich eingehend, wobei sein stechender Blick länger als nötig auf dem sichelförmigen Siegel auf meiner Stirn verharrt. Der Drang, den Kopf abzuwenden, ist so groß, dass ich fast nicht widerstehen kann, doch ich halte seinem Blick tapfer stand. „Wir sind uns sicher, dass wir von Ihnen Großes zu erwarten haben. Kommen Sie, setzen wir uns doch." Endlich wendet er sich ab und ich stoße erleichtert den Atem aus. Er deutet auf die Sitzecke mit den Sesseln und dem runden Tisch und wie automatisch setze ich mich in Bewegung. Verstohlen werfe ich einen Blick zu Vel, die lächelt allerdings noch immer und scheint völlig entspannt zu sein.

Alles halb so wild. Ich weiß auch nicht, was mit mir los ist. Ich wusste, dass Mr Winterbourne kalt und streng ist, das ist weit über die Stadtgrenzen von Londaris bekannt und gilt als einer der Gründe dafür, dass die Akademie so großartige Absolventen hervorbringt. Mir war also klar, was mich erwarten würde, ich verstehe nicht, warum ich mir auf einmal solche Sorgen mache. Aber vielleicht ist das auch normal, der Umzug ist schließlich ein einschneidendes Erlebnis. Alles wird sich ändern.

„Amelia, bring uns einen Tee", fordert Mr Winterbourne in barschem Tonfall, als wir uns gesetzt haben.

„Selbstverständlich", entgegnet Amelia und huscht aus dem Zimmer.

„Miss Velaria, wie ist es Ihnen die letzten Jahre ergangen?", wendet sich der Institutsleiter indessen an Vel und erleichtert atme ich auf. Ich bin froh, dass seine Aufmerksamkeit jetzt nicht mehr mir gilt.

What happened at Winterbourne AcademyNơi câu chuyện tồn tại. Hãy khám phá bây giờ