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„Worauf freust du dich am meisten?", fragt Vel, als wir am Abend im Bett liegen. „In den nächsten drei Jahren, meine ich."

Unser Hotel liegt direkt am Fluss Themin und weil es in den vergangenen Tagen viel geregnet hat, dringt das laute Rauschen des Wassers zu uns ins Zimmer. Die nächtliche Luft ist bereits herbstlich kalt, riecht frisch und irgendwie erdig, als würde es noch immer regnen, dabei war es heute tagsüber so trocken und warm. Lange wird es sicher nicht mehr dauern, bis es abkühlt und der Sommer sich endgültig verabschiedet. Wir haben die Vorhänge aufgezogen und die Fenster weit geöffnet, damit unsere Herzen sich über Nacht mit Mondlicht füllen können.

„Auf alles." Ich seufze, lasse mich noch ein bisschen tiefer in die fluffigen Kissen sinken und ziehe mir die Daunendecke bis zum Kinn. Seit ich mich ins Bett gelegt habe, spüre ich erst, wie anstrengend dieser Tag war. Mein Körper fühlt sich an, als wäre er aus Blei. Am Morgen waren wir noch in Delerani, in unserem Haus am Meer, und haben auf der Terrasse gefrühstückt, mit einem wundervollen Blick auf den Sonnenaufgang. Danach ging es direkt in den Zug, wo wir mehrere Stunden waren, bis wir in Londaris angekommen sind. Von da an waren wir fast permanent auf den Beinen, erst die Formalitäten an der Akademie, dann Vels ausführliche Stadtrundführung. Nun weiß ich alles, was ich wissen muss. Ich kenne die besten Eisdielen, Restaurants und Kneipen, weiß, wo ich die besten Lebensmittel kaufen kann und wo es das urigste Buchgeschäft gibt, kenne die schönsten Plätze im Park und am Fluss und den besten Laden für mondmagische Artefakte – und außerdem noch ein paar spannende Nischengeschäfte, wie das mit den Spiegeln. Nun bin ich allerdings vollkommen erledigt und obwohl ich eigentlich noch nicht schlafen will, weil ich weiß, dass es der letzte Abend mit Vel ist und ich ihn eigentlich noch ein wenig länger genießen möchte, fallen mir immer wieder die Augen zu.

„Ich freue mich auf den Unterricht", murmle ich mit geschlossenen Augen. „Auf die Stunden in Wirtschaft, Geschichte und Politik und darauf, Neues zu lernen. Und ich freu mich auf den Sport an der Akademie und die internationalen Benimmkurse ... Oh, und auf die Sprachkurse! Ich habe gelesen, dass man die Wahl zwischen zehn verschiedenen Sprachen hat und vielleicht sogar mehrere belegen kann, wenn es die Zeit zulässt. Syldarin kann ich ja schon, ich möchte mich deswegen auf jeden Fall für Yvrisch eintragen. Und vielleicht auch für Valtari und Quenelar."

Mr Winterbournes Akademie ist die beste im ganzen Land, wenn man eine Karriere in der Politik anstrebt. Und wie Vel und bereits unsere Eltern, ist das auch mein Ziel. Indoria ist großartig, aber es gibt auch viele Probleme und Ungerechtigkeiten. Und dagegen möchte ich etwas tun, weil ich weiß, dass ich als Selenin die Macht habe, etwas zu bewirken. Es ist ungerecht, dass wir von Geburt an bevorzugt behandelt werden, aber mein Privileg gibt mir auch die Möglichkeit, die Welt zu einem besseren Ort zu machen, und die möchte ich nutzen. Egal, wie einschüchternd Mr Winterbourne heute war, ich freue mich auf die drei Jahre Studium, die vor mir liegen.

Vel lacht ein bisschen, dann geht es jedoch in ein Gähnen über, was ein wenig merkwürdig klingt.

„Drei Sprachen! Da hast du dir aber eine Menge vorgenommen. Zumal Yvrisch andere Schriftzeichen hat. Die meisten Studenten wären allein damit schon überfordert."

Ich zucke die Achseln unter der Decke, was sie natürlich nicht sehen kann.

„Ich lasse das einfach auf mich zukommen. Aber von den Fächern abgesehen, freue ich mich einfach auf die Zeit und auf die Leute, die ich neu kennenlernen werde. Darauf, immer von Freunden umgeben zu sein. Nicht allein zu sein. Das ist alles wahnsinnig aufregend. Kannst du dich noch an deinen ersten Tag erinnern?"

Doch Vel antwortet nicht mehr; sie ist eingeschlafen.

What happened at Winterbourne AcademyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt