Ungesunde Chaos-Kopf-Mischung - Kapitel 3.4

328 55 15
                                    

Ungesunde Chaos-Kopf-Mischung - 3.4


Ich komme nicht gegen den Schwall von Übelkeit an, der meinem Mageninhalt auf einmal befiehlt immer weiter emporzuklettern. Hinter meiner Stirn vermischt sich das Bild mit den Briefzeilen und pocht wie Hammerschläge. In der Verbindung mit diesem fremden und doch furchtbar vertrauten Mädchen ist mir das Ganze unheimlich. In mein Bewusstsein schleicht sich die Vermutung, dass irgendwas mit ihr nicht stimmt ...

Überhaupt, die ganze Situation ist gruselig. Wäre es sinnvoll meiner Mutter von diesem Umschlag zu erzählen? Sie muss ihn ja kennen - schließlich ist er an sie adressiert und lag in einem ihrer Bücher.

Mein Schädel brummt vor lauter Fragen und Stress. Eine ungesunde Mischung. Das reinste Chaos herrscht in meinem Kopf. Ich habe gerade null Durchblick!

Was gäbe ich jetzt darum Lila hier zu haben. Obwohl sie manchmal definitiv zu viel redet und ihre Vorliebe für die griechische Mythologie schon fast krankhafte Züge annimmt, so besitzt sie dennoch die Gabe, alles mit ihrem schlauen Köpfchen bis ins kleinste Detail analysieren zu können. Und genau das brauche ich jetzt - ihren messerscharfen Verstand!

Eins ist somit klar: Der Umschlag muss mit in die Schule! Meine Freunde wissen bestimmt, was zu tun ist. Ich habe zwar nicht allzu viele Freunde, dafür ergeben sie eine verdammt bunte Mischung. Bei dem Gedanken muss ich lächeln. Aber mein Mund erstarrt augenblicklich.

Ich höre, wie ein Türgriff runtergedrückt wird.

»Zara?«, ruft meine Mutter in derselben Sekunde. Zum Glück ist sie in den ersten Minuten ihrer Aufwachphase nicht wirklich das, was man unter brauchbar versteht.

Mein Blick fällt auf die Uhr.

Mist! Mist! Mist! Was trödle ich hier eigentlich noch rum?!

Schlurfende Schritte. Sie werden lauter.

»Bist du etwa immer noch da?«

»Nein, Mama, das bin nicht ich, das ist nur eine Astralprojektion.«

»Hm ... das ist gut ...«

Was habe ich gesagt – nicht wirklich brauchbar.

»Ist heute keine Schule?«, fragt sie und kommt schlurfend näher.

Es ist keine logische, keine durchdachte, sondern eine völlig irrationale Entscheidung: Rasch verstecke ich den Umschlag in meiner Schultasche.

»Doch, aber ich hab verschlafen«, stöhne ich und betrachte Mamas Sturmfrisur von hinten, weil sie bereits auf dem Weg in die Küche ist. Ihre blonden Haarsträhnen haben den leichten Anschein eines Vogelnestes.

»Soll ich dir noch einen Kaffee kochen?«, fragt sie murmelnd, aber gerade so laut, dass ich sie verstehen kann, und betätigt den Knopf der Kaffeemaschine.

Ich schüttle den Kopf. »Keine Zeit, ich sollte längst dort sein.«

Argh! Ich. Muss. Echt. Loooos!

Hektik. Mein Hirn funktioniert einfach nicht unter Stress, da stellt es instinktiv auf Durchzug.

Mama murmelt noch irgendwas Unverständliches, aber ich schaue sie nicht an, während ich mir hastig die Jacke überziehe und die Umhängetasche schultere. Die Gefahr, dass ich mich wegen des Briefes verplappere, ist zu groß.

»Ich geh jetzt«, rufe ich und spurte los. »Tschüssi!«

»Mach's gut, Hasi«, höre ich noch mit einem Ohr, schon fällt die Tür hinter mir krachend ins Schloss und ich stöhne laut auf.

Wo war ich stehengeblieben?

Mann, Zara, konzentrier dich, wenigstens für zwei Sekunden!

Ach ja, bei Hirn und Durchzug.

Also gut, Schultasche: Check.

Emma: Check.

Handy: Check. (OMG, zehn Nachrichten von Isa, je drei von Chris und Lila!!! Und eine, bei der sich mein Herz kurz zusammenzieht: Nils!)

Dubioser Umschlag: Check.


———————————————


Auf dem Bild seht ihr Anna - Zaras Mutter.

Die Zeichnung ist schon vier oder fünf Jahre alt und der Scan leider nicht allzu gut geworden, aber ich hoffe, ihr könnt dennoch ungefähr erahnen, wie ich sie mir vorstelle ❤️


Stadt der Verborgenen (Die Phoenicrus-Trilogie 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt