Mathematische Weisheiten und Briefzeilen von M.V. - Kapitel 3.3

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Mathematische Weisheiten und Briefzeilen von M.V. - 3.3           



Liebe Anna, lieber Zenno,

 

Sämtliche Spuren sind verwischt.

Versunken in der Welt des Vergessens.

Des Weiteren habe ich dafür gesorgt, dass mich keiner hat kommen sehen, und dass keiner uns sehen wird, wenn wir abreisen.

Ich habe mein Versprechen gehalten: Ihr Name existiert nicht mehr. Weder hier noch bei den Ämtern.

Sobald wir in Sicherheit sind, werdet auch Ihr vergessen, genau wie Euer Kind. Ich weiß, es ist ein unsagbar schwerer Schritt, doch ich garantiere Euch, es ist der einzig richtige.

Wie abgemacht seid Ihr verpflichtet, diese Zeilen nach Erhalt zu verbrennen.

 

Denkt dran – es dient Eurer eigenen Sicherheit.

Ich wünsche Euch nur das Beste.

In tiefer Verbundenheit,

M. V.



Für einen Wimpernschlag vergesse ich die Zeit und dass ich eigentlich schon mit halbem Fuß in der ersten Stunde sitzen und mich von Herrn Böckles mathematischen Weisheiten berieseln lassen sollte. Opas Worte hallen in meinem Kopf nach, vermischen sich mit den Briefzeilen von M. V.

Vergessen. Verschwunden. Geholt. In Sicherheit.

Mein Atem beschleunigt sich schlagartig. Ich spüre die Bewegung meines Kopfes, obwohl ich gar nicht den Kopf schütteln will, aber ich kann es nicht abschalten. Was soll das bedeuten? Ich verstehe nichts. Liegt hier wirklich ein leises Geheimnis in meinen Händen? Noch ist es weniger als eine Ahnung, weniger als eine vage Vermutung und dennoch ist es spürbar. Auf einmal ist da ein kaum hörbares Wispern tief in mir drin, dass ich hier etwas Wichtiges entdeckt habe. Etwas, das ich niemals hätte finden dürfen. Ich kann nicht erklären, weshalb ich mir da so sicher bin, aber ich weiß es. Ich weiß es ganz einfach.

Ein erregtes Kribbeln nimmt Besitz von mir. Ich liebe Geheimnisse – je verworrener, desto besser.

Wer ist dieser M. V.? Und was ist an diesem Brief so gefährlich? Offenbar so gefährlich, dass meine Eltern ihn nach Erhalt verbrennen sollten? Wieso taten sie es nicht? Eine andere Frage beschäftigt mich noch viel mehr: Wessen Name existiert nicht mehr? Arbeitet dieser M. V. vielleicht für's Zeugenschutzprogramm?! Hey, vielleicht heiße ich gar nicht Zara, sondern Astrid oder Eva. Ich lächle, während mein Blick abermals über die Zeilen huscht. Einerseits neugierig, aber zu einem nicht zu verachtenden Teil verwirrt.

Es ist sinnlos. Ich finde keine Antwort.

Einen Moment lang betrachte ich das Papier näher. Es liegt schwer in der Hand, schwerer als übliches Briefpapier. Zudem fühlt es sich rau an und bei genauerer Betrachtung ist eine leichte Struktur darin zu erkennen. Ich schnuppere an dem Blatt. Jetzt bin ich echt überrascht. Es riecht nach Öl. »Merkwürdig«, murmle ich bereits das zweite Mal innerhalb weniger Minuten, als mein Blick unverhofft an etwas Rechteckigem haften bleibt, das noch immer im Umschlag steckt.

Vorsichtig ziehe ich es heraus und erstarre. Es ist ein abgewetztes Foto von zwei Mädchen. Ich strecke meine Finger aus und berühre das Bild, gleichzeitig läuft mir ein Schauer über den Rücken, denn eines der beiden Mädchen bin ich. Als meine Hand über das Gesicht des fremden Mädchens streift, bemerke ich, wie sehr meine Finger zittern.

Was hat das zu bedeuten?

Okay, okay, es ist ja nicht so, dass ich mich noch nie auf einem Bild betrachtet habe, aber das hier ist etwas anderes. Wer ist dieses Mädchen? Sie sieht aus wie eine kindliche Ausführung meiner Oma. Rotblondes Haar, feine Gesichtszüge und eine milchige Haut.

Ich verstehe das nicht ...


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Heute stelle ich euch gleich drei Teile online (*winke* an Em_the_Angle), weil ich die nächsten Tage im Abgabeterminstress von PHOENICRUS 3 sein werde.

Ich wünsche euch also viel Spass an den 3 Teilen und freue mich riesig über all eure Votes & Feedback! Danke ❤️❤️❤️


Stadt der Verborgenen (Die Phoenicrus-Trilogie 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt