Bonuskapitel 23

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Aayanas Sicht


Seitdem ich mit Vincent zusammen war gab es eigentlich keinen Tag, an dem ich nicht schon mit dieser Lebensfreude am morgen aufwachte und nicht anders konnte als zu lächeln. 

Doch die Betonung liegt dabei auf eigentlich, denn einen Tag im Jahr gab es sehr wohl, von dem ich wusste, dass er mir mein Lächeln rauben würde. 

Und genau dieser Tag war jetzt gekommen. 

Der Todestag meines Vaters. 

Der erste Todestag meines Vaters. 

Vor genau 365 Tagen war er einfach verschwunden und hatte mich alleine in dieser Hölle von Leben zurück gelassen. 

Vor genau 365 Tagen gestand ich mir das erste Mal ein, wie alleine ich eigentlich wirklich war und es eigentlich nichts mehr gab was mich auf dieser Welt hielt. 

Meine Mutter hatte schon vor Jahren aufgehört eine Mutter zu sein, meine Cousine hatte spätestens mit ihrem ersten Modelauftrag aufgehört eine Cousine zu sein und beide wurden sie zu meinem schlimmsten Albtraum, der mich mit 14 tatsächlich soweit gebracht hatten dem alles ein Ende zu setzen. 

Zwischen dem Hass meiner Mutter und den Demütigungen meiner Cousine gab es genau diesen einen Menschen, der mir das Gefühl gab, dass doch noch nicht alles verloren war, doch spätestens mit seinem letzten Atemzug verschwand auch dieses Gefühl. 

Noch heute fragte ich mich manchmal, was genau mich damals davon abgehalten hatte meinem Vater nicht auf der Stelle zu folgen. 

Ob es seine letzten Worte waren, dass es irgendjemand da draußen gab, der auf mich wartete oder ob es einfach die Angst war ihn mit meinem Schritt zu enttäuschen. 

Ich hatte schließlich heute noch sein Stottern im Kopf als ich ihn angerufen hatte und ihm berichtet hatte, das ich im Krankenhaus lag. 

Ich hatte schließlich heute noch seinen Gesichtsausdruck vor Augen nachdem er das Krankenhauszimmer betreten hatte und der Arzt ihm erklärte was passiert war. Und ich hatte vor allem seine tränenden Augen im Kopf als er meinen verletzten Unterarm in die Hand nahm und die genähten Wunden betrachtete. 

Auch, wenn ich damals in einem kompletten Tief steckte und nicht das Gefühl hatte es würde je besser wären, hatte ich mir insgeheim geschworen meinen Vater nie wieder so zu enttäuschen wie an diesem Tag. 

Mir reichten schon die enttäuschten Blicke meiner Mutter, ich wollte nicht auch noch den letzten Menschen, der mich liebte, vergraulen. 

Und so hielt ich damals durch und konnte darüber heute nicht glücklicher sein, denn lernte ich schließlich durch ein kommendes Schulprojekt nicht nur den Jungen kennen, der mich all meine Dämonen vergessen ließ, sondern auch seine unglaubliche Familie, die in diesem Jahr zu meiner eigenen wurde. 

Und auch, wenn ich nicht glücklicher sein konnte, raubte mir dieser Tag heute einfach all meine Freude. 

So wachte ich mitten in der Nacht nach einem Traum von ihm schon mit Tränen in den Augen auf und flüchtete aus dem Zimmer von Vincent. 

So fand ich mich wenige Minuten später mit einer Decke auf der Hollywoodschaukel im Garten wieder und starrte mit zittriger Unterlippe in den Himmel während ich an den Tag vor einem Jahr zurück dachte. 

Niemals hätte ich gedacht, dass mein erster Sieg gegen ihn auch mein letzter sein würde. Niemals hätte ich gedacht, dass er mich so früh verlassen würde. 

Ich wusste zwar wie ernst es um sein Herz stand und die Ärzte nichts mehr tun konnten, doch hatte ich trotz allem so sehr gehofft, dass man ihm noch mehr Lebenszeit schenken würde. 

Bonuskapitel-BuchWhere stories live. Discover now