Sapphire Lies

By silentPear

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"Mit dir an meiner Seite, spüre ich das Leben, dass wir hätten haben können." Ich schaute in seine vor Schme... More

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By silentPear

Elaria

1 Jahr zuvor

Er hieß Chris. 

Er hatte sich zu Beginn gesträubt mir seinen Namen zu verraten, aber als ich drohte die Toilettenkabine zu verlassen, wenn er mir nicht verriet wie er hieße, gab er grummelig seinen Namen preis. Es stellte sich heraus, dass er ebenfalls an meiner Universität studierte und daher würde er von nun an, mein Kontaktmann zu den Erinyen sein. Wenn ich das wollte. Die Wahrheit war, dass ich es selbst nicht wusste. „Habt ihr denn Beweise?", hatte ich durch die dünne Wand hindurch gefragt. „Irgendetwas, damit ich sicher sein kann, dass deine Behauptungen stimmen? Ich kann schließlich nicht alles, was ich als alltäglich angesehen habe, von jetzt auf gleich zum Teufel schicken." Es stimmte, ich hegte ein gewisses Misstrauen gegen Zyon aufgrund dieser einen E-Mail. Aber es war eben nur eine Nachricht, andere Informationen hatte ich nicht finden können. Aber diese wenigen Textzeilen reichten aus, dass ich nicht einfach aus der Kabine rannte und das kleine Buch verbrannte. „Natürlich habe ich die. Jede Menge sogar. Ich kann sie dir aber nicht hier zeigen." Ich richtete mich auf und drückte meine Hände flach an die Wand, so als ob ich sie diesem jungen Mann, auf der anderen Seite, bittend auf die Schultern legen würde. „Aber du wirst sie mir zeigen, nicht wahr?" Ich hörte wie er seine Tür entriegelte und ich riss mich zusammen es ihm nicht gleich zu tun. „Das werde ich. Hör zu, du kommst morgen acht Uhr ins Plaza. Sag deinen Eltern einfach, dass du ein Date hast oder etwas ähnliches. Behalte den Armreif, aber mach ihn nicht noch einmal ran, bis ich es dir sage." Bevor ich antworten konnte, fiel die Tür ins Schloss und er war weg. Schwungvoll öffnete ich meine Kabinentür, und  fand mich einem leeren Raum gegenüber. Ich weiß ja noch nicht mal wie er aussieht, schoss es mir als einziges durch den Kopf als ich mich zu meinem nächsten Seminar aufmachte. Als wäre sein Aussehen meine einzige Sorge. Ich war gerade dabei mit einer Untergrundorganisation gemeinsame Sache zu machen.

***

Ich hatte meinen Eltern tatsächlich erzählt, dass ich auf ein Date gehen würde. Meine Mutter war ganz aus dem Häuschen und half mir ein passendes Outfit auszusuchen. Mein Vater allerdings schien sich mehr für den familiären Hintergrund meiner Verabredung zu interessieren, als für alles andere. „Kommt er denn aus gutem Hause?"

„Was machen seine Eltern beruflich?"

Auf seine Fragen antwortete ich ausweichend und zog mir hier und da etwas aus der Nase. Schließlich wusste ich rein gar nicht über Chris. Als meine Mutter mein finales Outfit mit einem Kopfnicken absegnete, pochte mir mein Herz bis zum Hals. Für meine Eltern war meine Aufregung auf das scheinbare Date zurückzuführen, doch Grund für meinen hohe Herzschlag war die Ungewissheit. Was würde mich erwarten und vor allem: was würde ich heute Abend herausfinden? In einem unbeobachteten Moment ließ ich den silbernen Armreif in meine kleine schwarze Tasche gleiten und betrachtete mich ein letztes Mal im Spiegel. Ich trug ein dunkelgrünes, schlichtes Kleid mit Glockenärmeln. Meine Beine steckten in dünnen schwarzen Strumpfhosen, durch welche man meine Haut hindurchschimmern sah. Schwarze Stiefeletten rundeten mein Outfit ab. Meine Haare trug ich zu einem hohen Pferdeschwanz gebunden und in meinen Ohren steckten schlichte silberne Stecker. Ich schüttelte den Kopf über mich selbst. Ich tat ja schon fast so, als ob ich wirklich eine Verabredung hätte.

Ich durfte das Auto meines Vaters nehmen, was mir sehr recht kam, denn durch das herbstliche Wetter zu laufen wäre alles andere als gemütlich. Das Plaza war ein Restaurant in der Nähe des Campus und war ein beliebter Treffpunkt unter uns Studenten. Das edle Ambiente spiegelte sich allerdings in den Preisen wieder, aber aufs Geld musste in dieser Gegend niemand achten.

Ich parkte das Auto nahe dem Eingang, und blickte in Richtung der Stufen, die in das Restaurant hineinführten. Ein junger Mann stand auf ihnen, das rötliche Haar trug er kurz und ein knielanger schwarzer Mantel umhüllte seine Figur. Ich erschrak, als ich bemerkte, dass er in meine Richtung starrte und da wurde mir bewusst, dass dies Chris sein musste. Etwas unsicher stieg ich aus dem Wagen und lief in seine Richtung. Ich hatte einen unkonventionellen Mann erwartet, dem man seine rebellische Ader ansah, doch das Gegenteil war der Fall. Mit neutraler Mine blickte er mir entgegen, als ich bei ihm angelangt war. „Du bist drei Minuten zu spät." Er ist wohl Einer der ganz peniblen Sorte. Er drehte sich um und bedeutete mir ihm zu folgen. 

Kronleuchter zierten die hohen Decken und meine Absätze sanken leicht in den grauen Teppichboden, als wir von einem Kellner an unseren Tisch geleitet wurden. Unser Platz lag genau neben einem bodentiefen Fenster, welches den Blick auf eine Terrasse bot, auf der bei schönerem Wetter ebenfalls Tische und Stühle standen.

Als wir Platz genommen hatten, blickte ich Chris neugierig an. „Wirst du mir jetzt mehr erzählen? Soll ich das Armband schon –„ Er brachte mich mit einer Handbewegung zum Verstummen. „Kein Wort darüber. Zumindest noch nicht. Wir werden jetzt etwas bestellen und ein ganz normales Abendessen miteinander verbringen." Verwirrt und enttäuscht lies ich mich in meinen Stuhl sinken. Was sollte das? Ich dachte wir trafen uns, damit er mir mehr über Zyon und die Erinyen erzählte. Und er wollte die Zeit, die uns blieb mit einem gewöhnlichen Dinner verbringen? Denn diese ganze Sache hier war alles andere als gewöhnlich. Wütend schob ich meinen Stuhl zurück. „Das ist doch lächerlich. Ich bin nicht hier, um mit dir einen netten Abend zu verbringen." Ich machte Anstalten auszustehen und zu gehen, aber Chris legte mir eine Hand auf den Arm. „Wenn du jetzt gehst, wars das. Ich werde nicht wieder auf dich zu kommen. Entweder Essen wir gemeinsam Etwas oder ..." Seine braunen Augen brannten sich in meine als er seinen Satz unbeendet in der Luft hängen lies. Als er sicher war, dass ich sitzen blieb und nicht die Flucht ergreifen würde, nahm er sich eine Serviette und zog einen Stift aus seiner Anzugstasche. Als ich sah was er geschrieben hatte, schob ich meinen Stuhl wieder näher an den Tisch.

Es wäre besser, das Eye hört was es hören soll.

Auch wenn meine Neugierde kaum mehr zu ertragen war, gab ich mich geschlagen und machte gute Mine zum bösen Spiel. Chris hatte mir mit dieser kleinen Botschaft schon einen Vorgeschmack gegeben und nun wollte ich mehr – ich wollte den Hauptgang.

Als der Kellner wieder an unseren Tisch kam, bestellte ich Pasta in  Safran Lachssoße und Chris entschied sich für ein Steak. Irgendwie war mir unbehaglich zu Mute, denn ohne den offensichtlichen Grund unseres Treffens ansprechen zu dürfen, fehlte mir der Gesprächsstoff. Als ich zum wiederholten Male missmutig aus dem Fenster sah, räusperte Chris sich. „Meine Schwester Tabea hat als Kind auch immer so geschaut, wenn ihr etwas nicht gepasst hat. Ein bisschen erinnerst du mich an sie." Etwas überrumpelt von diesem plötzlichen Themeneinstieg blinzelte ich ihn an. „Achja? Dann muss sie bestimmt ein bezauberndes kleines Mädchen gewesen sein." Er schnaubte. „Eher ein kleiner Giftzwerg. Wobei sie das Gleiche sicherlich auch von mir behaupten würde, wenn du sie fragen würdest." In Chris Augen lag nicht länger dieser distanzierte Blick, sondern ein schalkhaftes Funkeln. Er war also nicht immer der unnahbare Mann, der mir bis eben gegenübergesessen hatte. „Ich habe leider keine Geschwister, deswegen muss ich immer herhalten, wenn meine Eltern vor irgendwelchen Geschäftskunden mit meinen akademischen Leistungen angeben wollen." Unser Essen wurde gebracht und ich stocherte etwas desinteressiert in meinen Nudeln herum. „Ich meine, eigentlich bin ich schon froh, dass meine Eltern stolz auf mich sind und mich in meinem Studium bestärken. Aber ..." Ich seufzte. „Irgendwie bin ich nicht mit Feuer bei der Sache. Verstehst du das?" Chris nickte und sah mich wissend an. Seine Stimme klang sanft als er mir antwortete. „Ob ich dich verstehe? Das was du gerade fühlst, habe ich vor einiger Zeit auch gespürt. In der Uni hörte ich nur noch mit einem Ohr zu und trottete unglücklich durchs Leben. Es ergab nichts mehr wirklich Sinn. Irgendwann habe ich erkannt, dass ich etwas ändern muss. Ich habe damals mit Kampfsport angefangen, und je mehr ich trainierte desto besser wurde ich. Es war eine super Sache sich abzureagieren und seinen Körper kennenzulernen. Tja und so bin hier gelandet." Chris sah mir vielsagend in die Augen und ich verstand, dass er die Erinyen meinte. Er musste als über den Kampfsport zu ihnen gefunden haben. Wie genau, kann ich nur erahnen, denn nachzufragen würde gegen die Regeln verstoßen die Chris am Anfang des Dinners festgelegt hatte. Ich beschloss, dass ich ihn zu einem späteren Zeitpunkt nach der ganzen Geschichte fragen würde. „Es ist schön, nicht die einzige zu sein der es so geht." Er legte mir seine Hand auf meine und unterbrach mich dabei, Nudeln auf meine Gabel zu wickeln. „Glaub mir, du bist nicht allein." Es war als würde ein ganzes Bienenvolk in meinem Buch bei seinen Worten zum Leben erwachen. Ich bin nicht allein. Eine Last fiel von mir ab, denn zum ersten Mal hatte ich das Gefühl etwas gegen mein vorgeplantes und antriebsloses Leben zu tun. Ich liebte meine Eltern und ich konnte mich glücklich schätzen in solch günstigen Umständen aufgewachsen zu sein. Doch immer mehr kam in mir der Gedanke zum Vorschein, dass ich nicht glücklich war.

***

Dunkelheit. Egal in welche Richtung ich meinen Kopf drehte, ich konnte die Hand vor Augen nicht sehen. Doch ich hatte keine Angst, in mir drin herrschte eine seltsame Ruhe und ich wusste mir würde nichts geschehen. Ich kannte Chris nicht sehr lang, und man sollte meinen ich müsste es mit einer ausgefeilten Panikattacke zu tun bekommen, in Anbetracht meiner momentanen Situation. Ich saß in Chris Wagen und meine Augen wurden von einer schwarzen Augenbinde daran gehindert den Fahrtweg verfolgen zu können. Nur gelegentliches Ruckeln, wenn wir über eine Bodenwelle fuhren, verriet mir, dass wir uns nicht auf den penibel geteerten Straßen von Emerald oder Sapphire befanden. Da die Fahrt allerdings auch nicht zu unkomfortabel war, konnten es auch nicht die Randbezirke sein. Wir befanden uns also entweder in Ruby oder Opal.

„Wir sind gleich da." Chris Stimme durchschnitt die Stille, die seit unserem Aufbruch, aus dem Plaza, herrschte. Ich schob meine Hände unter meine Oberschenkel, um nicht nervös an meinen Nagelhäuten herumzuknaubeln. Dabei spürte ich das harte Metall des Armreifes, den ich nun wieder trug, durch meine Strumpfhose hindurch.

Ein Ruck ging durch den Wagen, und das Motorengeräusch verstummte. Wir sind da! Ich hörte wie Chris ausstieg und um den Wagen herumkam. Er öffnete meine Tür und half mir auszusteigen. Noch immer sah ich die Hand vor Augen nicht. Eine Hand auf meiner Schulter, navigierte er mich. Als der Klang unserer Schritte halliger wurde, war ich mir sicher, dass wir uns in einem Gebäude befanden mussten.

Eine Weile irrten wir durch die Gegend, hin und wieder wurde eine Tür geöffnet, oder Chris half mir einen Absatz hinauf. Es kam mir vor, als liefen wir durch ein Labyrinth, welches kein Ende nahm. Chris beugte sich herab und sprach dicht an meinem Ohr. „Keine Sorge, ich lotse dich absichtlich umständlich durch die Gegend. Damit du im Fall der Fälle nicht weißt wie du zum Ausgang kommst." Sein Atmen kitzelte meine Haut und meine Nackenhaare stellten sich auf. Im Fall der Fälle... Bevor ich weiter über die Bedeutung des Satzes nachdenken konnte, blieb mein Begleiter stehen und umfasste den Knoten, der die Augenbinde an meinem Hinterkopf zusammenhielt.

„Bereit?"

Ich nickte. „Bereit." 






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