„Das muss nichts Gutes heißen.", erwiderte ich. Immer wenn ich in Verlegenheit geriet, baute ich mir eine Mauer aus Pessimismus auf. Ich machte jedes Kompliment kaputt.
„Also inwiefern meinst du das?"
„Ich meine, dass du einfach anders bist... interessant. Du hast Cody abgewiesen, du riskierst, egal was passiert ne dicke Lippe und du lässt dich nicht so leicht beeindrucken.", listete er auf und für einen Moment fehlten mir die Worte.
„Aber wie lange bin ich interessant? Wahrscheinlich bis du hinter meine harte Schale gekommen bist, richtig? Das ist doch typisch für euch Jungs. Hauptsache die Herausforderung ist gemeistert und gevögelt." Genervt rollte ich mit den Augen.
„Wer sagt, dass ich dich vögeln will?", bemerkte er spitz und musterte meine sich verändernden Gesichtszüge.
Warum auch immer, das hatte gesessen.
„Gut.", log ich ihn und mich selbst an. „Aber nochmal zurück zu der Sache mit dem Ketchup. Wer isst lieber Ketchup als Mayonnaise?"
„Ich. Warum sollte ich mir dieses fettige Zeug reinhauen?", fragte er zurück.
„Warum solltest du dir süße Tomatensoße reinhauen?", feuerte ich dagegen. War das die Frage gegen Frage Runde oder was?
Er beugte sich vor. „Warum weiß statt rot?"
„Warum nicht beides?" Kaylen war gut, mir gingen langsam die Einfälle aus.
„Wer mischt süß und fettig?" Jetzt lehnte er sich wieder ungläubig in seinen couchähnlichen Sitz zurück.
„Wer bestellt Ketchup?"
„Die Frage hatten wir schon!", protestierte er und damit hatte ich gewonnen. Es gab mir einen kleinen Triumph, weshalb auch immer mir ein Machtspielchen einen Kick verpasste.
In dem Moment kam die Kellnerin mit unserem Essen. Meines bretterte sie mir vor den Latz und seines servierte sie mit größter Hingabe. Oder meine Fantasie spielte mal wieder verrückt.
Ich nahm den Burger eilig in beide Hände und und biss genüsslich hinein. „Wow.", bemerkte ich mit vollem Mund.
„Mona!" Kaylen sah mich entsetzt an. „Das hier ist ein eher edles Restaurant, hier ist man, egal was, mit Messer und Gabel und nicht wie ein Trampel.", flüsterte er geschockt und schnitt mit dem Messer ein Stück seines Burgers ab.
Mit geschocktem Blick - und vollem Mund - ließ ich den Burger auf den Teller plumpsen. Hastig wischte ich mir den Mund mit einer Serviette ab.
Kaylen stach mit der Gabel in das Stück und schob es sich etwas übertrieben anmutig in den Mund. Er kaute wie ein Pferd mit Manieren und als er Vorzüglich piepste, warf ich ihm einen wütenden Blick zu.
„Ha ha, sehr lustig.", sagte ich ohne jede Spur von Vergnügen.
Mein Gegenüber brach in schallendes Gelächter aus, während er versuchte zu kauen.
„Du... du hättest dein Gesicht..." vor lauter Lachen konnte er den Satz nicht mal beenden. Aber dafür hörte ich ihn lachen. Ein schönes Lachen. Tief und ehrlich.
„Ich kann einfach nicht fassen, dass du mir das abgekauft hast." Er legte sein Besteck beiseite und nahm seinen Burger genau wie ich nun in die Hand.
„Das war nicht nett."
„Aber lustig.", erwiderte er und grinste immer noch, als dachte er gerade an den Moment zurück.
„Du hast echt geglaubt, dass ich so ein Spießer bin?", wollte er gespielt entsetzt wissen und legte sich die Hand dramatisch auf die Brust.
Wütend verengte ich die Augen zu Schlitzen und aß meine Süßkartoffelpommes.
Mit einer blitzschnellen Handbewegung griff Kaylen nach einer.
„Hey!", zischte ich. „Finger weg von meinem Essen."
Obwohl ich versuchte seine Hand zu erwischen, schlug ich ins Leere.
„Ich möchte" Er tunkte die Pommes in Ketchup. „Dass du das jetzt probierst."
Mit zwei Fingern hielt er mir mein Essen entgegen.
„Igitt, du hast meine leckere Süßkartoffelpommes ruiniert mit deinem süßen Tomatenmark.", jammerte ich angeekelt. Seine Hand streckte mir jedoch immer noch die Pommes entgegen.
„Süß passt zu süß und nicht zu fettig.", erwiderte er schnell und musterte mich jetzt prüfend mit seinen hellgrünen Augen.
„Hä?", entfuhr es mir nur, worauf er schmunzelte.
„Na los!" Er schwang die Pommes zwischen seinen Finger. „Meine Hand schläft bald ein."
Misstrauisch lehnte ich den Kopf vor und er schob mir das, was er Essen nannte in den Mund.
Zuerst war es komisch. Seid ich denken konnte, nahm ich bei McDonalds immer Mayonnaise, aber leider musste ich zugeben, dass Süßkartoffelpommes und Ketchup gut zusammenpasste.
„Pff, das ist schrecklich.", prustete ich, während ich eine weitere Pommes in den Ketchup tunkte und mir grinsend in den Mund schob.
Daraufhin grinste er genauso breit und machte sich weiter an seinem Burger zu schaffen.
„Jetzt du!", forderte ich. „Probier den Mix."
„Von mir aus, aber nur weil du dich geschlagen geben hast.", meinte er und verdrehte zum Spaß die Augen. Dann kostete er. Gespannt musterte ich seine Züge, bis er das Gesicht verzog.
„Das ist furchtbar."
„Ich weiß.", gab ich zu und lachte lauthals. Es hätte mich nicht gewundert, wenn uns jeder angestarrt hätte.
„Aber du sollst auch leiden. Rache ist schließlich süß."
„Genau wie Ketchup.", fügte er grinsend hinzu.
„Du und dein blöder Ketchup.", warf ich verständnislos ein.
„Ketchup ist nicht blöd.", verteidigte er seine Leibspeise und sah mich beleidigt an.
„Doch."
„Nein!" Auf einmal landete eine Pommes in meinem Gesicht und fiel mir auf den Schoß.
„Damit verleihst du deiner lächerlichen Behauptung auch keine Glaubwürdigkeit.", entgegnete ich und warf ebenfalls eine Pommes nach ihm. Aber ich nahm seine, denn meine Süßkartoffelpommes waren dafür viel zu wertvoll.
„Hör damit auf!", ermahnte er mich, schmiss aber im nächsten Moment wieder etwas nach mir.
„Hör du doch auf." Böse grinsend warf auch ich ihm etwas entgegen.
„Du willst doch nicht, dass es eskaliert oder?", forderte er mich heraus und beugte sich vor.
„Sei dir da nicht so sicher.", konterte ich gelassen und warf ihm nochmal eine Pommes entgegen. Diesmal auf die Nase, wo nun Mayonnaise klebte.
Damit hatte ich den Krieg wohl begonnen, aber bevor er mir sein Bier über den Kopf schütten oder ich ihm meinen Burger ins Gesicht klatschen konnte, kam die Brünette an unseren Tisch.
Mit genervtem Blick ratterte sie herunter: „Das Essen gehört in den Mund, nicht ins Gesicht."
„Der Mund gehört doch zum Gesicht oder?", entgegnete Kaylen provokant und lehnte sich ganz langsam zurück.
Die Kellnerin öffnete den Mund, als wollte sie etwas sagen, aber ich kam ihr zuvor.
„Keine Sorge Gartenstock, wir benehmen uns ab jetzt zivilisiert."
Sie musterte mich, als wollte sie mir ins Gesicht schlagen, während ich nur gemächlich zurück grinste.
Als sie endlich wieder verschwand, schaute mich Kaylen kichernd an. „Gartenstock?"
„Hast du dir ihre Haltung schonmal genauer angeschaut? Sie ist genauso steif wie ein Gartenstock!", erklärte ich lächelnd, weil ich mir ein Schmunzeln einfach nicht verkneifen konnte. "Ein ziemlich spießiger Gartenstock."
Kaylen lachte, bevor er weiter aß, noch genüsslich über meinen Witz.
Nachdem er die Rechnung netterweise bezahlt hatte, machte ich mich nochmal kurz ins Badezimmer auf. Mehr um mich frisch zu machen, als auf Toilette zu gehen.
Im Spiegel wischte ich mir die dunklen Mascararänder unter den Augen weg, sprühte Deo und Mundspray - wofür verschwieg ich mir selbst - und machte meine Haare zurecht.
„Es wird echt langsam Zeit zurückzufahren. Ich glaube, die Schule geht bald weiter. Gott sei Dank ist es die letzte Woche vor den Ferien.", sagte Kaylen, als ich wieder an den Tisch kam und stand auf.
Gemeinsam verließen wir das Restaurant und liefen über den Gehweg in Richtung seines Motorrads.
„Oh stimmt, die Rückfahrt... ich dachte schon die Kellnerin wäre das schlimmste heute gewesen.", warf ich ein, um meine Nervosität zu verbergen.
Darüber grinste Kaylen erneut.
„Ach komm schon. Woher stammt denn diese Motorradphobie?", wollte er wissen, als wir stehen blieben.
„Weiß nicht, vielleicht ist mir das einfach zu risikoreich, zu unkontrollierbar. Ich behalte gern die Kontrolle über mein Tun und alles andere... naja.", erklärte ich etwas schief grinsend.
„Man kann nicht über alles Kontrolle haben. Das bedeutet, dass du dich also immer unwohl fühlen musst oder? Ich meine, du kontrollierst Menschen und ihr Handeln nicht oder das Wetter..."
„Dir gehen aber schnell die Beispiele aus.", bemerkte ich grinsend. „Keine Ahnung. Vielleicht liegt es daran, dass die Schwester meines Vaters und seine Mutter bei einem Unfall mit einem Motorrad gestorben sind."
„Oh, das tut mit leid.", sagte er und wirkte auf einmal ziemlich verlegen, denn er kratzte sich am Hals.
„Schon gut. Ich weiß nicht viel über meine Großmutter. Oder über meine Tante, nur dass ich nach ihr benannt wurde und ihr anscheinend wirklich extrem ähnlich sehe.", erklärte ich. Trotzdem hatte ich einen Stein auf dem Herzen, wenn ich davon sprach.
Mein Vater lächelte mich manchmal nur an und streichelte mir über die Wange. Dann sagte er immer, es wäre für ihn, als würde er seine Schwester aufwachsen sehen und, dass er dankbar dafür war.
Für ihn war das Ganze am schlimmsten. Meine Mutter hatte ihn immer unterstützt, jedoch gab es nunmal Dinge, die selbst unsere Liebsten nicht besser machen konnten.
„Ist das etwa Olive, die so zu uns rüber starrt?", fragte ich, als mir ihre rotbraune Mähne im Augenwinkel auffiel.
„Stimmt ja, mit ein paar Kumpels von Cody.", bestätigte Kaylen.
„Oh Gott, sie wird sich sicher was einbilden, wenn sie uns hier so sieht und es allen erzählen. Ich hasse Gerüchte.", klagte ich genervt.
„Warum ein Gerücht? Geben wir ihr doch etwas zum Erzählen."
Noch bevor ich die Chance bekam zu verstehen, was er meinte, hatte er mir schon die Hand an die Wange gelegt, mich an sich gezogen und mir seine weichen Lippen auf den Mund gedrückt.
Hätte auch nicht gedacht, dass ich soviel über das Essen schreiben konnte😅
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