Keepers of Fate [abgeschlosse...

Bởi Dumai94

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Sarah ist überglücklich nach vielen Jahren wieder nach Hawaii zu fliegen, um ihren Onkel wiederzusehen. Ent... Xem Thêm

Vorwort
Prolog: Nathan
1. Kapitel: Sarah
2. Kapitel: Nathan
3. Kapitel: Sarah
4. Kapitel: Nathan
5. Kapitel: Sarah
6. Kapitel: Nathan
7. Kapitel: Sarah
8. Kapitel: Nathan
9. Kapitel: Sarah
10. Kapitel: Nathan
11. Kapitel: Sarah - Teil 1
11. Kapitel: Sarah - Teil 2
11. Kapitel: Sarah - Teil 3
11. Kapitel: Sarah - Teil 4
12. Kapitel: Sarah & Nathan - Teil 1
12. Kapitel: Sarah & Nathan - Teil 2
13. Kapitel: Sarah
14. Kapitel: Nathan
15. Kapitel: Sarah
16. Kapitel: Nathan
17. Kapitel: Sarah
18. Kapitel: Nathan - Teil 1
18. Kapitel: Nathan - Teil 2
19. Kapitel: Sarah
21. Kapitel: Sarah
22. Kapitel: Sarah & Nathan - Teil 1
22. Kapitel: Sarah & Nathan - Teil 2
23. Kapitel: Sarah
Epilog

20. Kapitel: Nathan

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Bởi Dumai94


Dienstag, 11. August

Lange Zeit sprach niemand von uns. Ich für meinen Teil war damit beschäftigt, sie einfach nur stolz zu mustern – ein Gefühl, was mir so fremd und gleichermaßen aber auch bekannt vorkam. Kaden stand immer noch hinter ihr, gab ihr Halt durch seine Nähe. Ja, ich musste zugeben, irgendwie mochte ich diesen Kerl, auch wenn es immer noch zugegebenermaßen echt schwer war, ihn nicht mehr mit der von Nauk aufgezwungenen Blickweise zu betrachten. Ich bemerkte immer öfter, wie die beiden sich ansahen und wie viel sie einander bedeuteten. Es war wohl tatsächlich etwas sehr Ernstes zwischen ihnen und zum ersten Mal fühlte ich mich stolz und war glücklich darüber, dass Sarah ihr Glück gefunden hatte. Langsam begann ich mich wieder fast ganz wie ich selbst zu fühlen, zumindest ging der Einfluss von Nauk merklich zurück, doch dafür hatte ich stark mit all den widerwärtigen Taten, die schleichend zurück in mein Gedächtnis vorrückten, zu kämpfen. Ich musste sie so gut es ging in die Schatten zurückdrängen, bevor sie drohten mich ganz zu übermannen und mich erneut in die Dunkelheit zu ziehen. Ich war mir sicher, dass mich all die quälenden Erinnerungen lähmen würden, sobald ich ihr wirkliches Ausmaß anfangen würde zu begreifen.

„Erm... ich werde mich dann mal zurückziehen. Ich bin immer noch sehr müde, habe fast kaum ein Auge zu bekommen. Lasst uns das... später besprechen", murmelte Sarah und rieb sich dabei unschlüssig über den Unterarm, während ich ihr ansah, wie sie ein herzhaftes Gähnen unterdrückte.

„Leg dich ruhig noch etwas schlafen, wir halten hier schon die Stellung", erwiderte Sam auf ihre typische Art und Weise sanft, woraufhin Sarah nur schwach lächelte und sich kurz darauf durch den offenen schmalen Türschlitz schob, während Kaden ihr stumm folgte. „Willst du ihr nicht nach?", fragte Samantha mich irritiert, als ich einfach nur wie angewurzelt in dem nun doch recht leeren Raum stehen blieb und ihr nachsah.

„Denkst du, dass das aktuell eine gute Idee ist? Sie vertraut mir nicht mehr. Ich will ihr keine Angst machen, verstehst du? Ich könnte es mir nicht verzeihen, wenn...", sprudelte es geradezu aus mir heraus, als ich ihr meine Ängste im Bezug auf Sarah mitteilte, doch sie kam nur auf mich zu und nahm mich kurzerhand in den Arm.

Komplett überrumpelt und verwundert riss ich meine Augen weit auf und verkrampfte mich innerlich sofort so dermaßen, dass mir beinahe in jedem Teil meines Körpers die Muskeln schmerzten. Ich schaffte es nicht, ihre Umarmung zu erwidern, all das war mir noch viel zu fremd, auch wenn es sich richtig anfühlte. Obwohl ich es schaffte, all das Verrückte auszublenden, was gerade heute hier passiert war, konnte ich meine Arme nicht um ihren schmalen Oberkörper legen und ehe ich mich selbst dazu ermutigen konnte, war diese beinahe schon so intime Berührung wie früher auch schon wieder vorbei.

„Du musst ihr Zeit lassen, ja, aber irgendwann wird sie dieses Vertrauen in dich und ihre Unbeschwertheit dir gegenüber wiederfinden. Das kann ich dir garantieren, Nate. Na los, geh einfach zu ihr, mach den ersten Schritt und wiederhole das immer wieder, bis sie anfangen kann, dich wieder mit den Augen zu sehen, mit denen sie dich auch früher gesehen hat", ermutigte Samantha mich, es einfach zu riskieren, es zu versuchen und es lag so viel Überzeugung in ihrer Stimme, dass ich es beinahe sofort selbst geglaubt hätte, doch mein immer noch nicht ganz abgeschalteter Verstand machte mir sehr schnell klar, dass es absolut dumm gewesen wäre zu glauben, dass das ernsthaft so schnell gehen konnte. „Über alles andere reden wir später."

„In Ordnung, ich werde es versuchen", antwortete ich schlicht, warf ihr noch einen letzten dankbaren Blick zu und machte mich dann ebenfalls auf nach draußen.

Das Haus erinnerte mich sehr an mein eigenes, allerdings wirkte ihres lange nicht so steril und doch pompös und einladend. Ich fragte mich wie sie an dieses Haus gekommen und wieso ich es zu meiner Zeit nie zu Gesicht bekommen hatte, aber ich wusste, dass es jetzt nicht der richtige Zeitpunkt war, um sich über so etwas Gedanken zu machen. Ich fühlte mich zwar lange nicht so unwohl hier wie wenn es meine eigenen vier Wände wären, aber meine Umgebung und die Ähnlichkeit hatten dennoch eine nicht abstreitbare Wirkung auf mich, weshalb ich versuchte, nicht länger darüber nachzudenken.

Das Haus war auf jeden Fall kleiner als meins und nachdem ich mir einen schnellen Überblick verschafft hatte war mir klar, dass die Gästezimmer auf jeden Fall im oberen Stockwerk liegen mussten. Von unten hatte Samanthas Zuhause noch recht überschaubar und beinahe klein gewirkt, wenn auch nicht für eine allein lebende Person, aber im oberen Stockwerk wurde einem schnell klar, dass dem nicht so war. Der Gang zog sich gefühlt ins Unendliche und eine Tür nach der anderen reihte sich aneinander, wobei ich mich unwillkürlich fragte, wieso Sam so viele verschiedene Räume hatte und wofür sie diese nutzte, aber das war im Augenblick nicht weiter wichtig, lediglich erstaunlich. Ebenso erstaunlich wie die Tatsache, dass es mir bisher nur wenig ausgemacht hatte, mich verhältnismäßig wieder mehr zu bewegen, nachdem ich solche Probleme mit dem Kreislauf gehabt hatte.

„Sarah?", rief ich leise und blieb am Anfang des Flurs stehen, um sie vorsichtig auf meine Anwesenheit aufmerksam zu machen, bevor ich weiterging – davon einmal abgesehen wusste ich gar nicht genau, wo ihr Zimmer lag.

Zunächst wartete ich und lauschte, hörte aber nichts und wieder nichts als reine Stille. Ich wollte bereits erneut ihren Name rufen, dieses Mal dann etwas lauter, als sie dann doch endlich zögerlich reagierte.

„Was willst du?", hörte ich ihre dumpfe Stimme, welche unmittelbar aus dem Zimmer schräg vor mir kam – die Tür war leicht angelehnt.

„Können wir... kurz reden?", zwang ich mir die Worte über die Lippen und fuhr mir nervös durch mein zerzausten Haar, während ich auf ihre Antwort wartete, die so lange auf sich warten ließ, dass ich bereits Angst gehabt hatte, sie würde mich einfach ignorieren.

„Was willst du denn damit erreichen? Denkst du etwa wirklich, dass jetzt durch die neuen Erkenntnisse einfach so alles wieder gut ist? Dass ich all das, was du getan hast... was du mir angetan hast einfach so vergessen kann? Verschwinde, Nate. Ich will dich nicht sehen, ich will einfach nur meine Ruhe haben und über alles nachdenken", warf sie mir hemmungslos an den Kopf und obwohl sie hörbar versuchte, so kühl wie nur möglich zu tun, vernahm ich trotzdem das Gebrochene in ihrer Stimme, was mir zeigte, dass sie gerne wieder mich in alter Gestalt zurück haben würde, aber sie sich das nicht einfach so eingestehen und dementsprechend handeln konnte. Klar, ich konnte sie verstehen.

„Ich verstehe, ich kann dir das auch nicht übel nehmen, schließlich kann ich mir selbst das nicht einfach so verzeihen und ich bin mir dabei auch ziemlich sicher, dass ich das nie können werde. Nimm dir alle Zeit die du brauchst, ich bin hier, wenn du... reden möchtest, Süße... ich meine Sarah", ließ ich ihr alle Optionen offen und verbesserte mich hastig, als ich bemerkte, wie mir der von ihr nicht sonderlich beliebte Kosenamen aus dem Mund gerutscht war.

Ich wartete erneut für einige Augenblicke, ob sie sich vielleicht doch noch einmal zu Wort melden würde. Es schmerzte mich so sehr, wie das Verhältnis zwischen uns gelitten hatte, aber ich konnte es aktuell eben einfach nicht ändern, so sehr ich das auch wollte. Ich war nicht die Person, die sie gerade mehr als alles andere brauchte, obwohl es bis vor wenigen Jahren noch so gewesen war. Wen sie im Moment wirklich brauchte war der hawaiianische Junge Kaden. Vielleicht konnte ich irgendwann mal wieder so einen wichtigen Stellenwert in Sarahs Leben einnehmen, wie ich es früher einmal getan hatte, um ihr mit Rat und Tat zur Seite zu stehen – auf die Art und Weise, wie es ihr leiblicher Vater nie gekonnte hatte, auch wenn er es bei so einer tollen Tochter mit Sicherheit mehr als nur gerne gemacht hätte. Ja, ich musste ihr Zeit und Abstand geben, auch wenn es beinahe das Schwerste war, was ich jemals tun musste.

Schlussendlich räusperte ich mich verunsichert, nickte ein paar Mal zu mir selbst, um anzuerkennen, dass es einfach noch zu früh war.

„Bist du noch da?", kam es da plötzlich erneut gedämpft von der anderen Seite der weißen massiven Holztür und natürlich erstarrte ich in der Bewegung und drehte mich sofort wieder um, um zurück zu ihrer Tür zu laufen – natürlich immer noch mit einem gewissen Abstand.

„Ja, ich bin noch hier, Sarah", bestätigte ich schließlich, lehnte mich mit dem Rücken an die raue graue Wand und ließ mich mental erschöpft an ihr herabsinken. Meine Beine zog ich an, meine Händen ließ ich auf meinen Knien ruhen und meinen Kopf lehnte ich an die Wand zurück, schloss meine Augen und lauschte einfach nur in die Stille – erpicht darauf, auch nur noch ein einzigen Wort von ihr zu hören. Ich war ihr so nah und doch so fern.

„Wie... hat es sich angefühlt? Ich will... gerne verstehen, wie das für dich war. Wenn du... mir davon erzählen kannst und willst", fragte sie mich auf einmal nach einigen erneuten Augenblicken der absoluten Ruhe.

Dass sie mich ausgerechnet das fragte, verwunderte mich doch ziemlich in der ersten Sekunde, was mich dazu brachte meine Stirn zu runzeln und in Unbehagen die Augen aufzuschlagen. Dennoch, sie war immer noch meine Nichte, mein Blut, da war es selbstverständlich, dass sie so wissbegierig war – das machte mich irgendwie stolz, auch wenn mir diese Frage gerade einen gehörigen eiskalten Schauer über den kompletten Körper jagte. Darüber nachzudenken war alles andere als angenehm und ich musste erst einmal den riesigen Kloß, der sich irgendwie in meiner Kehle gebildet hatte, herunterschlucken und mit Bedacht die Worte in meinem Kopf ordnen. Ein paar Mal öffnete ich den Mund, um mit meiner Antwort anzusetzen, aber es fiel mir wahnsinnig schwer, die in Gedanken geformten Worte tatsächlich auszusprechen. Ich wusste einfach nicht, wie ich anfangen, was ich ihr darüber berichten sollte.

„Nate? Wenn du... das gerade noch nicht kannst, dann... verstehe ich das", schob Sarah mittlerweile schon nach und ich hatte keine Ahnung, wie viel Zeit gerade vergangen war, in der ich darüber nachgedacht hatte, wie ich dieses Thema wohl am besten verpacken sollte.

Schlussendlich entschied ich mich für die absolute, überhaupt nicht beschönigte Wahrheit – das war das Mindeste, was ich für Sarah tun konnte. Sie hatte es verdient wie keine andere und vielleicht würde es mir ja sogar ein wenig helfen wenn ich nach dieser quälend langen Zeit in der absoluten Dunkelheit mich endlich jemandem anvertrauen konnte. Jemandem, der zusammen mit Sam zu den wichtigsten Menschen für mich gehörte.

„Es war so, als ob... mein gesamter Körper einfach taub geworden wäre. Ich... kann mich nicht mehr daran erinnern, wie ich mich selbst verloren habe und zu dem geworden bin, was ich all die Jahre über nun gewesen bin. All die Worte, die über meine Lippen gekommen sind waren zwar meine, aber irgendwie dann auch wieder nicht. Verstehst du? Ich... Sie kamen von mir, aus meinem Mund, aber ich hatte das Gefühl, dass sie mir jemand anders auf die Zunge gelegt hatte. All die Zeit über war ich wie gelähmt, unfähig mich dagegen zu wehren, denn desto stärker ich dagegen ankämpfte, desto schlimmer wurde dieses Empfinden. Ich habe nichts mehr gespürt, rein gar nichts. Ich war nicht mehr ich selbst und irgendwo wusste ich das auch, aber ich war so in mir selbst verloren, dass es mich zwar innerlich schier aufgefressen hat, aber gleichermaßen hatte ich nicht im geringsten die Macht, dagegen anzukommen, so sehr ich es auch wollte und immer und immer wieder versucht habe", zwang ich mich schlussendlich dazu und ließ die Worte aus meinem Mund fließen.

Kurz unterbrach ich mich selbst, um noch einmal tief Luft zu holen, während mir mein Herz fast aus dem Brustkorb zu springen drohte, weil es so schnell hämmerte, dass ich mich nicht einmal mehr daran erinnern konnte, wann das zuletzt so extrem passiert war. Wie gelähmt starrte ich an die Decke, mein Hinterkopf lag wieder an der rauen Wand und ich spürte, wie jetzt ganz deutlich meine Emotionen in vollem Ausmaß zurückkehrten und drohten mich vollends zu verschlingen. Mein Blick wurde immer mehr verschwommen, was auch an den einzelnen Tränen lag, die langsam aber sicher die Oberhand erlangten und sich ihren Weg über mein Gesicht suchten, was seit so langer Zeit so etwas wie Tränen schon nicht mehr gesehen hatte, doch ich ließ es einfach zu, es war mir egal.

„Erst als du wieder in mein Leben getreten bist, Sarah, hat sich etwas verändert, wenn auch nicht viel, aber ich begann wieder etwas mehr zu kämpfen, mich dagegen aufzulehnen, auch wenn du davon wahrscheinlich nicht viel bemerkt hast. Ich war... völlig kalt, habe keinerlei Gefühle oder gar Emotionen mehr gespürt, aber als du wieder bei mir warst war es seit langem wieder das erste Mal, dass ich mich für das was ich tat wieder schämte und deswegen so unzügelbar zornig war. Es machte mir einerseits Angst, dass sich durch dich so viel veränderte, aber auf der anderen Seite hatte ich endlich wieder das Gefühl, dass das wahre Ich nicht bereits vollständig unter hunderten von Leichen vergraben war. Ich wollte wieder etwas spüren, sie nicht wieder die Kontrolle über mich nehmen lassen, nicht mehr diesen unsäglichen Schmerz spüren, der sich mein Leben genannt hat. Ich tat die schlimmsten Sachen, ohne mir nennenswerte Gedanken zu machen, ich ließ es einfach geschehen, sie die Macht über mich haben, weil ich schnell begriffen hatte, dass ich egal was ich tun oder versuchen würde niemals gegen sie ankommen würde. Ich war in meinem eigenen Körper und Geist gefangen und ich konnte nicht daraus ausbrechen, egal was ich tat und irgendwann dachte ich sogar, dass das alles meine Schuld war, aber dann... dann warst irgendwann du da und ich begann einen wenn auch noch so kleinen Funken Licht am Ende des pechschwarzen Tunnels zu sehen und doch war ich noch gefangen in meinem Kopf", schloss ich und merkte jetzt erst, wie meine Stimme immer leiser geworden und wie ich mich immer mehr in meinen verworrenen Gedankengängen verloren hatte – ich hoffte, dass Sarah alles verstanden hatte, aber ich war mir sicher, dass sie sich beschwert hätte falls nicht.

Mein Herzschlag hatte sich sogar noch beschleunigt, auch wenn ich es nicht für möglich gehalten hätte, dass das überhaupt noch ging. Es war mehr als befremdlich wieder solche Empfindungen und Emotionen zu spüren, die auch meinen Herzschlag dazu brachten wieder so zu hämmern. Mein Gesicht war mittlerweile auch gut nass geworden, doch ich gab mein Bestes meinen Hemdärmel so gut es eben ging dafür zu verwenden, die Peinlichkeit dieses Moments davonzuwischen. Ich schluckte und rieb mir müde die Stirn, da sich nun starke Kopfschmerzen bemerkbar machten, was mich nicht wirklich wunderte bei alledem, was mich gerade überflutete.

„Du solltest dich für deine Gefühle nicht schämen", erklang ihre Stimme nun unmittelbar neben mir, was mich wie von der Tarantel gestochen dazu veranlasste, sofort aufzuspringen und mich etwas von ihr zu distanzieren – ich wollte ihr nicht zu nahe treten und ihr den nötigen Abstand zollen.

„Ich habe dich gar nicht bemerkt, verzeih mir", sagte ich schnell und räusperte mich in der Hoffnung, dass sie mich nicht so losgelöst gesehen hatte, doch ihrem Blick und ihrer Bemerkung nach zu urteilen schon. „Wie lange stehst du da schon?"

„Lange genug um zu erkennen, dass du die Wahrheit sagst und dir offensichtlich gerade eine große Bürde von den Schultern genommen wird, indem du dich jemandem anvertraust", antwortete sie erstaunlich einfühlsam und lehnte sich mit verschränkten Armen an den Türrahmen und beobachtete mich aufmerksam – zu meiner großen Überraschung wirkte sie schon nicht mehr ganz so abweisend.

„Ich denke ich sollte dich jetzt besser in Ruhe lassen, damit du dich ausruhen kannst", meinte ich schlicht ausweichend daraufhin, damit es für mich nicht noch schwieriger wurde, als es das ohnehin schon war.

„Wie hast du das nur so lange ertragen?", fuhr Sarah unbehelligt fort mir Fragen zu stellen – ich konnte sie verstehen, aber eigentlich war mein Redebedürfnis für den ersten Moment ausgeschöpft und zudem wusste ich die Antworten auf diese Fragen ja selbst nicht.

„Es war... schwer, auch wenn das noch eine völlige Untertreibung ist, ich weiß nicht, wie ich dir das beantworten soll", entgegnete ich abwesend und drehte mich um, um nun doch zu gehen, doch sie ließ mich nicht.

„Wieso hast du nie... Also versteh mich nicht falsch, aber ich frage mich wieso... Wieso hast du dem nie ein Ende gesetzt, wenn du so am Rande des Verzweifelns warst, dass du keinen Ausweg mehr gesehen hast?", schoss die nächste Frage von ihr hervor und stoppte mich zum wiederholten Male in der Bewegung – diese Frage war mit Abstand die schlimmste von allen bisher. Sie weckte so viele Erinnerungen in mir, dass mich beinahe die erneut auftretende Übelkeit wieder übermannt hätte, also lehnte ich mich schnell wieder mit dem Rücken an den Wand und schloss erneut die Augen.

„Alles okay bei dir? Du bist plötzlich ganz blass", bemerkte Sarah und in ihrer Stimme lag wirklich etwas Besorgtes, doch ich überging es einfach, ich wollte nicht noch mehr Schwäche zeigen.

„Glaubst du denn wirklich, dass ich das nicht schon längst ausprobiert habe? Mehr als nur einmal wollte ich mir das Leben nehmen, auf die eine oder die andere Art und Weise, aber es geht nicht. Ich kann aus diesem Fluch nicht ausbrechen und schon gar nicht mit sowas simplem wie Selbstmord. Egal was ich tue, sie lässt es nicht zu", erläuterte ich verabscheuend schnaubend, aber nicht wegen ihr, sondern wegen dieser kranken Göttin Nauk, bei dir ich mir zugegeben schon öfter gewünscht hatte, sie irgendwann mal in Fleisch und Blut vor mir stehen zu haben, um mit ihr abzurechen, zumindest so weit wie ich es konnte – eine wirkliche Chance gegen sie hätte ich sowieso wohl nicht.

„Wie meinst du das mit sie lässt es nicht zu?", hakte Sarah zum wiederholten Male nach und obwohl ich die Augen noch immer geschlossen hatte, hörte ich förmlich, wie sie ihre Stirn runzelte und eine Augenbraue nach oben zog.

„Ich denke das reicht fürs Erste, Sarah. Du solltest dich jetzt besser hinlegen, ja?", versuchte ich erneut das Thema fürs Erste zu beenden, auch wenn ich unheimlich froh war, endlich merkbar wieder etwas an dem Verhältnis zwischen mir und ihr zu verändern. „Wir können später nochmal reden, sofern du das möchtest", hängte ich aber rasch noch an meine Aussage dran und löste mich wieder von der Wand, nachdem das flaue Gefühl in meinem Magen langsam wieder etwas abnahm.

„Ja, du hast ja recht. Danke für den Einblick in dein Inneres, das hilft mir sehr es zu... verstehen", entgegnete sie kopfnickend und sah mir nach all der Zeit unmittelbar in die Augen.

Ich konnte ihren Blick zwar nicht hundertprozentig deuten, aber dennoch hatte ich den Eindruck, dass sie sich wirklich Mühe gab zu verstehen und mir wirklich eine Chance zu geben versuchte – Zeit war eben hierbei sehr wichtig, wenn ich sie dazu bringen wollte mich irgendwann, egal wie lange es auch dauern mochte, wieder als ihren Onkel anzusehen. Diese Zeit konnte ich dann vielleicht auch nutzen um einen Weg zu finden, wie ich Nauks Bann für immer entkommen konnte, auch wenn das ebenfalls wieder ein Thema war, über das ich mir eigentlich überhaupt keine Gedanken machen wollte, weil mich das nur wieder in die tiefen Fänge der Verzweiflung ziehen würde.

„Schlaf gut, Sarah", murmelte ich und versuchte so wie früher kurz zu lächeln, aber das war noch etwas, was mir wirklich sehr schwer fiel.

„Du solltest dich auch etwas ausruhen, Nate", flüsterte sie, als ich mich bereits wieder in Bewegung gesetzt hatte und ich vernahm, wie die Tür wieder ins Schloss fiel.

„Das werde ich, Süße", sagte ich leise zu mir selbst und bog dann um die Ecke, um mich nochmal auf den Weg nach unten zu machen – ich musste dringend noch etwas Luft schnappen, bevor ich mich wohl auch erstmal kurz etwas hinlegte.

Ich lief zwar in einem sehr langsamen Tempo die Treppe herunter, weil ich so in Gedanken verloren war, aber dennoch bemerkte ich Sam zunächst nicht, die auf einmal unten stand und mich erwartete. Beinahe wäre ich in sie hineingelaufen, merkte es dann aber gerade noch rechtzeitig.

„Sam, was machst du denn?", fragte ich, nachdem ich mich leicht erschrocken hatte, weil sie wie aus dem Nichts einfach aufgetaucht war.

„Es tut mir leid, ich wollte nicht lauschen, aber ich habe dich auf dem Gang gehört und ich... konnte mich einfach nicht losreißen und weitergehen. Sei mir bitte nicht böse", beichtete sie mir auf der Stelle.

Zunächst war ich überrascht und auch zugegebenermaßen etwas sauer und verletzt, aber dann realisierte ich schnell, dass es keine Rolle spielte – sie hätte es sowieso erfahren sollen und auf diese Weise musste ich für sie nicht noch einmal durch genau die gleichen grausamen Erinnerungen.

„Mach dir keinen Kopf darüber. Was hast du alles mitbekommen?"

„Wie du dir ihr Herz ausgeschüttet hast und du sogar geweint hast – das habe ich in diesem Leben noch nie an dir gesehen", gestand sie und in ihren strahlenden Augen lag plötzlich so viel Liebe und Zuneigung, dass es mich fast schon erschreckte, weil es so obskur und ungewohnt in dieser ganzen Situation wirkte.

„Naja, es war auch nicht für deine Ohren bestimmt", murmelte ich schlicht und sah aus welchen Gründen auch immer jetzt betrübt zu Boden.

Einerseits fühlte es sich an wie in einer alten Zeit und ihr plötzlich völlig anderes verhalten ließ mich zurück in diese Zeit springen, zumindest für einen kurzen Augenblick, aber auf der anderen Seite kam wieder dieser Instinkt in mir immer mehr durch, dass ich das nicht zulassen durfte. Das war schon immer das Problem gewesen, das unsägliche Thema, welches über uns hing und uns kein Glück gönnen würde.

„Tu das nicht, Nate, bitte", konterte sie unmittelbar nach meiner Antwort und nachdem sie offensichtlich die starke Veränderung meiner Miene bemerkt hatte.

„Was meinst du?", fragte ich seufzend, obwohl ich ja längst wusste, worauf sie wieder hinaus wollte und ich hatte das seltsame Gefühl, dass ich exakt dieses Gespräch mit dieser speziellen Richtung schon gefühlt hunderte Mal hatte durchlaufen müssen.

„Bitte schließ mich nicht aus dir aus. Rede mit mir", bat sie mich und musterte mich mit einem herzzerreißenden Blick, bei dem mir auf der Stelle wieder klar wurde, wie glücklich ich mit Sam hätte sein können und nun aber vermutlich nie mehr würde sein können.

„Ich lege mich jetzt hin, Samantha. Ich weiß gar nicht mehr, wo ich anfangen soll... Vielleicht sollten wir uns einfach beide erstmal ausruhen und uns morgen darüber unterhalten", beharrte ich und machte Anstalten mich an ihr vorbeizuschieben, doch sie ließ mich nicht von sich weichen, also zögerte ich.

„Ich verstehe schon, es ist okay, Nate. Es tut mir leid, ich hätte vielleicht besser nicht direkt heute damit ankommen solle, glaub mir für mich ist das auch... schwierig. Du hast recht, wir sollten uns erst einmal etwas Ruhe gönnen. Vorerst sollten wir hier sicher sein, hoffe ich. Sicher vor... ihr", schloss Sam und lächelte mich schwach, fast so wie früher bekräftigend an.

„Ich danke dir, schlaf gut, Sam. Du solltest dich auch hinlegen", murmelte ich, widerstand aber dem Impuls näher auf ihre Nähe einzugehen und ihr in die Augen zu sehen – ich wagte es einfach noch nicht und hatte auch das Gefühl, dass es aktuell alles andere als passend gewesen wäre.

Ich wollte sie nicht erdrücken, auch wenn sie gerade einen starken Kurs vorgab – ein Grund mehr wieso ich irgendwo schon an das was sie sagte glaubte, denn sonst würde sie sich niemals schon wieder so mir gegenüber verhalten.

„Mal sehen, ich weiß nicht ob ich mich jetzt einfach so schlafen legen kann", meinte sie plötzlich wieder matt, doch ich nickte nur.

„Ich weiß genau was du meinst, aber lass es uns versuchen", war ich es diesmal, der versuchte ihr etwas Mut zuzusprechen und stand dann schlussendlich auf. „Danke, Sam. Schlaf gut", fügte ich noch hinzu, räusperte mich und ging dann wieder in das Zimmer zurück, indem ich die letzte Zeit verbracht hatte – es war zwar ein seltsames Gefühl wieder dorthin zu gehen, aber das war der mir bisher am vertrauteste Raum in diesem riesigen Haus.

Selbst als ich längst wieder in dem Raum stand und die Tür leise hinter mir geschlossen hatte, spürte ich noch ihre Blicke, die sie mir nachwarf – selbst durch das weiß gestrichene Holz hindurch.

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