Blind Kiss

By icebel

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Sieben Minuten im Himmel mal anders. Tate Hastings küsst einen ihr fremden Jungen in einer Kammer. Beide trag... More

Blind Kiss
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30th Kiss

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By icebel

30th KISS

... oder als ich etwas wirklich Dummes tat

Es ist acht Uhr am Abend. Wir haben schon gegessen und sitzen seit einer Weile draußen auf der Veranda. Wir machen nichts Spannendes. Wir sitzen hier einfach, lauschen den Gesprächen der anderen und geben ab und zu unseren eigenen Senf dazu – ob es sie interessiert oder nicht.

Dass Steph noch immer dabei ist, finde ich alles andere als super. Aber ich akzeptiere es. Langsam. Eigentlich habe ich gedacht, dass sie wieder nach Hause geht und den Abend mit ihren Eltern verbringt. Zumindest war das meine Hoffnung, auch wenn ich die ganze Zeit wusste, dass das nicht der Fall sein würde. Das Schlimme ist, dass sie mir nicht unsympathisch geworden ist. Eigentlich mag ich sie sogar. Sie ist ganz nett - abgesehen von der Sache, dass sie Sex mit Levin will.

Als in weiter Entfernung zischende, knallende und sausende Geräusche zu hören sind, schauen wir alle auf. In den Himmel. Das Feuerwerk hat begonnen. Es ist zwar noch nicht stockdunkel, aber dunkel genug, um die schönen Muster und Farben der Raketen zu sehen.

Damit wir das Feuerwerk besser betrachten können, stehen wir auf und stellen uns in die Auffahrt, den Blick nicht vom Himmel genommen.

»Ich hol die Sachen«, informiert uns Ryan, verschwindet im Haus und kommt kurze Zeit später nach draußen. In den Händen hält er drei Tüten mit Knallzeugs.

Wie kleine Kinder beugen die Jungs sich über die Tüten, suchen sich etwas aus, was ihnen am meisten zuspricht und zünden es schließlich mit einem Feuerzeug an. Die erste Rakete fängt an, laut zu zischen und einen schrillen Ton von sich zu geben, ehe sie abrupt nach oben schießt und viele Meter über uns mit einem Knall explodiert. Bunte Funken verteilen sich in alle Richtungen, was mich zum Lächeln bringt. Ich liebe Feuerwerke.

Wir sind bestimmt eine Stunde damit beschäftigt, die Tüten zu leeren, die Raketen anzuzünden und das Feuerwerk zu betrachten. Morgen wird sich ein riesiger Müllhaufen vor der Haustür tummeln, aber für den Augenblick denkt niemand darüber nach, dass das Ganze auch wieder aufgeräumt werden muss.

Die Funken im dunklen Himmel lassen mich regelrecht aufleuchten. Voller Euphorie drehe ich mich um, suche die Gruppe nach Olivia ab, finde sie aber nicht, weil ich meine Suche vorher unterbreche. Mir wird schlecht. Ich habe das Bedürfnis einfach laut los zu schreien. Ich will auf den Boden stampfen und heulen.

Ein paar Meter abseits unserer Gruppe küssen sich Levin und Steph. Sie küssen sich. Nach einem Tag. Und ich warte seit einem Jahr darauf. Dass er mich so hält, wie er sie gerade hält. Dass er mich so küsst, wie er sie gerade küsst. Dass er mir diese Aufmerksamkeit schenkt, die er ihr gerade schenkt.

Ich will da wirklich nicht hinsehen. Aber ich kann meinen Blick einfach nicht von ihnen losreißen. Warum kann ich nicht wegsehen? Erst als mich jemand an der Schulter berührt, zucke ich aus meiner Starre und schaue mich um. Es ist Olivia. Sie sieht bestürzt aus.

»Sieh da nicht hin«, sagt sie leise. Ihre Stimme ist voller Mitgefühl.

Ich erwidere nichts. Weil ich überhaupt nicht weiß, was ich dazu noch sagen soll.

»Dadurch wird es nicht besser.«

Ich weiß. Das weiß ich wohl. Immerhin bin ich nicht blöd. Ich atme tief aus und schließe die Augen. Ich lasse sie so lange geschlossen, bis mich jemand antippt. Blinzelnd schlage ich die Lider auf. Es ist wieder Olivia.

»Wir wollen jetzt zum Pub«, flüstert sie, unsicher was ich davon halte.

Nickend wische ich mir die Tränen aus den Augenwinkeln. »Okay.«

Livs Stirn kräuselt sich. »Bist du sicher, dass wir gehen sollten?«

Ich schüttele den Kopf. »Ich werde nicht mitkommen, Liv.«

Eine Furche bildet sich zwischen ihren Augenbrauen. »Soll ich Bescheid sagen, dass wir hierbleiben?«

Ein ersticktes Lachen entflieht mir. Aber nur ein kleines. »Ich bleibe hier. Du gehst mit.«

»Ich lasse dich doch nicht alleine hier, Tate.«

»Doch. Genau das wirst du tun«, bestehe ich und schenke ihr ein Lächeln, was vermutlich ein wenig missglückt, weil meine Augen glänzen. »Denn ich lasse dich nicht hierbleiben, wenn du mit David einen schönen Abend verbringen kannst. Was wäre ich für eine Freundin?«

»Aber was wäre ich für eine beste Freundin,wenn ich einfach gehe?« Sie wehrt sich. Wieso wehrt sie sich?

»Dann sei meine Cousine, Liv. Ich will dir nicht den Abend versauen. Außerdem habe ich hier einen Fernseher, einen Kamin und jede Menge Süßigkeiten. Ich will nur vermeiden, dass ich vor allen in Tränen ausbreche. Bitte. Geh einfach mit.«

Olivia sieht mich noch einmal zweifelnd an, bevor sie auf mich zutritt und mich in eine feste Umarmung zieht. »Danke«, flüstert sie und ich lächele. »Es wird schon alles in Ordnung kommen.«

Wenn mein Kopf das doch auch nur denken könnte.

Als ich seufzend die Haustür hinter mir schließe, atme ich tief ein und aus. Ich habe den Jungs gesagt, dass ich müde bin und Kopfschmerzen habe und deshalb nicht mitkommen werde. Einerseits finde ich es schade, da ich mir sicher bin, das der Abend lustig geworden wäre.Aber andererseits bin ich froh, dass ich mich geschickt aus der Affäre ziehen konnte. Denn einen Abend mitansehen zu müssen, wie Levin und Steph sinnliche Versprechungen miteinander austauschen,schlägt sich nicht gut auf meinen Magen aus. Und bevor ich einen Heulkrampf vor versammelter Mannschaft bekomme, bleibe ich dann doch lieber hier.

Ich mache den Kamin an, stelle den Fernseher auf ein Programm, was ich mir gerade noch so ansehen kann und mache mir einen warmen Kakao. Dann lege ich mich auf das mittlere Sofa, ziehe die Decke über mich und schaue mit halb geöffneten Lidern auf den Bildschirm.

Bis ich einschlafe.

Dass ich eingeschlafen bin, merke ich allerdings nur, weil die Haustür mit einem Knall zufliegt. Erschrocken richte ich mich auf und schaue zur Tür. Kian dreht sich unsicher um und verharrt auf der Stelle, als er mich entdeckt.

»Sorry, ich wollte dich nicht wecken«, raunt er. Es steht ihm ins Gesicht geschrieben, dass es ihm wirklich leidtut.

Ich gähne. Und dann fällt mir auf, dass er alleine ist. »Was machst du hier? Wo sind die anderen?«

Kian richtet sich allmählich wieder auf und kommt leise und langsam auf mich zu – als hätte er Angst, einen falschen Schritt zu machen. »Die sind noch dort.«

Verwirrt schaue ich ihn an. »Und du bist hier, weil . . . ?«

Er sieht mich an. Dann neigt er seinen Kopf, als würde er seine Antwort abschätzen. »Ich wollte schauen, wie es dir geht.«

Ein warmes Gefühl breitet sich in meinem Inneren aus. Das ist eine Antwort, mit der ich nicht gerechnet habe. Aber es ist definitiv eine Antwort, die mir gefällt.

»Aber wie es aussieht, scheint es dir an nichts zu fehlen«, deutet er, als er einen Blick auf den Haufen leerer Süßigkeitenverpackungen auf dem Tisch wirft und das Feuer im Kamin in Augenschein nimmt.

Ich lege das Kinn auf die Sofalehne, während ich schulterzuckend zu ihm aufschaue. »Nicht direkt.«

Überrascht sieht Kian mich an. Er sagt nichts. Nicht direkt. Aber seine Augen bitten mich um eine stumme Erlaubnis, sich zu mich zu setzen. Also nicke ich. Kaum wahrnehmbar eigentlich, aber er sieht es.

Ich ziehe meine Beine unter der roten Fleecedecke ein, damit er sich setzen kann, ohne meine Schienbeine am Hintern zu haben. Der Fernseher ist zwar noch immer an, aber ich schaue nicht hin. Ich sehe Kian an. Und ersieht mich an. Und das für eine lange Zeit.

»Was hast du nach dem Abschluss vor?«, frage ich leise.

Er zuckt mit den Schultern. »Aufs College gehen vermutlich.«

»Willst du weiter Lacrosse spielen?«

»Wenn das möglich ist, würde ich das gerne. Und wenn nicht, kann ich auch damit leben. Meine Welt würde nicht untergehen«, antwortet er und lächelt mich an. Aber es ist eher ein oberflächliches Lächeln, was er vermutlich immer zur Schau trägt, wenn er die Frage beantwortet.

»Würde sie nicht?«, hake ich leicht grinsend nach und pule mit meinem Zeigefinger in der Decke herum.

Kian schüttelt sachte den Kopf. Dann lehnt er seinen Kopf nach hinten und neigt ihn zur Seite, um mich weiterhin anzusehen. »Es gibt andere Dinge, die mir eine Freude bereiten würden.«

»Und was?«

»Menschen. Freunde. Einfach ein erfülltes Leben.« Er zuckt die Schultern.

Ich glaube, erst jetzt fällt mir auf, wie positiv er an Sachen herangeht. Er legt Wert auf Dinge, die eigentlich selbstverständlich sein sollten im Leben einer Person. Wie Freunde. Jeder Mensch hat Freunde verdient. Jeder sollte welche haben.

»Du bist anspruchsloser als ich dachte«, gebe ich zu.

Überrascht heben sich seine Augenbrauen. »Wieso? Weil ich Sportler bin?«

Ich zucke die Schultern. »Vielleicht.«

Wir verfallen wieder in Schweigen. Meine Gedanken schweifen wieder zu Levin und Steph. Unfreiwillig. Ich merke, wie mir die Tränen in die Augen schießen und wische sie schnell weg, bevor Kian sie sieht. Doch sein Blick zeigt mir, dass es dafür zu spät ist.

»Willst du mir verraten, was wirklich mit dir los ist?« Seine Stimme klingt nicht so, als würde er mich drängen, es ihm zu erzählen. Aber die Neugier darin lässt sich wohl nicht vertuschen.

»Glaubst du etwa nicht, dass ich Kopfschmerzen habe und müde bin?«

Er hebt den Kopf an, sieht mich für eine Zeit lang einfach nur an und schüttelt dann den Kopf. »Nicht wirklich.«

Ich presse die Lippen aufeinander und ziehe tief seufzend die Schultern hoch. Meine Finger zittern leicht, weswegen ich sie unter die Decke schiebe und sie ineinander verhake. »Das ist nichts, was sich mit einer Sache erklären lässt. Das ist etwas, was sich über eine Zeit hinweg in mir aufgestaut hat und heute ist es irgendwie . . . explodiert, ja. Irgendwie schon.«

Nachdenklich sieht er mich an. »Willst du versuchen, es mir zu erklären? Vielleicht geht es dir danach besser. Vielleicht musst du es einfach mal rauslassen.«

Tief atme ich ein. Ein Gähnen überfällt mich, was ich schnell hinter meiner Hand verstecke. Eigentlich will ich mit Kian nicht über Levin und meinem nicht vorhandenen Liebesleben reden. Eigentlich geht es ihn auch nichts an. Aber dann schaue ich in seine dunkelbraunen Augen, die soviel Ruhe und Verständnis ausstrahlen, dass es mir plötzlich als einzig Richtiges vorkommt, meinen Mund aufzumachen.

»Ich bin verletzt«, erkläre ich dann. Doch Kian zieht irritiert die Augenbrauen zusammen. »Ich . . . Gott, das ist mir so unangenehm.«

»Du musst es nicht sagen.«

Ich nicke energisch. »Doch doch, du hast recht. Vielleicht muss ich das alles einfach mal loswerden.«

Kian hält den Mund.

»Es ist nur so, dass ich Levin vor einem Jahr meine Gefühle gestanden habe. Aber er hat sie nicht erwidert. Und irgendwie komme ich nicht von ihm los. Obwohl er mir ständig wieder in Erinnerung ruft, dass er nichts für mich empfindet«, fahre ich leise fort und schniefe, als sich eine Träne aus meinem Augenwinkel löst.

Kians Kiefermuskel zuckt, als er sie zusammenpresst. Er schließt die Augen und atmet kontrolliert aus. Als er mich wieder ansieht, räuspert er sich. »Was bedeutet, du kommst nicht von ihm los? Hast du noch Gefühle für ihn?« Er versucht, seine Stimme ruhig und einfühlsam klingen zu lassen. Aber ich höre genau, wie schwer es ihm fällt.

Unsicher zucke ich die Schultern. »Ich denke schon. Irgendwie.«

Kian nickt.

»Aber das ist ja noch gar nicht alles«, fahre ich fort, weil ich jetzt auch zu Ende erzählen muss, wenn ich schon damit angefangen habe. »Ich werde dir jetzt etwas beichten. Aber du musst mir versprechen, dass du es niemanden erzählst.«

Neugierig weiten sich seine Augen und er richtet sich ein Stückchen auf.

»Bei Davids Party, an seinem Geburtstag, hat er mich in einen Wandschrank gesteckt. Das Spiel hieß Sieben Minuten Im Himmel und ich und eine andere Person haben die Augen verbunden bekommen, damit wir uns nicht sehen«, sage ich so leise, dass ich beinahe flüstere. Meine Finger verknoten sich immer mehr in der roten Fleecedecke.

Mein Blick hebt sich und ich schaue Kian an. Da er aber nichts sagt, erzähle ich einfach weiter. »Wir haben uns zu Anfang nur unterhalten, aber . . . dann haben wir uns auch geküsst und es war . . . toll. Wirklich toll. Er hat mir versichert, dass er herausfinden will, wer ich bin.«

Mit großen Augen sieht Kian mich an, doch dann runzelt er die Stirn. »Ist das nicht gut?«

»Das ist es ja. Ich habe gehört, wie er sagte, er wolle nicht mehr wissen, wer ich bin«, erkläre ich und wische über meine Wange, um die Tränen zu entfernen.

»Wieso nicht?«

Ich zucke die Schultern und schließe die Augen, um den Heuldrang zu unterdrücken.»Genau das macht mich fertig, Kian. Levin weist mich immer und immer wieder ab und dann tut es auch noch ein Kerl, der mich nicht einmal kennt. Obwohl wir uns so gut verstanden haben. Weißt du, wie ich mich dabei fühle?«

Die Schluchzer kann ich nun nicht mehr zurückhalten und ich wende beschämt den Kopf ab,damit er mich nicht so sieht. Es ist schon peinlich genug, dass ich es ihm tatsächlich erzählt habe. Ich höre ihn auch nicht antworten. Vermutlich habe ich es etwas zu weit getrieben.

»Tate«, kommt es dann doch leise von ihm. Er klingt bestürzt.

Vorsichtig luge ich hoch, die Schluchzer für einen Moment in den Hintergrund gedrängt.Seine Züge wirken vollkommen weich. Aber das bringt mich nur dazu, weitere Tränen zu verdrücken.

Kian schließt die Augen für ein paar Sekunden. Als er sie wieder öffnet, glänzen sie. »Sei bitte nicht traurig. Irgendwo gibt es den Einen, der genau richtig für dich ist.«

Wieder schluchze ich und ringe mir ein Lächeln ab, was aber direkt wieder in sich zusammenbricht. »Es macht mich nur ziemlich fertig, Kian. Ständig diejenige zu sein, die abgewiesen wird. Das tut einfach weh.«

Irgendetwas tut sich in ihm. Er sieht aus, als würde er innerlich mit sich ringen. Die Handflächen reibt er über seine stoffbedeckten Oberschenkel. Dann beißt er sich auf die Unterlippe und fährt sich durch seine dunkelbraunen unordentlichen Haare, die dadurch nur noch unordentlicher werden. Mit glühenden Augen sieht er mich an. »Ich würde dich nicht abweisen. Gott, Tate, weißt du, wie sehr ich dich nicht abweisen würde?«

Meine Atmung bleibt stehen, obwohl mein Herz rast. Es schlägt so schnell. Viel zu schnell. Es fühlt sich an, als würde es aus meiner Brust hüpfen wollen. Ich schlucke.

»Niemals, Tate. Niemals«, flüstert er. Sein Kehlkopf bewegt sich.

Meine Brust zieht sich auf seine Worte hin zusammen. Irgendwas flattert plötzlich in meiner Bauchgegend. Ich sage nichts. Ich weiß auch nicht, was. Ich schaue ihn nur an, weil seine dunkelbraunen Augen sich mit meinen verhaken und ich deshalb sowieso nicht wegsehen kann.

»Wieso nicht?«, hauche ich ungläubig.

Sein Gesicht ist so ernst, als er mit rauer Stimme sagt: »Weil ich unglaublich heftig auf dich stehe.«

Seine Worte bringen mich dazu, leise nach Luft zu schnappen. Ich fühle mich plötzlich nicht mehr in der Lage, meine Atmung zu kontrollieren. Wieder stolpert mein Herz auf dem Weg nach oben.

Ich weiß nicht, was mich dazu verleitet. Vielleicht ist es sein ehrlicher und tiefgründiger Blick aus seinen so dunklen Augen, dass ich mir nicht sicher bin, wie weit ich schon gesunken bin.

Vielleicht sind es aber auch seine Worte. Worte, die noch nie jemand zu mir gesagt hat und mich innerlich mit Flügeln ausstatten.

Vielleicht aber liegt es auch an dem Kribbeln in meinem Bauch, was ich auf einmal verspüre, als ich mir vorstelle, dass Kian mich berührt.

Schweigend schiebe ich die Decke von meinen Beinen und richte mich auf die Knie. Dabei beobachte ich Kians Reaktion haargenau. Wie er kaum merklich die Augen weitet und sich sein Kehlkopf bewegt, als er schluckt. Er sieht mich nicht an. Sein Blick ist stumm auf meine Bluse gerichtet, als ich ein Bein über seinen Schoß bringe, sodass ich meine Knie zu beiden Seiten seiner Hüfte stemmen kann.

Er sagt nichts. Er schiebt mich auch nicht von sich. Als ich mich langsam auf seine Oberschenkel sinken lasse, wandern seine Augen von meiner Bluse hoch in mein Gesicht, bis sie meinen Blick treffen. Ich strahle keine vollkommene Sicherheit aus. Ich weiß ja selbst nicht, was ich hier tue. Ich weiß nur, dass mein Körper glüht.

»Was tust du da?«, fragt er mich mit belegter Stimme, sodass ein wohliger Schauer an meinem Nacken entsteht. Ich mag diese Stimmfarbe.

Ich schlage die Augenlider nieder und beiße mir auf die Unterlippe, als sich meiner Finger in die Sofalehne krallen. »Ich bin mir nicht sicher«, flüstere ich und schaue durch meine Wimpern wieder zu ihm auf.

Kian gibt einen kehligen Laut von sich, als seine Arme plötzlich um meine Taille greifen und mich enger an sich ziehen, sodass mein Bauch seinen berührt und unsere Hüften aufeinander stoßen. Hitze breitet sich in mir aus.

Zischend halte ich die Luft an. Meine Hände greifen automatisch um seine Schultern, um Halt zu finden. Sein Atem streift mein Schlüsselbein. Vorsichtig lasse ich meine Hände von seinen Schultern entlang seiner Muskeln in seinen Nacken gleiten. Meine Fingerspitzen wühlen sich in seine unteren Kopfhaare. Kian presst die Zähne aufeinander. Seine Finger verkrampfen sich an meinem Rücken, ehe sie sich wieder entspannen und zu meiner Taille wandern.

Mein Bauch explodiert gleich.

Die dunklen Haarsträhnen in seiner Stirn lassen ihn so gut aussehen, dass ich innerlich die Augen verdrehe und ein Stöhnen unterdrücke.

Seine Fingerspitzen rutschen ein wenig nach unten, bis sie den Bund meiner Shorts erreichen. Dann schlüpfen sie unter meine Bluse und berühren meine nackte Haut.

»Kian«, flüstere ich. Ich weiß nicht einmal, was ich damit erreichen will. Aber als er seine Hüfte ein Stück nach oben hebt, ist es mir auch vollkommen egal. Denn mein Körper brennt.

In diesem Moment denke ich nicht über Levin nach. Ich denke nicht darüber nach, was er vielleicht gerade mit Steph macht. Alles, woran ich denken kann,sind Kians Hände auf mir und an das ziehende Gefühl in meiner Magengrube. An das warme Stechen, was sich in mir ausbreitet und mich dazu bringt, nicht jugendfreie Gedanken zu hegen.

Er entfernt eine Hand von meinem Rücken, befreit sie aus meiner Bluse und legt sie schließlich auf meinen nackten Oberschenkel, um mich näher an sich zu ziehen. Meine Brüste streifen dabei seinen Oberkörper, woraufhin er seine Lippen einen Spalt öffnet und auf meine Oberweite sieht. »Tate«, atmet er schwer. »Du erregst mich. Sehr.«

Schmunzelnd schiebe ich meine Hüfte weiter vor. Oh ja. Dass er erregt ist, spüre ich. Seufzend grabe ich meine Hände tiefer in sein Haar. Als seine Finger meinen Oberschenkel hinauf gleiten, den Saum meiner Shorts nachzeichnen und letztlich darunter verschwinden, kribbelt meine ganze Haut. Überall. Seine Berührungen fühlen sich wie tausend, heiße Nadelstiche an, die mich regelrecht zum Verbrennen bringen.

Kian richtet sich auf, kommt mir entgegen, sodass ich mich ein Stück nach hinten beuge, und sieht mir in die Augen. Seine eine Hand umgreift meine Taille, während die andere meine Halsschlagader nachfährt und meine Haare über die Schulter nach hinten streicht. Doch seine Augenblicken noch immer in meine. »Jeder Typ sollte sich glücklich schätzen, wenn du ihn willst«, sagt er leise und richtet seinen Blick dann auf meinen Mund.

Er beugt sich noch weiter vor. Doch dieses Mal komme ich ihm entgegen und seufze himmlisch auf, als seine Lippen hauchzart meinen Hals streifen. Sie berühren die empfindliche Stelle unter meinem Ohr und ich bekomme eine Gänsehaut. Als Kian anfängt, leichte Küsse dort zu verteilen, stöhne ich auf. Nicht laut. Aber deutlich zu erkennen, dass ich fernab von dieser Welt bin.

Er entfernt sich wieder von mir. Die Augen geschlossen. Am liebsten würde ich ihm das Shirt vom Oberkörper reißen und das Ganze wiederholen. Nur bei ihm. Überall.

Er lehnt sich wieder zurück und ich folge ihm. Meine Hände gleiten von seinem Nacken zu seiner Brust nach unten. Ich spüre die Muskeln unter meinen Fingerspitzen und beiße mir auf die Unterlippe. Dann umgreife ich den Saum seines weißen Shirts und schiebe ihn ein wenig nach oben, während sich unsere Münder weiter nähern.

Als meine Unterlippe seine Oberlippe streift und ich denke, dass ich es nicht mehr aushalte, hält Kian plötzlich meine Handgelenke fest, was mich stoppen lässt. Schwer atmend blicke ich von seinen Lippen auf in seine Augen. Er presst den Kiefer zusammen. »Das, was ich gesagt habe, meinte ich ernst.«

Ich nicke. Meine Finger bewegen sich unter seinem Griff. Ich will ihn endlich berühren. Doch er lässt mich nicht.

Als er seine Hände vorsichtig von meinen nimmt, denke ich, dass er mir die Erlaubnis gibt, da weiter zu machen, wo er mich unterbrochen hat. Aber stattdessen beugt er sich vor, bringt seine Lippen an meine Wange, wo sie meinen Kiefer nach fahren und schließlich an meinem Ohr halten. »Zwing mich nicht, dich abzuweisen, Tate. Denn das will ich nicht. Und das kann ich auch nicht.« Seine Stimme ist so rau und gefühlvoll, dass ich die Augen schließe und ein Stöhnen unterdrücke.

Aber als nach und nach die Bedeutung seiner Worte zu mir durchsickert, schlage ich rasch die Augen auf und starre ihn erschrocken an. »Was?«

Langsam entfernt er meine Hände von seinem Oberkörper, während er so aussieht, als könne er selbst nicht glauben, dass er das gerade wirklich tut.

Und ich kann es auch nicht. Denn ich sehne mich danach, ihn zu berühren. Und offensichtlich tut er das auch.

»Ich bin schwach, wenn es um dich geht, Tate«, erklärt er kehlig und wendet kurz den Blick ab. »Aber du hast Gefühle für einen anderen Jungen, während du noch einem anderen hinterher trauerst. Das ist nicht fair.«

Ich fühle mich wie vor den Kopf gestoßen. Ein Schlag in den Magen. Ein Schuss ins Herz. Als hätte man das Kribbeln auf meinem Körper wie ein Pflaster abgerissen. »Ich trauere dem Typen nicht hinterher«, versuche ich mich zu erklären. In der Hoffnung, dass es irgendetwas besser macht.

Kian schluckt. »Aber du hast Gefühle für Levin.«

Ich öffne den Mund, weil ich etwas sagen will. Aber kein Ton verlässt meine Kehle. Der Schmerz, der sich in seinem Gesicht abzeichnet, ist unerträglich. Plötzlich fühle ich mich unglaublich schlecht. »Ich . . .«, . . . lasse mich benommen neben ihm auf das Sofa fallen und starre auf einen leeren Punkt im Raum. Sofort breitet sich eine Kälte auf meiner Haut aus, die Kian zuvor noch erfolgreich beseitigt hat. »Ich . . .«

Er schüttelt den Kopf. »Du musst nichts sagen. So ist das eben.«

Ich will ihm sagen, dass das nichts mit Levin zu tun hatte. Dass das eine Sache zwischen uns beiden war. Dass das Kribbeln in mir nur seine Schuld war. Aber ich sage es nicht. Ich bleibe stumm. Weil ich Angst habe. Weil ich selbst nicht weiß, was ich gerade getan habe.

Kian steht auf. Er richtet sein Shirt und fährt sich frustriert durch die Haare. Durch seine weichen Haare. »Mach dir keine Gedanken«, sagt er, während er so aussieht, als würde er sich tausende machen.

Ich nicke. Obwohl ich weiß, dass das gelogen ist. Als Kian sich umdreht und vermutlich in sein Zimmer gehen will, bricht etwas in mir. »Kian?« Hoffnungsvoll dreht er sich um. Es bricht mir das Herz, ihn so zusehen. »Es tut mir leid.«

Er presst die Lippen aufeinander und nickt. Es dauert eine Weile, bis er sich zum Weitergehen überreden kann. Doch als er es schafft, blickt er auch nicht mehr zurück.

Ich schlage mir die Hand vor den Mund und unterdrücke ein Schluchzen. Doch als es zu viele werden, lasse ich sie einfach raus. Die Tränen rollen über meine Wangen, machen mein Kinn, meinen Hals und meine Bluse nass. Was habe ich nur getan? Musste ich mir so dringend beweisen, dass ich nicht nur abgewiesen, sondern auch begehrt werde?

Aber wieso fühle ich mich dann so, als wäre ein Stück meines Herzens aus meiner Brust gerissen worden und Kian hätte es mitgenommen?

a/n:
olla olla, was geht denn hier ab?

ich hab noch zwei weitere kapitel und dann wars das. die geschichte ist dann zuende

wollt ihr die beiden kapitel noch lesen oder eher nicht? oder nur eins davon und dann morgen abend das "finale"? denn das letzte ist noch nicht ganz fertig und würde erst später online kommen

kiss you <3

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