Keepers of Fate [abgeschlosse...

By Dumai94

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Sarah ist überglücklich nach vielen Jahren wieder nach Hawaii zu fliegen, um ihren Onkel wiederzusehen. Ent... More

Vorwort
Prolog: Nathan
1. Kapitel: Sarah
2. Kapitel: Nathan
3. Kapitel: Sarah
4. Kapitel: Nathan
5. Kapitel: Sarah
6. Kapitel: Nathan
7. Kapitel: Sarah
8. Kapitel: Nathan
9. Kapitel: Sarah
10. Kapitel: Nathan
11. Kapitel: Sarah - Teil 2
11. Kapitel: Sarah - Teil 3
11. Kapitel: Sarah - Teil 4
12. Kapitel: Sarah & Nathan - Teil 1
12. Kapitel: Sarah & Nathan - Teil 2
13. Kapitel: Sarah
14. Kapitel: Nathan
15. Kapitel: Sarah
16. Kapitel: Nathan
17. Kapitel: Sarah
18. Kapitel: Nathan - Teil 1
18. Kapitel: Nathan - Teil 2
19. Kapitel: Sarah
20. Kapitel: Nathan
21. Kapitel: Sarah
22. Kapitel: Sarah & Nathan - Teil 1
22. Kapitel: Sarah & Nathan - Teil 2
23. Kapitel: Sarah
Epilog

11. Kapitel: Sarah - Teil 1

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By Dumai94


Donnerstag, 06. August

Es war alles andere als leicht mit meinem Onkel. Ich wusste einfach nicht mehr, wie ich mich ihm gegenüber verhalten sollte und er gab mir auch keine Möglichkeit mit ihm zu sprechen. Es fühlte sich wie eine Art unsichtbare Barriere zwischen uns an, die keiner von uns zu überwinden vermochte. Nathan fehlte mir unheimlich, aber ließ mich einfach nicht an sich ran. Es war traurig mit anzusehen, wie unser Verhältnis immer zueinander immer eisiger wurde.

Nachdem ich in den letzten Tagen fast pausenlos über diese verzwickte Geschichte nachgedacht hatte, war ich mir immer unsicherer, was ich tun oder denken sollte. Wenn ich nicht mit Kaden verabredet wäre, wäre ich vielleicht doch mal Nate nachgegangen. Aber um was zu sehen und zu erfahren? Manchmal fragte ich mich auch schon, ob ich nun völlig irregeworden war. Natürlich konnte ich alles, was ich nun glaubte zu wissen und erfahren hatte nicht wirklich einfach hinnehmen, geschweige denn akzeptieren, aber verunsichern tat es mich selbstverständlich schon. Wie sollte es auch anders sein, wenn plötzlich zwei unabhängige Leute von irgendwelchem Blödsinn über tyrannische, bösartige Götter anfingen und ich mich schon extrem zusammenreißen musste, nicht sofort die Männer in den weißen Jacken zu rufen. Klar, es gab durchaus Hinweise auf die Richtigkeit dieser kranken Freakshow, aber trotzdem... Götter? Verdammte Diener? Mörder? Mythologiegeschichten?

Mir schwirrte einfach der Kopf. Im Moment wusste ich eigentlich gar nicht mehr, was gerade tatsächlich um mich herum passierte. Und zwischendrin war ich und die verrückte Klette von heute Morgen, bei der ich noch eine ganze Weile gebraucht hatte, um sie aus Nates Apartment zu bugsieren.

In letzter Zeit typisch Nate: Einen wie immer höchst seltsamen und mysteriösen Anruf bekommen und dann sofort alles stehen und liegen lassen, um wie ein Hund wohin auch immer zu hechten, um was auch immer zu tun.

„Du bist ja heute überall, bloß nicht hier", sprach Kaden mich vorsichtig an, was mich dummerweise völlig zusammenzucken ließ. „Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken", setzte er hastig hinzu und blieb stehen, als er wohl zu erkennen schien, wie sehr er mich gerade aus den Gedanken gerissen hatte. „Hey, was ist denn los mit dir heute Morgen?"

Ich war so verwirrt, dass ich für einen kurzen Moment nicht einmal mehr wusste, was wir gerade taten und wo ich gerade war, doch dann fiel es mir glücklicherweise doch ganz schnell wieder ein. Wir waren in Kona auf der Hauptstraße unterwegs, direkt an der Strandpromenade. Auf dem Weg zu einem Kumpel von Kaden, den er mir unbedingt vorstellen wollte, weil er scheinbar auch ein großes Wissen über die hawaiianische Mythologie teilte – genau wie Kaden. Er hatte mich eine ganze Weile bearbeiten müssen, bis ich eingewilligt hatte. Noch war mir der Sinn und Nutzen dieses Unterfangens nicht ganz klar. Natürlich setzte Kaden mich nicht unter Druck, aber gleichermaßen redete er immer und immer wieder auf mich ein, dass ich ihm doch bitte glauben sollte. Dass es die Wahrheit wäre und mein Leben davon abhing – ganz abgesehen von dem von Nate. Das hatte er bei dieser Gelegenheit zwar auch noch beigefügt, aber ich konnte mir bei seinem Verhalten ihm gegenüber nicht wirklich vorstellen, dass es ihn scheren würde, wenn meinem Onkel etwas zustoßen würde. Nach wie vor rätselte ich darüber, was ich von Kaden halten sollte.

„Kaden, was machen wir hier?", murmelte ich schließlich und blieb stehen. Kaden ging nur zwei Schritte weiter, blieb aber sofort ebenfalls stehen und kam zurück zu mir, als er mein Anhalten bemerkte.

„Das habe ich dir doch...", begann er in seinem typischen erklärenden Tonfall, doch ich schüttelte nur den Kopf, was ihn verstummen ließ.

„Ich meine... Was soll das alles hier? Ich verstehe es einfach nicht. Spielen mir alle hier nur einen Streich oder... Werde ich langsam verrückt?", fragte ich ihn matt, senkte den Kopf und lauschte für eine Weile konzentriert den tosenden Wellen.

„Sarah, jetzt beruhige dich bitte mal", versuchte Kaden leise mich zu beschwichtigen und legte mir seine raue Hand unters Kinn, um es leicht anzuheben.

Bei dieser Geste konnte ich einfach nicht anders, als aufzusehen. In diese wunderschönen Augen, die mir entgegen strahlten. Zunächst wirkte er sehr ernst, doch dann versuchte er sich in seinem typischen leicht ins komische gezogene Lächeln. Diesmal wirkte es etwas gezwungen, aber doch hatte es eine ungemein beruhigende Wirkung auf mich. Ein wohliges, warmes Gefühl machte sich in meiner Magengrube breit und ich konnte einfach nicht anders, als ebenfalls zu lächeln. Dies waren die Momente, die für mich aktuell mit Abstand am Wertvollsten waren.

„Du musst mir glauben, wenn ich dir sage, dass alles in Ordnung kommen wird. Verstehst du, Sarah?", flüsterte er sanft, trat näher an mich und legte seine heiße Stirn an meine. Ich spürte seinen Atem auf meinem Gesicht und die Wärme, welche von seinem so nahe gelegenen Körper ausging. „Vertraust du mir?", fragte er nach einigen Momenten, verblieb aber in der aktuellen Haltung. Seine eine Hand strich mir sanft übers Haar.

„Ja, ich denke schon", erwiderte ich zögerlich, doch das schien ihm zu genügen.

Klar, ich kannte Kaden noch nicht lange, aber er war im Moment mein einziger Anhaltspunkt. In dieser schweren Zeit war er definitiv der Einzige, bei dem ich mir wirklich wohl fühlte. Ich mochte ihn gern, aber trotzdem wusste ich nicht, wo mir der Kopf stand. Was hatte es nur mit dieser abgedrehten Geschichte auf sich? Er schien jedenfalls felsenfest davon überzeugt zu sein, dass sie wahr war. Es kam mir gerade so vor, als ob ich mir innerlich noch unschlüssig war, aber irgendetwas sagte mir, dass ich ihm einfach vertrauen musste und ich schon noch erfahren würde, was hinter all diesem Wahnsinn steckte.

„Das ist gut. Ich rechne dir das hoch an weißt du? Du bist wirklich das tapferste Mädchen, was ich kenne, Sarah", sagte Kaden jetzt, nahm seinen Kopf wieder etwas zurück und sah mir tief in die Augen. Mit seinen Händen umfasste er mein Gesicht und strich mir eine Strähne aus meinem Blickfeld und hinters Ohr.

Mein Herz raste plötzlich, obwohl ich eigentlich nicht nervös war. Zumindest nahm ich das an. Wieso sollte ich auch nervös sein? Schließlich gab es dafür ja überhaupt keinen Grund oder?

„Du bist wunderschön, wenn die Sonne deine Augen so zum Leuchten bringt", murmelte Kaden, woraufhin ich schnell und intuitiv den Kopf senkte, auch wenn mir nicht klar war wieso. Ich hörte ihn unterdrückt etwas kichern, doch das nahm ich nur unterbewusst wahr, als seine Lippen nun ganz unvorbereitet meine Stirn küssten.

Moment... Passierte das gerade wirklich? Ich spürte deutlich die warmen und sanften Lippen auf meiner Haut. So schnell wie sie gekommen waren, waren seine wärmenden Lippen auch schon wieder verschwunden. Irritiert schlug ich die Augen auf. Mir war jetzt erst aufgefallen, dass ich sie reflexartig geschlossen gehalten hatte. Gleichzeitig holte ich auch erst einmal tief Luft, welche ich unbeabsichtigt auch angehalten hatte. Suchend sah ich nach oben und begegnete sofort wieder seinem nun viel herzlicher wirkenden Lächeln. Scheinbar wirkte ich nicht nur innerlich, sondern auch äußerlich verwirrt, denn jetzt begann Kaden zu lachen.

„Tut mir leid, ich wollte dich nicht überrumpeln", gestand er, ließ mich aber für keine einzige Sekunde los.

Kurze Zeit starrte ich ihn einfach nur an und sein Lachen verebbte so schnell, wie es auch gekommen war. Offenbar machte er sich Sorgen, denn nun wirkte er wieder etwas ernster.

„Hey, wenn du nicht willst, dass... Hör mal, vielleicht hätte ich besser...", versuchte er auf einmal hörbar verunsichert zu erklären, doch ich ließ ihn nicht aussprechen. Noch nie hatte ich ihn so erlebt. Er hatte wirklich Angst, etwas falsch gemacht zu haben.

Kurzerhand schüttelte ich energisch den Kopf, überwand die kleine Lücke zwischen uns und umarmte ihn. Es war einfach ein Impuls und obwohl ich diesmal an der Reihe war ihn zu überrumpeln, legte er dann doch schnell seine Arme fest um meinen Rücken und presste mich an sich. Kaden war so groß, dass ich meinen Kopf nicht über seine Schulter bekam, also legte ich diesen kurzerhand seitlich an seine Brust. Ich hörte und spürte seinen Herzschlag und in gewisser Weise beruhigte es mich doch, dass dieser fast so schnell war wie meiner. Ganz so ruhig wie er sich von außen gab, war er also doch nicht. Erstaunlich, dass jemand das so gut verbergen konnte.

„Du musst dich nicht entschuldigen... Ich...", stammelte ich um Worte ringend.

Mir war echt nicht ganz klar, was ich aktuell nun davon halten sollte. Von dieser ganzen Situation. Was empfand ich für Kaden? War das tatsächlich mehr als eine einfache Freundschaft? Störte mich die Nähe zu dem hawaiianischen Jungen? Nein, im Gegenteil, es verursachte ein Gefühl in mir, welches ich nur schwer beschreiben und in Worte fassen konnte. Ich wollte nicht versuchen ihm auszuweichen oder ihn gar von mir zu stoßen. Es machte mir nichts aus, dass Kaden ab und an meine Nähe suchte und mich manchmal sogar – wenn auch bemüht unabsichtlich – berührte.

„Hey, ist alles okay bei dir? Du wirkst so in Gedanken", holte Kaden mich zurück in die Realität und sah mich nun wieder offenkundig besorgt an, nachdem er sich vorsichtig und nicht aus Unbehagen wieder von mir löste. Vielleicht merkte er einfach, dass ich gerade nicht genau wusste, was ich eigentlich tat.

Intuitiv wich ich ein kleines Stück vor ihm zurück, obwohl ich dadurch seine angenehme Berührung verlor. Gleichzeitig schüttelte ich hastig den Kopf.

„Ähm... Es ist alles okay, mach dir keinen Kopf", murmelte ich irgendeinen unsinnigen Müll daher und hätte mich am liebsten direkt schon selbst geschlagen für meine dumme Reaktion. „Kaden, können wir vielleicht...", begann ich nachdem ich meinen Herzschlag wieder ein kleines bisschen verlangsamen konnte und nahm vorsichtig seine linke Hand in meine, doch dann fiel mein Blick plötzlich auf eine Frau, welche unmittelbar an uns beiden vorbeiging und auf einen nahegelegenen Laden zusteuerte.

„Was?", fragte Kaden jetzt nach, nachdem ich mich selbst unterbrochen hatte. Er schien meinen abgelenkten Blick zu bemerken und folgte ihm, bemerkte allerdings nichts.

Ich wusste nicht, wieso mir diese Person auf einmal so ins Auge stach, denn schließlich hatte ich bis eben unsere komplette Umwelt einfach vollständig ausgeblendet gehabt. Was war es also, was mich so aus dem Konzept brachte?

„Kennst du diese Frau da hinten, Kaden?", fragte ich ihn jetzt, woraufhin er wieder zu mir sah und mich unschlüssig musterte.

Ich konnte es ihm nicht verübeln, der rasante Themenwechsel war drastisch und auch in gewisser Weise unangenehm, aber gleichermaßen war es mir ganz recht, dass ich diese komische Situation nicht hier und jetzt mit ihm besprechen musste. Somit hatte ich noch etwas Zeit, um mir eine Meinung über dieses Chaos zu bilden. Nachdem er merkte, dass es mir wirklich ernst war, drehte er sich erneut um und sah ebenfalls zu der Frau, die mittlerweile vor dem Laden zum Stehen gekommen war und beiläufig durch die Klamotten ging, die dort auf einigen äußeren Ständern aufgehängt waren.

„Nein, wieso? Kennst du sie?", meinte Kaden und sah mich fragend an.

„So genau kann ich dir das auch nicht sagen, aber irgendwie kommt sie mir verdammt bekannt vor", erklärte ich schwammig, als mir ein Gedanke kam. „Warte mal, ich glaube ich habe eine leise Vorahnung", sagte ich abwesend und holte meinen Geldbeutel aus meiner Handtasche.

„Was machst du denn?", hakte er nach und sah mich irritiert an, als ich wie wild in meiner Tasche nach meiner Börse kramte und das Bild herausholte, was ich in einem der Briefe gefunden hatte.

Mit festem Blick untersuchte ich das Porträt und sah dann wieder auf. Die Frau stand unverändert dort und konzentrierte sich auf die Sparangebote und das dummerweise jetzt immer so, dass ich ihr Gesicht nicht mehr sah.

„Ich schwöre dir: Diese Frau dort drüben sieht genauso aus wie die, die dort drüben steht", klärte ich ihn auf und zeigte mit dem Kopf hinüber. Zunächst sah er wieder zu ihr, doch logischerweise sah er ebenfalls ihr Gesicht nicht, wendete sich also wieder mir zu und stellte sich so neben mich, dass er auch einen näheren Blick darauf werfen konnte.

„Wie diese Frau auf diesem uralten Bild? Sarah, das ist unmöglich. Die Person lebt doch schon seit vielen Jahren nicht mehr", antwortete Kaden ungläubig und musterte mich erneut fragend. Ich erwiderte seinen Blick.

„Ich weiß, es klingt komplett verrückt und ist völlig unmöglich, aber sie ist es", beharrte ich und verengte meine Augen jetzt konzentriert und bohrte unsichtbare Löcher in den Rücken der Frau. „Dreh dich endlich wieder um", murmelte ich leise und ich merkte, wie Kaden ebenfalls den Blick von mir abwendete und wir beide nun wie zwei Irre diese Frau dort drüben anstarrten.

Es dauerte eine halbe Ewigkeit und ich war bereits am Überlegen, ob ich es aufgeben und einfach hinüber gehen sollte, doch dann passierte es doch. Die Frau drehte sich um und sah sogar für einen kurzen Moment genau in unsere Richtung.

Als ich erneut einen Blick auf sie erhaschen konnte, setzte mein Herz fast einen Schlag aus. Vor lauter Überraschung packte ich Kaden am Unterarm und drückte so fest zu, dass es ihm mit Sicherheit das Blut etwas abschnürte, aber er sagte nichts.
„Ich fasse es einfach nicht! Wie kann... Das ist doch nicht möglich!", rief ich fast schon panisch.
„Wer ist denn diese Frau auf dem Bild eigentlich? Das ist vielleicht auch einfach nur ein Zufall", meinte Kaden sachlich und natürlich hatte er recht, solche Momente hatte ich schon oft erlebt, aber das hier war etwas komplett anderes.

„Das ist Samantha Collins. Ich habe unter dem Bett meines Onkels alte Briefe gefunden", begann ich, woraufhin er fragend eine Augenbraue nach oben zog. „Ja, ich weiß, aber es musste sein. Sonst bekomme ich ja keine Informationen. Jedenfalls... Diese Frau sieht exakt genauso aus! Sieh dir das Bild doch mal genauer an!", bestand ich und fuchtelte wie wild mit dem Porträt vor seinem Gesicht herum, bis er es mir schließlich aus der Hand riss.

„Sarah, das kann nicht sein. Das ist einfach bloß ein großer Zufall, auch wenn ich zugeben muss, dass eine gewisse Ähnlichkeit auf jeden Fall besteht", gab Kaden zu, während er das Bild eindringlich studierte.

„Siehst du? Ich habe es doch gesagt! Das ist Samantha Collins! Oder zumindest eine Nachfahrin von ihr!", gackerte ich aufgeregt.

„Das siehst du doch von hier hinten gar nicht. Das ist bestimmt eine Verwechselung. Wieso hast du das Bild überhaupt bei dir?"

„Das spielt doch jetzt keine Rolle, Kaden. Ich muss mit ihr sprechen! Unbedingt!", erklärte ich und wollte gerade los, da hielt Kaden mich energisch am Arm zurück.

„Nein, das solltest du lassen. Sie ist es nicht, glaub mir doch einfach mal", versuchte er eindringlich mich davon abzubringen. Daran merkte man, dass er mich noch nicht lange genug kannte. Wenn er das täte, dann wüsste er, dass es in den meisten Fällen zwecklos war mich von etwas abzubringen.

„Ich muss sie fragen! Kaden, ich muss einfach! Dieses eine Mal musst du mir vertrauen", beharrte ich und sah ihm tief in die Augen. So tief, dass mein Herz dank ihm nun wieder einen enormen Satz machte und sich ganz seltsam anfühlte.
Ich hörte ihn leise seufzen, doch dann lächelte er wieder sein schräges Lächeln und ließ mich schlussendlich los.

„Also schön, ich kann dich offensichtlich sowieso nicht davon abbringen. Ich warte hier auf dich, okay? Bitte beeil dich aber", knickte er dann doch ein und ließ mich augenblicklich los. 

Glücklicherweise hatte die Frau sich kaum weiterbewegt, seit ich nicht mehr auf sie geachtet hatte. Sie stand nun lediglich vor dem Laden direkt links neben dem anderen. Wieder konnte ich nur ihren Rücken sehen und nachdem ich fast direkt hinter ihr war, zögerte ich kurz sie dann tatsächlich anzusprechen, doch dann nahm ich meinen gesamten Mut zusammen. Vermutlich war diese Nervosität dumm, denn wahrscheinlich würde sich rausstellen, dass diese Frau gar nichts mit diesem Bild zu tun hatte. Fragen musste ich dennoch. 

„Entschuldigung... Ähm... Sind Sie... Samantha Collins?", fragte ich vorsichtig und räusperte mich verlegen kurz darauf.

Die Frau vor mir fuhr leicht zusammen, da sie wohl nicht damit gerechnet hatte, dass jemand unmittelbar hinter ihr stand, doch dann drehte sie sich zu mir um und lächelte mich höflich an. Der Wahnsinn! Es war wirklich sie! Ich wäre beinahe umgekippt, wenn ich mich nicht im allerletzten Moment noch zusammengerissen hätte.

„Himmel, hast du mich erschreckt, Mädchen! Ja, das bin ich aber woher... weißt du das überhaupt?", wollte sie irritiert wissen.

"Das kann doch gar nicht wahr sein", flüsterte ich ehrfürchtig und starrte Samantha ungläubig an. Diese Augen. Genau wie auf dem uralten Bild, welches ich immer noch in meiner zittrigen Hand hielt.

"Was denn? Wie heißt du überhaupt? Du kennst meinen Namen, wie ist denn deiner?", tastete sich Samantha vorsichtig vorwärts, aber trotz ihres freundlichen Lächelns entging mir natürlich nicht, wie sie intensiv über diese obskure Situation nachdachte.

"Sarah", antwortete ich angespannt und schielte erneut unauffällig auf das Porträt.

"Okay, Sarah. Also, woher kennst du mich oder zumindest meinen Namen?", fuhr sie fort und musterte mich neugierig von Kopf bis Fuß. "Moment mal, irgendwie kommst du mir doch bekannt vor. Du siehst jemandem den ich mal kannte sehr ähnlich", meinte sie plötzlich und ich merkte, als ich erneut aufsah, wie ihr kurz ein Schatten übers Gesicht huschte.

"Wirklich? Wem denn?", wollte ich sofort wissen, denn jetzt war meine eigene Neugierde unzügelbar geworden.

"Nicht so wichtig", murmelte Samantha und hatte für einen kurzen Moment einen abwesenden Ausdruck in den Augen. Da fiel ihr Blick auf das Bild, welches ich immer noch fest umklammerte.

 „Woher hast du das?", fragte sie nun aufgebracht und riss es mir kurzerhand aus der Hand.

"Ähm von meinem Onkel", stammelte ich perplex.

"Wie heißt dein Onkel, Sarah?", wollte sie nun sofort wie aus der Pistole geschossen wissen, nachdem sie einige Sekunden lang schweigend das alte Porträt angestarrt hatte. Als ich nicht sofort antwortete, legte sie mir eine Hand auf die Schulter und drückte sie fest. "Sag schon!"

"Er... heißt Nathan", sagte ich schließlich und wartete gespannt auf ihre Reaktion. Ich spürte den festen Blick von Kaden nun noch deutlicher auf mir ruhen, da er wohl zu merken schien, dass ich irgendwie recht gehabt hatte.

"Also doch", meinte sie jetzt sichtlich verstört und geschockt und ließ wieder ab von mir.

"Du kennst ihn?", fragte ich nun hellwach und mit weit aufgerissenen Augen.

"Viel mehr als das", beichtete sie und der traurige Ausdruck kehrte wieder zurück. 

Ich hatte das verdammt ungute Gefühl, dass viel mehr hinter diesem Foto und der Frau darauf steckte. So ganz begriff ich immer noch nicht, dass die Samantha, welche jetzt in diesem Moment vor mir stand, wirklich exakt denselben Namen und dieselbe Optik hatte. Ich war so gespannt auf ihre Geschichte und was sie mit Nate zu tun hatte.

"Hast du Zeit? Dann können wir einen guten Kona-Kaffee trinken gehen und reden", schlug Nates Bekannte nun vor, woraufhin ich mich intuitiv zu Kaden umdrehte, der immer noch wie angewurzelt an der gleichen Stelle wie vorhin stand. Fast schon wie eine Statue.

"Habe ich doch recht gehabt. Dein Freund starrt dich schon die ganze Zeit äußerst wachsam an. Ihr beide gehört zusammen, stimmt's?", stellte sie nun fest und lächelte wieder sanft, als ich meine Aufmerksamkeit wieder ihr zukommen ließ.

"Kaden? Nein, das ist nicht mein Freund. Wir sind nur..."

"... Freunde? Na, ich glaube kaum, so wie er dich ansieht und jeden Moment bereit wäre loszuspringen und dich zu verteidigen", meinte Samantha schmunzelnd und zwinkerte mir wissend zu. 

Ich merkte, wie ich rot anlief und mein Herz schlagartig wieder einen schnelleren Rhythmus einschlug.

"Ich sehe schon, ich liege richtig, aber ich will dich damit nicht aufziehen, Sarah. Im Gegenteil! Das wird schon werden irgendwann. Ich sehe es euch an. Wenn du möchtest, kannst du ihn gerne mitnehmen. Er sieht sehr sympathisch aus", schlug sie vor.

Ich seufzte und versuchte meine Gedanken wieder zu ordnen. Sollte ich ihn hier stehen lassen und allein zu dem eigentlich geplanten Treffen schicken? Sollte ich das Treffen mit Samantha verschieben, was mir eventuell viele offene Fragen beantworten konnte? Sollte ich Kaden mitnehmen? Klar, ich kannte diese Samantha vor mir nicht, aber ich spürte eine deutliche Verbindung zu den Ereignissen rund um Nate. Gleichermaßen wäre es meiner Meinung nach aber auch von Vorteil, wenn ich noch ein weiteres paar Ohren dabei hätte. Irgendwie fühlte ich mich einfach wohler und sicherer, wenn Kaden dabei war.

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