Keepers of Fate [abgeschlosse...

By Dumai94

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Sarah ist überglücklich nach vielen Jahren wieder nach Hawaii zu fliegen, um ihren Onkel wiederzusehen. Ent... More

Vorwort
Prolog: Nathan
1. Kapitel: Sarah
2. Kapitel: Nathan
3. Kapitel: Sarah
4. Kapitel: Nathan
5. Kapitel: Sarah
6. Kapitel: Nathan
7. Kapitel: Sarah
8. Kapitel: Nathan
9. Kapitel: Sarah
11. Kapitel: Sarah - Teil 1
11. Kapitel: Sarah - Teil 2
11. Kapitel: Sarah - Teil 3
11. Kapitel: Sarah - Teil 4
12. Kapitel: Sarah & Nathan - Teil 1
12. Kapitel: Sarah & Nathan - Teil 2
13. Kapitel: Sarah
14. Kapitel: Nathan
15. Kapitel: Sarah
16. Kapitel: Nathan
17. Kapitel: Sarah
18. Kapitel: Nathan - Teil 1
18. Kapitel: Nathan - Teil 2
19. Kapitel: Sarah
20. Kapitel: Nathan
21. Kapitel: Sarah
22. Kapitel: Sarah & Nathan - Teil 1
22. Kapitel: Sarah & Nathan - Teil 2
23. Kapitel: Sarah
Epilog

10. Kapitel: Nathan

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By Dumai94


Dienstag, 04. August

Ich war so in Gedanken diesen Morgen, dass ich nicht einmal genau sagen konnte, der wie vielte Kaffee das gerade war, den ich mit einem großen Schluck leerte. Normalerweise war ich gar kein extremer Kaffeetrinker, aber in den letzten Tagen fiel es mir mehr als nur schwer mich nicht meiner neu gefundenen Koffeinsucht hinzugeben. Vor allem nach dem vielen Alkohol an dem einen Abend war es eine kluge Entscheidung lieber auf das braune Getränk umzusteigen, auch wenn doch viel lieber zu etwas Hochprozentigerem gegriffen hätte. Sarah brachte mich noch zur Weißglut und ich ertappte mich immer öfter dabei, wie schlimme Gedanken meinen Verstand kreuzten, von denen ich nicht sicher sagen konnte, woher sie kamen.

Der Streit mit Sarah war nun schon eine ganze Weile her. Ich hatte sie lange nicht mehr gesehen, geschweige denn richtig mit ihr gesprochen. Die Stimmung war recht eisig seit der Nacht und den Vorkommnissen mit dem Hawaiianer am Strand. Sarah war kaum noch hier bei mir, aber vermutlich war das auch besser so. Trotzdem interessierte es mich brennend, wo sie sich herumtrieb. Ich hatte noch nicht wirklich die Gelegenheit gehabt, um sie das zu fragen. Sie war schließlich nur noch zum Schlafen da. Zum Essen äußerst selten. Oft verpassten wir uns auch einfach nur, denn natürlich merkte ich es, wenn sie dann mal hier gewesen war. Vielleicht sahen wir uns mal zum Frühstück, aber selbst das verlief ziemlich ruhig und kam äußerst selten vor.

Ich war nicht blöd, ich hatte schon meinen Verdacht mit wem sie sich herumtrieb, aber ich sollte besser nicht so viel darüber nachdenken. Jedes Mal wenn ich daran dachte, begann etwas tief in meinem Innern zu lodern. Etwas, wogegen ich immer stärker ankämpfen musste. Mir ging immer wieder die Frage durch den Kopf, ob ich sie nicht einfach ihr Ding machen lassen sollte, bis sie wieder auf dem Weg zum Festland war. Das würde uns beiden wohl eine Menge Ärger ersparen und mich nicht weiter in Versuchung führen.

Es klingelte und ich erschrak so, dass ich beinahe meine Tasse fallen gelassen hätte. Rasch wischte ich mir den verschütteten Kaffee mit dem Handrücken vom Mund, stellte die Tasse ab und ging zur Haustür. Ich ignorierte den Türspion, bereute es aber schon in dem Moment, in welchem ich erkannte, wer mich da schälmisch anlächelte.

„Liz? Was machst du denn hier?", stöhnte ich fast schon und tat mir schwer damit, dem Impuls zu widerstehen, ihr einfach wieder die Tür vor der Nase zuzuschlagen.

„Was soll das denn bitte für eine Begrüßung sein, sag mal? Erst meldest du dich eine Ewigkeit nicht, obwohl du es mir versprochen hattest und dann das?", schmollte die schlanke Brünette mit den langen Beinen, die ich schon immer sehr anziehend an ihr gefunden hatte. Zugegebenermaßen musste ich erst einmal schlucken, aber jetzt war definitiv keine Zeit für so etwas.

„Das waren gerade einmal zwei Tage", brummte ich leise und ohne dass sie es hören konnte. „Das hat nichts mit dir zu tun, Liz. Ich habe gerade wirklich keinen Kopf dafür", erklärte ich diesmal so laut, dass sie es auch hören konnte. Genervt versuchte ich, den Spalt zwischen Tür und Schloss wieder etwas zu verringern, doch natürlich würde es nicht derart leicht gehen. In weiser Voraussicht war nun ein hochhakiger roter High-Heel dazwischen.

„Ja und? Den brauchst du dafür ja auch nicht", gab sie frech zurück, nutzte meinen kurzen perplexen Moment aus und drückte sich an mir vorbei in mein Apartment.

„Nicht jetzt! Komm lass das!", versuchte ich sie zurückzudrängen, als sie die Tür hinter sich schloss, mir eine Hand auf die Brust legte und mich gezielt an die Wand drückte.

„Also letztes Mal fandest du es toll, wenn ich mich richtig daran erinnere", säuselte Liz und wanderte mit ihrer freien Hand zu meiner Gürtelschnalle, während sie sich mit vollem Körpereinsatz an mich warf.

Beinahe hätte ich mit den Zähnen geknirscht, doch dann riss ich mich im letzten Augenblick noch zusammen, packte ihr Handgelenk und hielt sie so zurück.

„Genug, Liz. Außerdem... Kann es sein, dass du jetzt schon morgens betrunken bist?", fragte ich aufgrund des typischen Geruchs in ihrem Atem.

„Ach was, das bildest du dir nur ein. Wenn dann kommt das höchstens noch von letzter Nacht", entgegnete sie und das mit einem Unterton, der mir wohl deutlich machen sollte, dass ich ihr gerade ziemlich die Stimmung vermieste.

„Was redest du denn da? Ach, Nate!", quengelte sie beinahe schon, als ich nicht weiter reagierte und versuchte sich aus meiner Umklammerung zu lösen, aber natürlich war ich um einiges stärker als sie.

„Liz, lass...", begann ich jetzt vollständig entnervt, doch ich kam nicht dazu diesen Satz zu beenden, denn in dem Moment hörte ich, wie jemand einen Schlüssel ins Türschloss steckte und diesen langsam umdrehte.

Ich seufzte. Wieso musste ausgerechnet das auch noch sein? Wieso musste sie denn ausgerechnet heute so früh schon wieder da sein? Normalerweise war sie viele Stunden weg. Bis in den späten Nachmittag oder sogar Abend hinein. Ich versuchte noch, mich rasch von Liz zu lösen, aber vergeblich.

„Ach, guten Morgen, Nathan. Ich wollte euch zwei nicht weiter stören", meinte sie lässig nach einer minimalen Starre, knallte die Tür zu und schlenderte desinteressiert hinüber in die Küche und zum Kühlschrank.

Bei diesem Geräusch zuckte ich zusammen. Selbstverständlich war mir sehr wohl bewusst, dass ihr das nicht derart am Arsch vorbeiging, doch ihr Verhalten regte mich ungemein auf.

„Sarah...", stöhnte ich und löste mich jetzt mit aller Kraft von Liz.

„Gib mir ein paar Minuten, dann bin ich wieder weg", hörte ich sie von der Küche herrufen.

„Was ist denn jetzt? Ist die Kleine da deine Nichte?", fuhr Liz dazwischen, die immer noch versuchte sich an mich zu schmeißen und mich trotzig wieder auf das eigentliche Thema festzunageln.

„Kannst du nicht einfach mal...", presste ich durch geschlossene Zähne hervor, als mal wieder jemand das perfekte Timing hatte, mich anzurufen.

„Zum Teufel nochmal!", fluchte ich so laut, dass Liz ein Stück vor mir zurückwich. Wirklich Angst vor mir zu haben schien sie aber nicht, sie hatte sich wohl nur erschrocken. Anscheinend war sie schon wieder so dicht, dass sie das alles gerade überhaupt gar nicht kapierte.

Ich ballte meine Hand zu einer Faust und schlug damit so fest gegen die weiße Raufaserwand, dass meine Knöchel rot anliefen und zu pochen begannen.

„Bevor du irgendetwas sagst: Ja, ich weiß, dass ich spät dran bin. Ich... wurde aufgehalte, aber ich komme sofort", würgte ich sofort mein Gegenüber ab.

Zugegebenermaßen hatte ich nicht einmal großartig darauf geachtet, wer mich da eigentlich angerufen hatte. Mit großer Wahrscheinlichkeit aber Damien, mit dem ich die letzten Tage auch nicht viel zu tun hatte. Er hasste mich für das, was ich getan hatte. Ich wusste es.

„War klar, dass du mal wieder weg musst, wenn es eigentlich darauf ankommt", kam es dumpf aus der Küche.

„Liz, da ist die Tür", meinte ich trocken, schob sie unsanft hinüber trotz ihres regen Protestes und schnappte mir meine Sonnenbrille von nahestehenden Kommode. „Wir reden später, Sarah. Mach keinen Blödsinn", rief ich rüber, auch wenn ich sie gerade eigentlich wirklich nicht alleine lassen wollte.

„Das sagt gerade der Richtige. Na, mal sehen", antwortete sie lachend und ich rollte nur mit den Augen .

All diese offenen Enden machten mich rasend und innerlich völlig unruhig.

„Lass mich raten: Du bist mal wieder nicht bei der Sache", stellte Damien beiläufig fest. Mit seinem angefressenen Tonfall konnte ich nicht viel anfangen.

Wir liefen nebeneinander und waren auf dem Weg zu einer spontan festgelegten Versammlung des Rates, welche normalerweise nur alle zwei bis drei Monate stattfand. Diesen Monat war das allerdings schon die zweite Keeperratsversammlung. Ich konnte mir nur zu gut vorstellen, worum es hierbei mal wieder ging.

Bei dieser besonderen Art der Versammlung waren nur die ranghöchsten und Dienstältesten der Keeper dabei. Eine wirklich klassische Rangordnung gab es bei uns zwar nicht, aber die ungeschriebene Regel besagte, dass immer der Keeper, der schon am längsten dabei war, das Sagen in der Gruppe hatte.

„Lass gut sein, Damien", murmelte ich tonlos.

Unser Treffpunkt war eine verlassene alte und ziemlich runtergekommene Lagerhalle am Stadtrand von Hilo auf der anderen Seite der Insel. Normalerweise dauerte die Fahrt schon eine Weile, aber ich war so in Gedanken versunken gewesen, dass ich das Gefühl gehabt hatte, nur fünf Minuten gebraucht zu haben. Ich hatte meine Außenwelt so weit wie möglich ausgeblendet gehabt und war so weit weg gewesen, dass ich doch etwas gebraucht hatte um zu merken, dass Damien mich angesprochen hatte. Wie in Trance war ich aus meinem Auto gestiegen und hatte mich mit Damien zusammengetan.

Seit wir uns hinter der Halle am Parkplatz getroffen hatten, war kein Wort zwischen uns gefallen. Immer noch sehr eisig, aber noch störte es mich nicht weiter. Nach so einem Morgen wusste ich meine Ruhe sehr zu schätzen.

Ich war bereits an der großen Eingangstür angekommen und wollte gerade hineinlaufen, als mir dann doch auffiel, dass Damien nicht mehr neben mir war. Stirnrunzelnd drehte ich mich um und stellte fest, dass er noch ein paar Schritte hinter mir stand.

„Was treibst du denn da?", fragte ich irritiert und wartete darauf, dass er etwas sagte oder zumindest in meine Richtung kam. Fehlanzeige.

Zunächst starrte ich ihn einfach nur an, weil ich der dummen Annahme war, dass er mich vielleicht nicht gehört hatte.

„Damien? Hallo?", fragte ich erneut und wenn ich nicht so schlecht drauf gewesen wäre, hätte ich mich bestimmt auch über ihn lustig gemacht.

Nachdem Damien aber immer noch nicht reagierte, sondern mich einfach nur anstarrte und die Arme vor der Brust verschränkte, verstand ich, dass er auf mich wartete.

Ich überlegte, entschied mich dann aber eben kurz in seinem Theater oder was auch immer das sein sollte mitzuspielen. Fragend hob ich die Arme und ging langsam wieder zurück zu ihm.

„Kannst du mir mal sagen, was zur Hölle du da eigentlich treibst?", fragte ich ihn, nachdem ich keine zehn Schritte mehr von ihm entfernt war.

Wieder entgegnete Damien nichts, kam mir aber endlich entgegen und legte mir eine Hand auf die Schulter. Ganz ohne Druck, einfach freundschaftlich.

„Bevor wir da reingehen, Nate. Es gibt da etwas, das du wissen solltest", erklärte er, was mich dazu veranlasste ihm direkt in die Augen zu schauen.

„Was ist denn so...", begann ich zu fragen, als er in einer blitzschnellen Bewegung die Hand von meiner Schulter nahm und mich mit voller Wucht ins Gesicht schlug.

Der Schlag traf mich völlig unvorbereitet, was dazu führte, dass ich rückwärts taumelte und beinahe aufgrund der Wucht sogar gestürzt wäre.

Ich nahm nur undeutlich wahr, wie mir die heiße Flüssigkeit aus der Nase zu laufen begann und langsam zähflüssig erst auf die Kleidung und dann auf den Boden tropfte. Instinktiv schirmte ich sie mit meiner Hand ab. Ich spürte keinen wirklichen Schmerz, war mir aber gleichermaßen ziemlich sicher, dass sie gebrochen war.

„Anscheinend bist du immer noch sauer", stellte ich nach einem tiefen Luftzug trocken fest, während mir das Blut über das Kinn rann.

Anscheinend war auch meine Lippe aufgeplatzt. Damien hatte einen ordentlichen Schlag drauf, das musste ich ihm lassen. So hatte ich das gar nicht mehr in Erinnerung gehabt. Vielleicht lag es auch einfach nur daran, dass er tatsächlich stinksauer war.

„Spar dir deine dummen Witze, Nate. Du weißt genau, wieso ich das tun musste. Denkst du, ich lasse mich so von dir behandeln? Und hast du eigentlich eine Ahnung was mit dem jungen Keeper passiert ist? Wir waren irgendwann auch mal so wie er! Vergiss das nicht! Was ist nur in dich gefahren in der letzten Zeit?", brüllte er mich an und auf einen Schlag hin brachen wohl alle angestauten Emotionen und andere Bedenken aus ihm heraus.

Alles, was ihn belastete, alles was ich ihm zugemutet hatte, fand hier nun sein Ventil.

Wir waren längst nicht mehr alleine. Um uns herum hatten sich verstreut einige Keeper eingefunden, die ebenfalls auf ihrem Weg in das Innere der Lagerhalle durch das seltene Spektakel abgehalten worden waren. Streitereien unter den Keepern gab es eigentlich nicht häufig, denn das wurde in der Regel direkt unterbunden. Diesmal griff aber niemand ein, zumindest noch nicht. Alle Gesichter die ich aus den Augenwinkeln wahrnahm, gehörten auch nicht zu Keepern, die uns etwas hätten sagen können, also ignorierte ich die Menschentraube einfach, obwohl sie immer größer wurde.

„Komm mal wieder runter, Damien. Es reicht", murmelte ich, als ich mich langsam aber entschieden wieder gerade aufrichtete und ihm so deutlich wie möglich versuchte, einen warnenden Blick zuzuwerfen.

„Wag es nicht mir jetzt so zu kommen! Du wirst dich...", begann er aufbrausend und wild gestikulierend, doch bevor er aussprechen konnte, preschte ich nach vorne, nahm ihn in den Schwitzkasten und presste ihn kurzerhand mit dem Oberkörper auf den Boden.

„Wenn du mich nicht sofort...", röchelte er noch wütender als zuvor, doch ich drückte ihm so fest das Knie in den Rücken, dass er verstummte.

Eilig sah ich mich um, stellte aber zu meiner Beruhigung fest, dass keiner der anderen Keeper sich näher getraut hatte. Sie hielten einen großzügigen Abstand. Aus Respekt oder Angst war nicht zu sagen. Wir beide hatten einen gewissen Ruf unter den Keepern.

„Damien, halt jetzt verflucht nochmal die Klappe und hör auf dich so aufzuführen", zischte ich ihm ins Ohr, während er mir nach wie vor Gegenwehr leistete.

„Ich erkenne dich nicht mehr wieder", entgegnete Damien mit so einer kühlen und verachtenden Stimme, dass ich mich zunächst doch tatsächlich für einige kurze Momente sammeln musste.

„Damien..."

Weiter kam ich nicht mehr. Ich hatte unterbewusst meinen Griff gelockert und mein Gewicht falsch verlagert. Mit einer blitzartigen Bewegung warf er mich von sich und ich landete mit so einem harten Aufprall auf dem kalten Asphalt, dass mir jegliche Luft aus den Lungen entwich.

Damien trat nun in mein Blickfeld. Ich hatte ihn noch nie so erlebt. Seine ganze Haltung, der Ausdruck, der in seinen Augen lag. Mir wurde ganz schnell klar, dass es keine Rolle spielte, was ich noch sagen würde. Er würde mir nicht zuhören. Nicht in diesem Zustand. Nicht hier und jetzt.

Noch bevor ich wirklich meine verworrenen Gedankengänge ordnen und entscheiden konnte, was ich nun wohl am besten tun sollte, ging er vor mir in die Hocke und holte gerade erneut mit der geballten Faust aus. Ich hätte den Schlag mit großer Wahrscheinlichkeit erneut einstecken müssen, denn ich war noch zu perplex gewesen, damit ich richtig hätte reagieren können. Mit Sicherheit hätte mich das vor der gesamten Mannschaft blamiert, doch mit dem eingreifen eines anderen Keepers kam es glücklicherweise nicht dazu. Wer wusste schon, was ich sonst möglicherweise noch getan hätte, auch wenn ich mir vorgenommen hatte, meinem eigentlichen Freund nicht weh zu tun.

„In Nauks Namen, hört jetzt auf! Was fällt euch ein, ein Treffen dieser Größenordnung mit eurer High-School ähnlichen Prügelei zu beflecken?", kam es von einem gut einen Kopf größeren Mann als Damien, der dessen Arm gerade noch rechtzeitig zurückgehalten hatte.

Sowohl meiner, als auch Damiens Blick drehte sich zum Gesicht des Friedensstifters. Ich spürte bereits, wie sich meine Miene nur noch mehr verfinsterte. Natürlich hatte er das sein müssen. Wer auch sonst.

„Chris, halt dich raus! Das geht dich nichts an!", knurrte Damien, von dem ich wusste, dass er Chris ebenso sehr hasste wie ich es tat.

„Ich bin hier der dienstälteste Keeper, kapiert? Ihr tut das, was ich sage und ihr wisst ganz genau, dass Nauk fast nichts mehr hasst, als Streitereien zwischen ihren Untergebenen", erklärte Chris belehrend und autoritär zugleich.

Ich musste mich wirklich zusammenreißen, damit ich nicht umgehend auf diesen beschissenen Wichtigtuer losging. Dummerweise hatte er aber recht. Er war tatsächlich sogar noch ein paar Jahre länger dabei als ich und das obwohl ich schon verdammt lange unter der Fuchtel von Nauk hunderten den Tod gebracht hatte.

„Untergebene nennst du das also", brummte ich provozierend und lächelte ihn jetzt böse an, was ihm überhaupt gar nicht gefiel, aber er unternahm auch nichts dagegen.

Ja, Chris war länger dabei als ich, auch wenn es nur minimal war wenn man mal die Zeitspanne betrachtete, in der man Nauk diente. Nämlich für die Ewigkeit. Trotzdem war es nur eine Zahl auf einem Papier, nichts weiter. Chris wusste, dass ich ein sehr unangenehmer Zeitgenosse sein konnte, wenn ich das denn sein wollte. Er hatte durchaus das Talent, diesen Drang immer stärker hervorzurufen, wenn ich ihm begegnete. Vor allem unter diesen Umständen.

„Ich warne dich, Keeper. Treibe es nicht zu weit!", fauchte Chris, stieß Damien ein gutes Stück von mir und baute sich stolz vor mir auf.

„Sonst was? Glaub ja nicht, dass ich dir gegenüber jegliche Art von Respekt zeigen werde", gab ich mit einem missachtenden Ausspucken direkt vor seine Schuhe zur Geltung.

Chris kochte vor Wut. Seine Stirn lag in Falten, seine dunklen Augenbrauen eng beieinander und seine Wangen liefen rot an.

Ich rechnete bereits damit, dass er jeden Moment doch noch die Fassung verlieren würde, doch gleichermaßen wusste ich, dass er ein sehr vernünftiger Mann war. Zumindest meistens. Immer wieder fragte ich mich, wieso Chris so geworden war, wie er heute nun eben war.

Dieser Kerl war gerade mal zwei Jahre älter als ich, auch wenn die eigentlichen menschlichen Jahre bei uns überhaupt keine Rolle spielten. Als ich ihn kennengelernt hatte, war er noch nicht so ein riesen Arsch gewesen, der blind und ohne zu hinterfragten Nauk gefolgt war. Ich wusste nur, dass wir uns mittlerweile hassten, obwohl Chris früher gar nicht so übel gewesen war. Er hatte mir viel geholfen in meiner Anfangszeit. Damals, vor vielen Jahren.

Obwohl der Keeper sich jetzt wohl dafür entschieden hatte, sich von mir und Damien zu lösen, welcher mittlerweile mit verschränkten Armen in einer gewissen Entfernung stand und mich mit einem undefinierbaren Blick musterte sah ich, wie ihm der Schweiß aus den kurzen schwarzen Haarstoppeln auf die Stirn lief.

„Nicht nochmal, Nate", warnte Chris mich schließlich, während er drohend auf mich zeigte. Schlussendlich drehte er sich um und lief zurück zur Lagerhalle.

„Na los, trödelt nicht noch mehr rum", forderte er alle um uns herum laut auf, woraufhin ihm bereits die ersten folgten.

Die Grabesstille, die auf dem Vorplatz der Halle bis eben geherrscht hatte, fiel mir eben erst richtig bewusst auf. Mir war ebenfalls nicht sonderlich aufgefallen, dass ich aufgestanden war.

Die Hälfte der Leute, die nicht sofort zu Chris aufgeschlossen hatten, begannen nun leise zu tuscheln, was mich endlich zurück in das Hier und Jetzt brachte.

„Muss ich euch erst Feuer unter dem Hintern machen oder was?", brüllte ich die immer noch riesige Menschenmasse an, woraufhin mehr Leben hineinkam.

Langsam aber erpicht darauf meinen Anweisungen zu folgen, kam Bewegung in die Keeper. Ich holte tief Luft und rieb mir kurz müde über die Stirn. Meine Nase blutete kaum noch, hatte aber mein Shirt vollkommen versaut. Die Schmerzen spürte ich fast gar nicht.

Der starre Blick von Damien entging mir aber nicht. Er bohrte sich förmlich in meine Augen. Immer wieder liefen Keeper zwischen uns und versperrten mir die Sicht auf ihn, doch das änderte auch gar nichts. Sein Blick war unergründlich, was noch nie zuvor der Fall gewesen war.

Als ich das nächste Mal blinzelte, war er fort. Suchend sah ich mich in der sich immer noch nicht ganz aufgelösten Menschentraube um, doch ich konnte keinen weiteren Blick auf ihn erhaschen.

Nachdem ich bereits von mindestens drei Keepern unbeabsichtigt angerempelt worden war, gab ich schließlich auf. Offenkundig würde ich das heute wohl nicht mehr klären. Ich seufzte und machte mich nun ebenfalls auf den Weg zu der Versammlung, die mit großer Sicherheit mal wieder völlige Zeitverschwendung war.

Der Vorplatz war mittlerweile fast menschenleer. Die heiße Mittagssonne verbrannte mir die Haut, selbst durch meine Kleidung hindurch. Selbst hier in dieser kleinen Stadt lag ein leichter Hauch von Hibiskus in der Luft. Obskur angesichts des krassen Kontrastes.

Ich gab mir einen Ruck und betrat dann die alte Lagerhalle voller kaltblütiger Mörder, die für jemanden tagtäglich töteten, den noch keiner von ihnen jemals zu Gesicht bekommen hatte. 

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