Lucy
Schnell setze ich mich zu ihr und nehme ihr erst mal den Alkohol weg. Sie hat wirklich genug getrunken. Besorgt greife ich nach ihrer Hand und schaue ihr in die Augen.
"Mom, was ist los?", frage ich sie leise und die Angesprochene beißt sich auf die Unterlippe.
Schließlich schluckt sie schwer und rückt mit der Sprache raus: "Dein Vater hat angerufen."
"Was?!", mit großen Augen starre ich sie an. "Warum?"
"Er...er-", sie bricht ab und atmet zittrig aus. "Er will schon morgen kommen."
Und mit einem Mal ist es, als ob sie mir die Worte genommen hat. Ich kann überhaupt nichts sagen und blicke sie stattdessen entgeistert an.
"Mir geht es genauso wie dir.", flüstert meine Mutter daraufhin und nimmt meine Hände in ihre, um sie sanft zu drücken. "I-Ich weiß wirklich nicht was ich tun soll, wenn er mir gegenüber steht..."
Ich nicke langsam und räuspere mich dann: "Er war drei Monate weg...u-und jetzt ruft er einfach an, weil er morgen kommen will? Hat ihn seine Schlampe von Sekretärin sitzen lassen oder was?"
Bitter lachend verstumme ich bei dem entsetzten Gesichtsausdruck meiner Mom.
"Lucy!", ihre Stimme ist ziemlich harsch.
"Jaja...sorry...es ist nur...ach, ich weiß doch auch nicht.", seufzend entziehe ich ihr meine Hände und schlinge meine Arme um meinen Oberkörper.
"Du hast ja recht...ich...ich frage mich nur: Warum ausgerechnet jetzt? Es schien endlich mal gut zu laufen und dann kommt er an und bringt alles wieder durcheinander...", sie verzieht ihren Mund zu einem Strich.
"Ja...", meine ich nur leise dazu und schweige wieder.
Eine unangenehme Stille entsteht. Eine verzweifelte Stille.
"A-Aber wir schaffen das schon, okay?", ich versuche zu lächeln und blicke meine Mutter aufmunternd an.
Die Braunhaarige zuckt mit den Schultern, aber nickt letzten Endes: "Du hast recht, zusammen schaffen wir alles...und dann habe ich...haben wir den ganzen Mist hoffentlich hinter uns."
"Du meinst wegen der Scheidung?", will ich wissen und sie nickt abermals.
"Gut.", meinte ich knapp und stehe dann auf. "Ich denke Schlaf würde uns beiden jetzt gut tun."
"Denke ich auch.", stimmt meine Mom mir zu und erhebt sich ebenfalls.
~~~
Fertig fürs Bett betrete ich mein Zimmer und lasse mich Luft ausstoßend aufs Bett fallen. Dann greife ich nach meinem Handy, das ich auf meinem Nachttisch habe liegen lassen und sofort fällt mir eine Nachricht von einer unbekannten Nummer ins Auge.
J[23:05]: Hey Lucy, hier ist Ju :) Heute war wirklich schön. Danke.
Leicht verwirrt antworte ich ihm.
L[23:28]: Hey~
Fand ich auch :> woher hast du eigentlich meine Nummer? Soweit ich weiß habe ich sie dir nicht gegeben xD
Keine zehn Sekunden später erfolgt seine Antwort.
J[23:28]: Von Alice 😌 hatte sie eigentlich schon länger, aber hatte nie den Mumm dich anzuschreiben. 😂
Schmunzelnd drehte ich mich auf den Rücken und speicherte ihn erst mal ein.
Süß.
Grinsend schreibe zurück.
L[23:29]: Immer diese besten Freundinnen 😂
Die Häkchen werden sofort blau und unter seiner Nummer erscheint das altbekannte 'schreibt...'. Wartend starre ich auf den Bildschirm, bis seine Nachricht schließlich auftaucht.
J[23:32]: Also ich finde das ja sehr nützlich 😌😉 aber mal Spaß beiseite. Wegen dem was du vorhin gesagt hast:Wir schaffen das, okay? Und sag nicht, dass du mich nicht verdient hättest, denn das ist nicht wahr.
Seufzend nicke ich leicht, auch wenn ich weiß, dass er es nicht sehen kann.
L[23:32]: Okay. :)
Und schon schreibt der Schwarzhaarige zurück.
J[23:33]: Gut. :) wie geht's dir?
Leicht nervös werdend kaue ich auf meiner Unterlippe rum.
Soll ich ihm die Wahrheit sagen? Naja...er ist ja so gut wie mein Freund...
Langsam lasse ich meine Finger über die Tastatur gleiten.
L[23:34]: Ganz ehrlich? Ich weiß es nicht...einerseits glücklich wegen dir, aber andererseits...
Es dauert kaum eine Sekunde, bis seine Antwort erscheint.
J[23:34]: Andererseits? Was ist passiert? :o
Mich aufsetzend tippe ich meine Nachricht ein.
L[23:34]: Mein Vater will morgen kommen...
Anscheinend ist er ziemlich überrascht und braucht erst mal eine Weile, ehe das "schreibt..." unter seinem Namen auftaucht.
J[23:35]: Was?! Warum?
Ich atme aus.
L[23:35]: Das würde ich auch gern wissen...naja...egal. Morgen 12 Uhr steht, oder?
Ein Themenwechsel ist mir jetzt eindeutig lieber.
J[23:35]: Nein, ist es nicht! Aber du willst nicht darüber reden, oder? Und ja, steht :)
Dankbar für sein Verständnis antworte ich.
L[23:36]: Ja :/ und goody :] Du, ich geh jetzt schlafen, bzw. versuche es :> bis morgen <3 Nighty!
Ich sperre mein Handy, doch sehe noch wie seine Nachricht auf dem Display erscheint.
J[23:37]: Okay, gute Nacht, schlaf gut und träum was Schönes <3
Lächelnd lege ich das Gerät weg und mache es mir in meinem Bett gemütlich.
Jetzt muss ich nur noch einschlafen können...
~~~
Nachdem ich mich am nächsten Morgen frisch gemacht habe will ich gerade die Treppen nach unten gehen, als ich wie erstarrt stehen bleibe. Aus der Küche kommen zwei laute Stimmen. Die Männliche kenne ich nur allzu gut.
Shit, was macht mein Vater denn schon hier?!
Von einer auf die andere Sekunde fange ich zu zittern an und mir wird verdammt schlecht.
Was mache ich jetzt?
Meine Mutter und er diskutiert gerade wild und da will ich eigentlich nur ungern "stören", da ich sonst nur einbezogen werde.
"LUCY!", ruft mein Dad auf einmal und ich schlucke schwer. "KOMM HER! ICH HAB DICH GEHÖRT!"
Oh fuuuuck!
Schweren Herzens mache ich einen Schritt nach dem anderen und stehe schließlich in der Küche meinem Erzeuger direkt gegenüber.
"Soso, jetzt begrüßt du mich nicht mal mehr.", der Blonde lehnt sich auf seinem Stuhl zurück und betrachtet mich mürrisch. "Was hast du überhaupt an?!"
Langsam gucke ich an mir herunter. Mein gesamtes Outfit ist schwarz, bis auf das Shirt, das einen bunten Band-Aufdruck hat, Metallica um genauer zu sein. Insgesamt ist es etwas punkmäßig angehaucht.
"H-Hallo Vater.", ich blicke wieder auf, aber schaue gleich wieder zu Seite, da es ist, als ob seine Augen mich durchbohren.
Einfach nur unangenehm. Auf einmal fängt er zu lachen an.
"Hallo Vater?! Heute sind wir aber lustig.", er tut so, als ob er sich eine Lachträne wegwischen würde, und mit einem Mal wird sein Blick ganz kalt. "Kannst du mich nicht mal mehr gescheit begrüßen?! Hallo Vater? Ist das alles?! Was ist nur aus dir geworden?!", dann schaut er zu meiner Mutter, die wie ein Häufchen Elend vor dem Herd steht. "Du hast ein verzogenes Gör aus ihr gemacht. Ich seh schon. Immer muss ich alles machen."
Er erhebt sich geräuschvoll und geht auf sie zu. Die Braunhaarige will zurückweichen, doch natürlich ist der Herd im Weg und so steht er vor ihr. Wenige Zentimeter trennen sie voneinander und dann fängt er zu schreien an
"Für was bist du eigentlich zu gebrauchen?! Für gar nichts! Rein gar nichts! Hast meine Tochter verunstaltet...", er scannt sie kurz ab. "Achtest nicht mehr auf dich...es gibt viel zu tun. Aber jetzt bin ich ja wieder da. Lucy! Steh nicht so rum! Mach was zu essen! Denkst du denn gar nicht mit?!"
Ich zucke zusammen und nicke heftig. Mein Körper bebt vor Angst. Er ist schlimmer geworden, als ich es in Erinnerung habe. Schnell gehe ich zum Kühlschrank und nehme mir Eier. Als ich wieder an meinem Vater vorbeigehen will rempelt er mich wie aus dem Nichts an und eines der Eier entwischt mir, fällt auf den Boden und zerbricht.
"Du dummes Ding! Mach das sofort sauber!", schießt er im nächsten Moment auch schon los und ich sehe noch wie sich seine Hand hebt, als-
Es klingelt.
Mit einem Schnauben lässt der Größere die Hand wieder sinken und nickt in Richtung Tür: "Aufmachen Lucy. Und du Linn, wisch das auf."
Schluckend lege ich die Eier neben dem Herd ab.
Mist! Bestimmt ist das Ju!
"Was stehst du denn noch rum?!", herrscht mein Vater mich an und ich gehe sofort los, atme tief durch und öffne die Haustür.
"Hey.", Ju grinst mir entgegen, jedoch erstirbt dieses Grinsen, als er meinen verängstigten Gesichtsausdruck bemerkt.
"Ehm...Hi.", ich beiße mir fest auf die Unterlippe.
"Alles okay?", will er sofort wissen und ehe ich auch nur antworten kann höre ich auch schon Schritte hinter mir.
"Wer ist denn das?", frägt die Stimme meines Vaters verächtlich und ich blicke stumm zu Boden.
Ju versteht wohl, dass es sich um meinen Vater handelt: "Ich bin Julien. Lucys...Freund. Freut mich Sie kennen zu lernen Herr Dorner."
Er streckt ihm seine Hand entgegen.
Ohoh...
Und schon kommt das, was ich erwartet habe.
"Tzzz...jetzt schleppt meine Tochter auch noch nen dahergelaufenen Chinesen an. Ich glaub's nicht...ich dachte schlimmer könnte es nicht werden. Ich schäme mich für dich...du bist eine Schande für mich. Was ist nur aus dir geworden?", wendet sich mein Vater an mich und ich zucke zusammen.
"Dad...J-Ju ist kein dahergelaufener Chinese.", flüstere ich leise und ich weiß, dass ich ihn damit nur noch wütender mache, aber ich kann das nicht einfach so im Raum stehen lassen.
"Was hast du gesagt?! Seit wann wendest du dich gegen mich?!", der Blonde dreht mich an meinen Schultern grob zu sich und seine Augen erdolchen mich mit ihrer Kälte und Wut.
"S-Seit...", ich verstumme, doch auf einmal kommt ein Schwall von Wut über mich und ich geige ihm endlich mal meine Meinung. "Seit du Mom betrügst! Hast du gedacht wir merken es nicht, hmm?! Jetzt frage ich dich mal: Was bist du überhaupt für ein Vater?! Lässt Frau und Kind Monate allein, kommandierst sie wenn du da bist nur rum und machst wegen jeder Kleinigkeit nen Zwergenaufstand, beschimpfst meinen Freund als dahergelaufenen Chinesen. Du bemängelst alles an mir...weißt du eigentlich wie das ist?", ich mache kurz eine Pause, jedoch nur, um Luft zu holen. „Dauernd vom eigenen Vater kritisiert zu werden?! Dauernd vorbehalten zu bekommen, dass man nicht genug ist?! Sowas sollte ein Vater nicht vermitteln! Und ein Vater sollte erst recht nicht heimlich seine Sekretärin vögeln! Ich kann dir ja kaum mehr in die Augen sehen, ohne Hass zu verspüren. Das war mal nicht so, aber heute hast du das geändert. Du hast mir mal wieder gezeigt wie erbärmlich Menschen sein können!"
Während ich ihn so anschreie laufen mir heiße Tränen über die Wangen. Tränen aus Trauer, Scham und Wut.
Julien und mein Vater sehen mich entgeistert an. Ju überrascht entgeistert und mein Erzeuger wütend entgeistert.
"S-Sowas lass ich mir doch nicht von einer Frau sagen! Und erst recht nicht von meiner eigenen missratenen Tochter!", schießt der Blonde zurück und dann will er auch schon zuschlagen, doch eine Hand hält ihn zurück.
Es ist nicht die Juliens, sondern die meiner Mutter.
"Stefan es reicht jetzt! Das alles reicht!", zischt sie ihn an und der Größere will schon wieder losreden, aber dazu lässt sie es gar nicht erst kommen. "NEIN JETZT REDE ICH! Das was deine Tochter gesagt hat ist die Wahrheit, besser hätte ich es nicht ausdrücken können. Wir sind eine Schande für dich?! Du bist eine Schande für uns! Wie kann man nur so sein?! Erklär mir das mal! Ach weißt du was? Spar es dir! Ich beende das hier jetzt! Ich will die Scheidung! Lass dich nie wieder hier blicken."
Dann schubst sie ihn an Ju vorbei nach draußen und baut sich vor uns auf: "Und wenn du noch einmal hier herkommst, rufe ich die Polizei! Den Rest klären wir schriftlich!"
Man sollte meinen, dass mein Vater nun wieder einen Anfall bekommen würde, doch so ist es nicht, nein, er lacht.
"Ach macht doch was ihr wollt! Alles ist besser als ihr zwei! Ich brauche euch nicht! Dann kann ich meinen Namen wenigstens rein halten und...", er guckt uns alle mit verengten Augen. "...nicht durch eine verzogene Tochter, eine unfähige Ehefrau und einen dreckigen Asiaten beschmutzen lassen."
Und mit diesen Worten macht er auf dem Absatz kehr und rauscht zu seinem Auto. Geschockt blicke ich ihm nach. Es ist als ob er mein Herz gerade in tausende Teile zerrissen hat und dann auch noch mit den Füßen darauf rumgetrampelt hat. Es tut so unglaublich weh diese Worte vom eigenen Vater zu hören.
Zu hören, dass man ihm egal ist. Zu hören, dass man nie genug war, nicht genug ist und auch nie genug sein wird.
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Lots of love und lasst mir gerne ein Sternchen da, wenn es euch gefallen hat! 💕
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