Vorwort
Geliebt zu werden kann eine Strafe sein. Nicht wissen, ob man geliebt wird, ist Folter.
-Robert Lembke
Was aus Liebe getan wird, geschieht immer jenseits von Gut und Böse.
-Friedrich Nietzsche
„Zuerst muss ich dir etwas über dich und deine Geschwister sagen", setzte ich an und überlegte bereits, wie ich es am Besten formulieren sollte.
Im Grunde überlegte ich das schon, seit ich mich auf den Weg gemacht hatte, wenn nicht sogar schon davor. Schließlich war das hier nichts was mich erst seit gestern beschäftigte, sondern seit Jahren, fast Jahrzehnten.
„Und das wäre?", erkundigte Lilly sich und lehnte sich interessiert vor.
Meine Anspannung wuchs immer mehr. Vielleicht hätte man sie mit Händen greifen können, wenn sie etwas Materielles gewesen wäre. Doch das war sie nicht. Sie war in mir drinnen und stieg weiter an, obwohl in meinem Inneren unmöglich noch Platz dafür vorhanden sein konnte.
„Weder du, noch Leo, seid unsere leiblichen Kinder", kam ich dann ziemlich direkt auf den Punkt.
„Was?", flüsterte sie erschüttert, konnte scheinbar kaum glauben, was sie gerade hörte.
„Anna war unser erstes und einziges leibliches Kind. Bei ihrer Geburt lief etwas schief und ich verlor meine Gebärmutter. Von da an konnte ich keine Kinder mehr bekommen. Wir wollten aber weitere, also adoptierten wir Leo", sprach ich weiter, nachdem die Barriere einmal gebrochen war, konnte ich nicht mehr an mir halten und wollte Lilly nur noch alles erzählen und sämtliche Geheimnisse zwischen uns aus dem Weg räumen.
„Was ... wer ... wer ist meine leibliche Mutter? Meine Eltern?", stammelte Lilly und biss sich auf die zitternde Unterlippe.
Eine grauenvolle Angewohnheit, welche sie über all die Jahre nicht abgelegt hatte.
„Lilly", fing ich an und erhob mich, um mich neben sie zu setzten. Ich griff nach ihren Händen, die sie mir nur widerwillig überließ.
„... ich bin nicht deine Mum, aber ich bin deine Gram. Du bist Annas Tochter."