12 Tage April

By minemarei

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April hat es nicht leicht. Da reicht es nicht, dass sie durch ihren Namen jedes Jahr zum Opfer zahlreicher Ap... More

Vorwort
Widmung
Der erste Tag
Der zweite Tag
Der dritte Tag
Der fünfte Tag
Der sechste Tag
Der siebte Tag
Der achte Tag
Der neunte Tag
Der zehnte Tag
Der elfte Tag
Der zwölfte Tag
Danksagung
Zusätzliches Material
Das Uhrwerk
April Updates und YouTube

Der vierte Tag

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By minemarei

Tag Nummer 4 oder wie man eine Funkstille übersteht.

Der Samstag war ein furchtbarer Tag.

Es war der Tag vor Sonntag (selbstverständlicherweise...) und Sonntag war Ostern. Jesus Auferstehung und hoffentlich das Ende meines emotionalen Niederganges.

Ich war immer noch hibbelig und aufgekratzt und fühlte mich ein bisschen rastlos. Also hatte sich eigentlich gar nicht viel geändert, mit Ausnahme der Tatsache, dass ich im Augenblick überhaupt nicht differenzieren konnte, ob ich ihn eigentlich nicht wiedersehen wollte oder mich vor Sehnsucht nach ihm verzehrte, wie die stereotype Schnalle in einer dieser Schmonzetten, die meine Tante immer las.

Vielleicht ja von beidem ein bisschen.

Oder von beidem nichts. Ach Mist! Wie konnte man sich nur selbst so unsicher sein, was man eigentlich wollte?

Ich war mir jedoch einigermaßen klar darüber, dass irgendetwas in meinem inneren nicht im Gleichgewicht war und mir Magenschmerzen bereitete und bis ich herausgefunden hatte, was es war, würde es mir auch weiterhin Unbehagen bereiten.

So war das immer und überall. Mein Körper sagte mir, wenn etwas mit meiner Psyche nicht stimmte. Wenn irgendetwas ins Schwanken geriet. Ich konnte es nur leider in den meisten Fällen nicht direkt zuordnen. Dann saß ich da mit leerem Magen und Übelkeitsgefühl und drehte mich in meinen Gedanken um mich selbst und auch mein Vater, Mika und Torben und Junia konnten nichts tun, als mich mir selbst zu überlassen, bis ich herausfand, was gerade nicht stimmte.

Den ganzen Samstag war ich furchtbar müde. Dabei bewegte ich mich kaum, blieb fast nur in der warmen, geborgenen Sicherheit meiner schneeweißen Bettdecke und versuchte mich mit einer Serie nach der nächsten abzulenken.

Nicht das ich jemals ein richtiger Serien-Fanatiker gewesen wäre. Wenn mich eine Show nicht richtig packte, hörte ich meist irgendwann auf sie zu gucken und bedauerlicherweise schafften es nur die wenigsten Serien mich wirklich für einen längeren Zeitraum zu fesseln.

Sobald eine Serie das geschafft hatte, guckte ich sie jedoch auch ohne Zweifel mehrere Male hintereinander und kehrte verlässlich wie die Müllabfuhr zu ihr zurück, um alle kleinen Details aufzusaugen und zu analysieren.

Das einzige, was heute so einigermaßen funktionierte und mich von mir selber und den Abgründen meiner Nachdenklichkeit fernhielt, war BBC's „Sherlock" und auch das hielt mich nur teilweise vom Grübeln ab.

Ich war mir einfach so verdammt unsicher mit allem und was ich von allem halten sollte und vielleicht hätte ich mit Junia darüber reden sollen, aber ich wollte gerade einfach niemanden sehen. In mir war irgendwas, das blockierte und ich wollte nur allein sein und ein bisschen in meinem nach Büchern duftenden und vor der Außenwelt sicheren Zimmer liegen und ohne Grund vor mich hin weinen.

Wie ein richtiger, typischer Teenie, mit unkontrollierbaren Hormonschwankungen halt.

In all meiner Unsicherheit gab es aber wenigstens eine Konstante, denn sicher war:

Jetzt hieß es warten,

und warten,

und warten.

So mussten sich die Menschen in Jerusalem auch gefühlt haben, nachdem Jesus gestorben war. Diese innere Unruhe war ja nicht zum aushalten!

Bah.

Das letzte Mal Verliebtsein hatte ich nicht so ekelhaft anstrengend und physisch strapaziös in Erinnerung. Wenigstens war ich mir sicher, dass ich verliebt war. Wer wäre dass den auch nicht, bei so einem Kerl?

Nicht zum Aushalten!

Es beunruhigte mich außerdem ein bisschen, dass ich selbst Sherlock direkt für ihn hätte stehen lassen und das obwohl Sherlock oder besser gesagt Benedict Cumberbatch eigentlich meine Ausnahme war. Trotzdem konnte er mich gerade nicht ablenken.

Weil mir die Gedanken wie im Mixer auf der höchsten Stufe durch den Kopf schossen, kam ich außerdem den ganzen Tag lang zu absolut nichts.

Der Samstag war lang und er kam mir nur noch länger vor, weil meine gesamte Familie zu meiner Granny ausgeflogen war und ich Hausaufgaben machen musste.

Jede Minute zog sich zu Stunden in die Länge und als mich schließlich an meine Hausaufgaben herantraute, hätte ich mich bereits nach einer halben Stunde am liebsten hysterisch heulend und schreiend auf den Boden geworfen, weil Mathe einfach keinen Sinn machte, ich mich nicht konzentrieren konnte und ich mich dumm und unwissend fühlte.

Zusätzlich zu allem sind Hausaufgaben natürlich verdammt schwer zu erledigen, wenn man die ganze Zeit an Granny's köstliches Hirschragout denken muss und an Appelcrumble mit Vanillesoße. Vielleicht lag meine momentane Gehirn-Situation ja auch daran, dass ich heute noch absolut nichts gegessen (und auch in keiner Weise Anstalten machte, mich anzuziehen) hatte und meine Synapsen einfach unterversorgt waren.

Bei dem Gedanken an Essen lief mir, trotz nach wie vor vorhandener Übelkeit, das Wasser im Mund zusammen, also schleppte ich mich schwerfällig die knarzende Holztreppe hinunter in die Küche und durchstöbere den Kühlschrank, auf der Suche nach etwas halbwegs Essbarem, aber ich fand neben einer vergammelten Karotte und einer schrumpeligen Gurke nur Joghurt mit Pelzüberzug und einen Apfel, der wenigstens noch genießbar aussah.

Solangsam fragte ich mich, ob mein Vater auch nur ansatzweise daran dachte, dass seine älteste und einzige Tochter auch ab und zu mal etwas essen musste um nicht ebenso schrumpelig wie die Gurke und so vergammelt wie die Karotte unter ihrem Schreibtisch zu enden. Andererseits wäre der Tod natürlich eine Erlösung von meinen verrücktspielenden Gedanken gewesen, also sollte ich diese Möglichkeit vielleicht noch nicht ganz abschreiben.

Ich dachte schon wieder an ihn. Fehlte nur noch, dass ich jetzt auch noch anfing zu träumen. Vom Tanzen im Regen und der peinlichen Ratslosigkeit hinterher.

Warum zum Teufel waren Leute gerne verliebt? Mir war das ein Rätsel. Mir wurde davon nur schlecht und diese Anspannung war ja nun wirklich nicht erstrebenswert.

Sollte ich jemals wieder jemanden sagen hören: „Ich hoffe bloß, dass die Schmetterlinge niemals verschwinden. Nichts ist schimmer als in Routine zu verfallen", dann würde ich diese Person auslachen. Wenn sich so Schmetterlinge anfühlten, konnte man meine gerne haben. Ich wollte sie nicht. Und was war denn bitte so furchtbar an Routine? Solange man sich nicht festfuhr war Routine doch klasse! Menschen brauchen Routine! Ich brauchte Routine.

Jeden Morgen zu spät zur Bushaltestelle zu kommen, das war Routine.

Mit Junia über Mia lachen, das war Routine und sie gefiel mir.

Ich mochte mein geregeltes Leben. Es war ja nicht so, dass da kein Raum für Überraschungen blieb.

Er war definitiv eine Überraschung. Eine so große, dass es mich aus allen meinen Routinen herausriss. Ich hatte heute nicht einmal mit meiner Familie gefrühstückt, bevor sie alle losgefahren waren, dabei war das sogar schon von Routine zu Tradition geworden.

Er brachte mich einfach komplett aus dem Rhythmus. Ob ich das gut oder schlecht fand wusste ich gerade nicht. Das ich wahnsinnige Angst hatte wusste ich inzwischen.

Ich tapste wieder nach oben in mein Zimmer und verkroch mich unter der Bettdecke. Ich hatte beschlossen meine Hausaufgaben heute einfach Hausaufgaben sein zu lassen.

Mein Bett war einfach der einzige gute Ort für meine momentane Stimmung. Londontypisch!

Manchmal war da in kurzen Momenten so eine starke Verbindund zu ihm da, dass es mich jedes Mal fast umhaute und dann war sie wieder weg und es war komisch.

Aber nicht schlecht komisch. Gut komisch. So wie Eiscreme essen im Winter oder eisige Kälte im Juli. Irgendwie mega cool und schrecklich falsch gleichzeitig.

Mein Kopf tat weh.

Gegen Abend begann ich mir alte Disney Zeichentrick Klassiker anzusehen und fraß so ganz nebenbei meinen Frust mit Hilfe einer riesigen Packung Chips, aus dem Kiosk an der großen Kreuzung ein bisschen weiter weg von unserem Haus in mich hinein.

Als mein Verlangen nach ekelig fettigem Zeug zu groß geworden war, hatte ich mich kurzerhand einfach in einen dicken Daunenmantel gehüllt, mein verschlafenes, plattgelegenes Gesicht und die ungewaschenen Haare unter einer Kaputze versteckt und hatte mich auf den Weg gemacht.

Mein Handy, obwohl es schon den ganzen Tag ausgeschaltet war, hatte ich in meiner Manteltasche versenkt und alle Leute die mir auf dem Weg begegneten hatte ich gekonnt ignoriert.

Normalerweise hätte ich mich an einem Tag wie heute um nichts in der Welt aus dem Haus bewegt, aber ich brauchte Chips.

Jetzt!

Sofort!

Mein Kopf hatte immer noch wehgetan, als ich schließlich wieder zu Hause gewesen war.

Die Chips machten meine Laune ein kleines bisschen besser. Ich fühlte mich trotzdem pathetisch und dumm, weil mich etwas, das ja noch gar nicht passiert war, geschweige denn in Aussicht war, so sehr aus der Bahn warf.

Aber manchmal kann man da wohl nichts gegen machen und ich war schon immer sehr leicht auf den „zu viele Gefühle auf einmal"-Zug aufgesprungen. Vermutlich passierte das auch jetzt gerade und Junia machte sich bestimmt furchtbare Sorgen, weil ich ihr schon den ganzen Tag nicht geantwortet hatte und all ihre Nachrichten auch nicht bei mir ankamen.

Vielleicht ahnte sie allerdings auch was los war oder sie hatte den ganzen Tag zu tun gehabt und machte sich nicht einmal sorgen.

Heimlich hoffte ich jedoch auf ersteres, auch wenn ich das niemals zugegeben hätte. Es tat gut, zu wissen, dass Leute sich dafür interessierten, wie es einem ging, auch wenn man im Moment eine Blocade hatte und einfach mit niemandem reden wollte.

Eventuell morgen wieder.

Oder übermorgen.

Oder nie wieder. War das eine Option? Für immer im Bett zu bleiben? Wahrscheinlich nicht und sobald diese Phase, die ich gerade durchmachte, vorbei war würde ich mich selber für meine merkwürdigen „Alltagsdepressionen" verachten.

Bestimmt hatte jeder Mal solche Augenblicke, in dem er sich kraft- und antriebslos fühlte, aber ich fühlte mich trotzdem sehr allein.

Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sich noch jemand so erbärmlich und elend fühlte, wie ich gerade. Ich wünschte es auch keinem.

Nach Robin Hood machte ich schließlich das Licht aus und versuchte bei einem Hörspiel einzuschlafen.

Es musste funktioniert haben, denn ich bekam die Rückkehr meiner Familie nicht mehr mit und das sie so leise gewesen waren, dass ich sie überhört hatte, war einfach zu unwahrscheinlich.

Es war eher ein Wunder, dass ich bei ihrer Ankunft nicht sofort wieder aufgewacht war.

Besonders Torben war einfach unglaublich laut und klang eher wie eine ganze Horde an Kindern, wenn er die Treppe hochtrampelte. Egal wie oft man ihn ermahnte leise zu sein, weil mein Dad schon oder noch schlief, es lang einfach außerhalb des ihm möglichen Bereiches leise zu sein. Torben war einfach laut. Mika war da schon anpassungsfähiger, aber da Torben alleine schon ausreichte um die gesamte Straße aufzuwecken, hätte es auch keinen großen Unterschied mehr gemacht, wenn Mika auch noch laut gewesen wäre.

Aber an diesem Tag verschlief ich Torbens Getrampel einfach und ich war froh darüber, denn dieser Samstag war der langweiligste und gleichzeitig der nervenaufreibendste meines Lebens gewesen.

____

Hallo ihr Lieben.

Ich bin wieder da!

Endlich bin ich mal dazu gekommen Kapitel 5 zu überarbeiten und dabei hatte das nur 200 Wörter in der Rohdatei! Nur 200!!!

Jetzt hat es 2.150 und ist sehr viel besser. Jedenfalls so weit ich das beurteilen kann. Das endgültige Urteil liegt natürlich bei euch!

Mal schauen wann ich dazu komme das nächste Kapitel zu überarbeiten.

Ich dachte mit dem Ende der Schule würde ich endlich wieder zum Schreiben kommen, aber Pustekuchen! Der Stress ist nach wie vor da. Er ist nur anderer Natur.

Habt einen schönen und entspannten Abend.

Jule


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