Cruelty of Life - Band Eins

By Sophiamccarty

90.8K 4.4K 468

Ägypten, 1241 n. Chr. - Das Waisenmädchen Laetitia Khairy wird von ihrem Bruder in der Hoffnung verheiratet... More

Information
Kapitel 01 - Die verkaufte Braut
Kapitel 02 - Ein Geschenk
Kapitel 03 - Meine Prinzessin
Kapitel 04 - Namen sind unbedeutend
Kapitel 05 - Ein Kuss
Kapitel 07 - Die Grausamkeit des Lebens
Kapitel 08 - Spione werden bestraft
Kapitel 09 - Liebster Bruder
Kapitel 10 - Recht auf Leben
Kapitel 11 - Wände haben Ohren
Kapitel 12 - Caeser oder nichts
Kapitel 13 - Die Templer
Kapitel 14 - Stürme ziehen auf
Kapitel 15 - Vom anderen Ufer
Kapitel 16 - Geheimnisse gibt es überall
Kapitel 17 - Wahre Gerüchte
Kapitel 18 - Glück hält nicht ewig an
Kapitel 19 - Intrigen
Kapitel 20 - Des Königs Bastard
Kapitel 21 - Dreitausend Seelen
Kapitel 22 - Glückliche Fügung
Kapitel 23 - Gehorche, Mädchen
Kapitel 24 - Meine Königin
Kapitel 25 - Ein vaterloses Kind
Kapitel 26 - Ein Lebenszeichen
Kapitel 27 - Ein Todesurteil
Kapitel 28 - Der Sohn eines Kriegers
Kapitel 29 - Zugriff zur Vergangenheit
Kapitel 30 - Bring mich zurück zum Anfang ...

Kapitel 06 - Kleine Schwester

3.7K 186 6
By Sophiamccarty

LAETITIA

Ich versuche, Lucius strickt zu meiden, obwohl dies natürlich schwer ist, da ich immer noch seine Schwester bin, abgesehen davon, dass wir im selben kleinen Lager verharren. Soweit klappt es jedoch, denn es sind keine weiteren Vorfälle zwischen uns vorgefallen. Nein. Im Moment legt er sich lieber mit einer seiner Dienerinnen an, welche ihm gegenüber langsam aufmüpfig wird. Sie ist eine kleine Närrin, denn mit Lucius ist nicht zu scherzen.

Seit einigen Tagen ist er aber anders, er scheint seinen Verstand zu verlieren. Mein Bruder ist nicht mehr, wie er einmal war. Er wird immer brutaler, aber in Ausmaßen, welche mich erschaudern lassen. Ob unser Vater genauso war?

Ich weiß nicht viel über unseren Vater oder unserer Familie. Nur das, was Lucius mir erlaubt zu wissen, und selbst da weiß ich nicht, ob die Geschichte stimmt. Ich habe keine Erinnerungen an meine Vergangenheit.

Ich weiß nur, dass seitdem ich denken kann, ich mit meinem Bruder zusammen auf Reisen bin. Es war ein Wandel von Waisenhaus zu Waisenhaus. Warum wir nicht bei meinem Vater leben, hat Amun mir und Lucius nie erklärt.

Wahrscheinlich weiß er nicht einmal, dass wir existieren. Meine Gedanken schweifen ab.

Von Cajus oder Rucus habe ich seit Tagen schon nichts mehr gehört, und mache mir unglaubliche Sorgen um meinen Gemahl, welche früher nie erdenkbar waren.

»Hoffentlich kommt er bald zurück ...«, murmle ich mir selber zu und versuche stark zu sein.

Es ist noch Tag, doch der Himmel beginnt zu dämmern. Ich sitze auf einem Felsbrocken, beinahe derselbe, auf welchen ich nach meinem ersten Ritt zum Nachtlager saß.

Meine Hand streicht über das seidige, weißgraue Fell von Kenai.

Er hat sich vor mich gelegt, jedoch ist er so groß, dass ich noch problemlos mit meiner Hand an ihn rankomme.

Ich seufze entspannt auf. Er beruhigt mich, er macht mich mutiger, er verkörpert all das, was ich nicht bin: machtvoll und stark.

Der Wind fährt durch meine Haare und bringt einzelne Strähnen zum Tanzen. Hell wie die Sonne heben sie sich von dem dunklen Sand ab. Nur der Wolf vor mir ist noch heller. Schneeweiß hat Nailah es genannt. Für mich eher gräulicher.
Schnee, das ist für mich ein unbekanntes Konzept. Was Schnee ist, wie er ist, außer Weiß. Nailah hat gesagt, er ist gar nicht immer weiß. Manchmal ist er grau, grauer Matsch, und manchmal schimmert er blau oder durchsichtig wie Eis. Das kenne ich auch nicht.

Mein Bruder und ich haben immer nur in den südlichen Gebieten der Erde gelebt, größtenteils jedoch in Afrika.

Hier gibt es keinen Schnee, und wenn doch, habe ich ihn noch nie zu Gesicht bekommen. Früher wurden wir von Waisenhaus zu Waisenhaus geschickt, doch jetzt habe ich einen Platz, wo ich hingehöre. Doch noch weiß ich nicht recht, ob es das ist, was ich will. Auch weiß ich nicht, warum wir im Waisenhaus waren, wenn wir doch wahrscheinlich einen lebenden Vater haben. Wurden wir vielleicht verstoßen? Sind wir Bastarde?

Ich seufze. Natürlich sind wir das.

Ich gehe zurück in mein Zelt, schaue aber noch kurz Kenai dabei zu, wie er in den Wald läuft. Er hat sicherlich großen Hunger.

Ich setze mich auf mein Bett und starre in das Becken vor mir, welches randvoll mit Wasser gefüllt ist. Etwas stolz mustere ich mein Spiegelbild. Meine Schönheit ist wohl die einzige Waffe, welche mir vergönnt ist.

Katharina, eine meiner Dienerinnen kommt herein und setzt sich neben mich.

»Bedrückt Euch etwas, Herrin?«, fragt sie etwas besorgt. Ich mag sie. Sie ist sehr hilfsbereit und loyal. Kurz atme ich kräftig durch, ehe ich antworte.

»Warum wollte Rucus mich zur Frau?«

Sie schaut etwas bedrückt zu Boden und schweigt.

»Warum hat mein Bruder mich ihm zur Frau gegeben?«
»Weil er Gold brauchte, Herrin.« Bei ihr klingt der Titel sehr weich.

»Euer Bruder hat eine schöne Schwester und Rucus hat das Gold, welches er braucht.«

Ich verstehe ihn nicht. Wieso ist er dann noch hier?
»Also sind Geld und Macht das, was ich ihm Wert bin?«, frage ich etwas betroffen, aber was frage ich eigentlich ein Mädchen aus einer Nomadenfamilie.

Ich erwarte keine Antwort mehr von ihr und lächle ihr nur ein wenig zu, ehe ich sie für heute entlasse.

***

Eigentlich will ich nur neue Kerzen für mein Zelt bereitlegen und sie anzünden. Ich mag die Flammen und die Wärme um mich, weswegen auch die Kerzen schnell abbrennen.

Doch in dieser Nacht ist es anders.

Ich fühle mich bereits den gesamten Tag eigenartig, als würde irgendetwas passieren.

Ich betrete das Zelt und höre komische Geräusche. Zuerst denke ich, es wäre Lucius oder Cajus, welche mich wieder einmal ohne Ankündigung stören. Doch dem ist nicht so.

Ich trete näher an das Bett heran und falle urplötzlich in eine Schockstarre, als ich bemerke welche Person auf diesem Bett sitzt und zu Boden sieht.

»Rucus ...«, flüstere ich aufgelöst vor Sorge und falle ihm in die Arme. Erstickende Schluchzer entweichen meiner Kehle und Tränen überströmen meine Wangen.

Sanft legt er seine große Pranke an meinen Rücken und hält mich fest. Seine Knöchel streichen behutsam über meine seidige Haut. Vertränt blicke ich ihm tief in seine pechschwarzen Augen und bin gefesselt in seinem Blick. Er wirkt traurig. Was ist passiert? Warum war er so lange weg?

Ich beschließe, dass dies nicht der richtige Zeitpunkt ist, um ihn auszufragen und drücke ihn behutsam weiter auf das Bett, sodass er nun liegt.

»Du musst dich ausruhen, mein dunkler Prinz«, befehle ich kleinlaut und gebe ihm einen kleinen Kuss auf den Mund, ehe ich mich in seine Arme lege und mich der Dunkelheit hingebe.

***

Als ich, noch immer mitten in der Nacht, erwache, bemerke ich das Rucus nicht mehr neben mir liegt. Wo ist er nun schon wieder hin? Ich richte mich auf und schreite aus dem Zelt hinaus. Im Lager höre ich Männerstimmen, welche sich zu streiten scheinen. Was ist da los?

Langsam gehe ich auf die Stelle zu, woher die Stimmen kommen und entdecke zu meiner Überraschung Amun an einer Hütte gelehnt.

Er scheint dem Schauspiel welches Rucus und Lucius abgeben interessiert zuzusehen, woraufhin ich schleichend zu ihm spaziere. Er schenkt mir einen kurzen Blick und begrüßt mich, ehe er sich wieder den beiden widmet.

»Schönen Abend, mein Kind.« Meine Lippen formen sich zu einem leichten Lächeln, welches nur Nailah allein gehört. Er ist schon immer für mich wie ein Vater gewesen. Er passt seitdem ich denken kann auf mich und meinen Bruder auf.

Mein Kopf wendet sich in die Richtung von Lucius und Rucus. Es musste ja so kommen.

Etwas genervt stehe ich am Rand des Pfades, welchen tausend Pferde getrampelt haben und sehe dabei zu, wie mein Bruder meinen Gemahl anfährt und umgekehrt.
Manchmal benehmen die beiden sich echt wie kleine Kinder, welche sich um ihr Spielzeug streiten.
»Warum machen sie das immer?«, frage ich leise.

Nur Amun Nailah scheint mich zu hören. Der bronzefarbene Mann steht direkt neben mir. Beschützend irgendwie.

»Sie sind Männer, meine Liebe. Und Männer haben Männeregos«, ist alles, was er zur Antwort gibt. Ich sehe ihn fragend an.

»Ihr seid doch auch ein Mann?« Nun schmunzelt er etwas und sieht mir erfreut in die Augen.

»Ach Laetita. Ich habe gelernt, damit umzugehen«, erklärt er, und geht zusammen mit Lucius, welcher gerade mit Rucus fertig geworden ist, in sein Zelt.

Für einen kurzen Moment sehe ich den beiden noch hinterher, ehe ich meinen Blick zu Rucus wende. Gelassen schreitet er auf mich zu und haftet seinen Blick an mich.

»Wieso bist du nicht im Bett?«, fragt er etwas verärgert, da ich ihm offensichtlich nachspioniert habe.

»Ich bin dich suchen gegangen, als ich dich nicht bei mir fand«, antworte ich kleinlaut.

»Ich habe mir nur Sorgen gemacht.«

Er seufzt und legt seine Hand auf meine Wange.

»Um mich brauchst du dich nicht sorgen.«

Ich schüttele verärgert den Kopf. Er soll mir selber erst einmal erklären, wo er die vergangenen acht Tage war.

»Wo warst du die ganze Zeit über? Ich dachte schon, dir wäre etwas passiert!«

»Weg«, presst er genervt hervor und erklärt damit, das Gespräch für beendet.

Etwas enttäuscht über sein Verhalten gehe ich zurück in unser Zelt und lege mich schlafen. Rucus folgt mir allerdings nicht.

Am nächsten Abend befehle ich meinen Dienerinnen, mir Wasser für ein Bad zu bringen. Kaltes Wasser. Die Hitze in dieser Wüste ist unerträglich und mit der Zeit sind regelmäßige Kopfschmerzen vorprogrammiert. Vielleicht trinke ich auch einfach zu wenig.

Der letzte Krug mit Wasser wird in das hölzerne Becken eingelassen, während ich langsam meine Kleidung abschäle.

»Lasst mich allein«, befehle ich den Mädchen, woraufhin diese aus dem Zelt treten.

Genießend steige ich in die Wanne mit dem erfrischenden Wasser und lege meinen Kopf in den Nacken. Ein entspanntes Seufzen verlässt meine Lippen, während mein Kreislauf sich wieder bessert. Ich schließe meine Augen und gebe mich für einen kurzen Moment der stillen Dunkelheit hin.

Wenn ich nach oben blicke, ist es nicht der Himmel, welchen ich sehe, sondern glühende grüne Augen und braunes welliges Haar, welches über seine Schulter fällt. Cajus. Schweißtropfen glänzen auf seiner leicht gebräunten Stirn.

Bei jeder Bewegung fällt ein weiteres Haar über seine Schultern. Ich habe eine Hand in dieser prachtvollen Mähne vergraben. Die andere liegt auf seinen Rücken, während er sanft meine Hüften umschließt.

Wahnsinn ist es, dass er mich einerseits hält, als wäre ich zerbrechlich, wie ein Schmuckstück aus Glas, und gleichzeitig mit aller Wildheit und Leidenschaft in mich stößt. Ich genieße es.

Erschrocken wache ich mit der Hand fest gegen meine Brust gedrückt auf. Tief atme ich in unregelmäßigen Abständen durch. Was war das für ein Traum? War es überhaupt ein Traum? Ich schüttle ungläubig den Kopf und beschließe, an die frische Luft zu gehen. Die Hitze tut meinem Verstand nicht gut. Ich halluziniere.

Ich werfe mir ein hauchdünnes Kleid über und verlasse die Hütte. Selbst um diese Uhrzeit ist Rucus noch nicht zurück in unserem Bett.

»Barbar ...«, murmle ich mir selbst zu und lehne mich draußen gegen meine Hütte. Erst verschwindet er ohne Vorwarnung tagelang und dann redet er nicht einmal mit mir. Ich seufze genervt.

»Bedrückt dich etwas, mein Herz?«, reißt mich eine raue, bekannte Stimme aus meinen Gedanken. Reflexartig wende ich meinen Kopf in dessen Richtung.

»Cajus ...«, murmle ich und starre ihn fassungslos an. Warum ist er hier? In aller Öffentlichkeit? Jeder könnte ihn sehen. Ich schreite schnell auf ihn zu und presse meine Hände gegen seine Brust.

»Verschwinde! Schnell! Es ist hier alles andere als sicher für dich!«, befehle ich warnend, während ich in seinen grünen Augen gefangen bin.

»Beruhig dich, dein Gemahl ist gerade auf Jagd und der Rest ruht.«

Er zückt ein kleines Gefäß aus seiner Gürteltasche und übergibt mir dieses.

»Du musst etwas trinken, mein Herz. Dein Zustand verschlechtert sich.«
Beobachtet er mich etwa die ganze Zeit? Woher weiß er überhaupt das Rucus auf Jagd ist? Wenn er jagen geht, bekomme ich als seine Gemahlin Bescheid. Irgendetwas stimmt hier nicht. Jedoch nehme ich das Gefäß dankbar entgegen und trinke einen großen Schluck von der Flüssigkeit.

»Mhm«, seufze ich entspannt.

»Schmeckt es dir?«

»Was ist das? Es ist so süß.«

Noch nie zuvor habe ich derart köstliches kosten dürfen. Immer gab es nur Wasser.

Er lächelt mit einem undefinierbaren Ausdruck in den Augen, ich kann es nicht beschreiben.

»Wein, kleine Schwester«, erklärt er leise, während er seine Arme um meine Taille schwingt und mich somit festhält. Schwester? Hat Cajus mich gerade Schwester genannt?

Ich bemerke, wie mir etwas schwindelig wird. Meine Sinne beginnen leicht zu betäuben. Ich fühle mich schwach, richtig müde. Was war in dem Getränk? Hat er mich vergiftet?

Innerlich bin ich am Schreien, aber mein Körper macht keine Anstalten es meinem Inneren gleich zu tun. Einzig und allein meine Augen starren ängstlich in die grünen von dem Prinzen. Was hat er mit mir vor?

»Ich werde dich wieder nachhause bringen, Laetitia Acilius.«

Er drückt mir noch einen Kuss auf mein Haar, bevor mich die schweigende Dunkelheit einholt.


Continue Reading

You'll Also Like

Tialda By snowleopard074nit

Historical Fiction

44.7K 2K 29
Das junge Mädchen Tialda wird als Sklavin genommen, als die Dunja ihre Provinz erobern. Durch einige Umwege landet sie schließlich in dem Haushalt ei...
1.6K 377 105
Teil 3 der Attack on Titan becomes reality-Reihe Nachdem die Charaktere aus der Attack on Titan-Welt wieder in ihre Heimat abgereist waren, versanken...
10.8K 315 24
,,Wo warst du? Wolltest du nicht aufs Klo?" fragte er mich und seine Stimme hinterließ mir eine Gänsehaut. Sie war sehr tief und hatte einen ausländi...
187 18 15
Ikhlas wurde als junges Mädchen aus ihrer Siedlung in Arabien von weißen Männern entführt und in ein Gebiet gebracht, welches mehrere Wochen oder doc...