Das Leben einer Königin

By LucieJules

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1601 erblickt Anne das Licht der Welt. Die Freude der Familie ist groß, denn Anne wird mit Bestimmtheit eines... More

Kurze Vorbemerkungen
Widmung
1601
Teil Eins
1607
1609
1610
1613
1614
1615
Teil Zwei
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Teil Drei
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5. September 1638
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1665
Danksagung
Kurze geschichtliche Anmerkungen

1666

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By LucieJules

„Anne? Es ist Besuch für Euch da." Die Kranke versuchte sich in eine aufrechte Position zu manövrieren, doch es gelang ihr nicht. Schnell war Constance zur Stelle und half ihr. Die Königin hustete rasselnd. „Constance?", flüsterte sie. „Ja?", fragte diese und legte ein aufmunterndes Lächeln auf die Lippen. „Ich danke Euch."

Etwas erstaunt blickte die ehemalige Zofe hoch. „Für was?", wollte sie wissen. „Für alles. Für alles, was Ihr für mich getan habt. Für die Momente im Louvre, in denen wir gelacht und uns über Hofetiketten lustig gemacht haben. Aber auch dafür, dass Ihr immer für mich da wart. Sozusagen mein ganzes Leben lang. Ihr habt mich immer unterstützt, mir zugehört und für mich gekämpft. Ich bin Euch ewig dankbar für Eure Freundschaft."

Constance lächelte gerührt. Ein paar Tränen glänzten in ihren Augenwinkeln. „Nun, auch wenn ich Euch am liebsten zum Stillschweigen bringen möchte, weil dies wie ein Abschied klingt, kann ich Eure Worte nur zurückgeben. Ich bereue es keinen einzigen Tag, dass ich vor so vielen Jahren Eure Zofe geworden bin. Damals hätte ich nie geglaubt, dass ich eine wundervolle Freundin finden würde. Ich glaubte, Ihr wärt eine dieser arroganten Hofziegen, von denen meine Bekannten berichtet hatten", zwinkerte sie. Die Frauen lachten beide; die eine erschöpft, die andere röchelnd. „Aber nun will ich keine Worte des Abschieds mehr hören!", zog Constance ihre Freundin auf. „Versprochen", kicherte diese rau.

Die beiden Frauen umarmten sich fest, dann löste sich Constance und sagte: „Euren Besuch möchten wir nicht noch länger warten lassen. Louis möchte dich bestimmt sofort sehen." Sie verschwand um den König hineinzubitten, während die Königin es noch kaum fassen konnte, dass ihr Sohn sich endlich aufgemacht hatte, um sie zu besuchen. Nach so vielen Jahren, in denen er keine Lebenszeichen von sich hatte sehen lassen, tauchte er endlich auf.

Was sie nicht wusste, war, dass Constance selbst einen Brief an den Regenten verfasst hatte, in dem stand, dass seine Mutter im Sterben liegen würde und wenn er sie besuchen wollte, müsste er das schnell tun. Weder Constance noch die Musketiere hatten geglaubt, dass der König wirklich zwei Tage später an der Türe um Einlass bitten würde.

Maman?", fragte er zögerlich. „Kommt hinein, mein Louis", lächelte Anne glücklich. Reumütig trat der Sohn näher. Er entschuldigte sich mehrfach, dass er sie nicht schon früher besucht hatte. Doch Anne wollte davon nichts wissen, sie nahm es ihm in keiner Weise übel. Sie wollte lieber noch alles über sein jetziges Leben erfahren. Louis erzählte liebend gerne. Von seinen berühmt berüchtigten Festen. Vom Leben im Louvre. Von Grafen und Beratern, denen die witzigsten Ungeschicklichkeiten unterliefen. Er erzählte sogar von einem Mädchen. Ihren Namen erwähnte er nicht, doch seine Mutter wusste gleich, dass dieses Mädchen ihrem Sohn mehr bedeutete als die Restlichen.

„Ich würde sie gerne kennen lernen, doch sie wird nächstens wohl kaum die Zeit aufbringen können, um mich hier im Landhaus zu besuchen. Schreibt Ihr mir in naher Zukunft einen Brief, Louis? Dann weiss ich, wie es Euch geht", bat sie ihn. „Natürlich, Maman. Und ich werde sie fragen, ob sie mich bei meinem nächstens Besuch zu Euch begleiten will. Ihr würdet sie mögen, Maman." Ein abwesender Ausdruck trat in seine Augen. Als wäre er eben ganz weit weg, bei der Erinnerung an ein Mädchen. „Das würde ich bestimmt!", lächelte Anne, bevor sie von einem Hustenanfall heimgesucht wurde.

Als sie erneut sprechen konnte, wurde ihre Stimme ernst. „Louis, bitte achtet gut auf unser Volk. Ihr habt ein gutes Herz, nur zeigt Ihr es nicht allen. Wenn Euch das Volk so kennen würde, wie ich Euch kenne... Ihr wärt der beste König, den es gäbe. Versucht den Menschen den wahren Louis zu zeigen. Versucht es mir zu Liebe, ja?" Der König nahm die schmalen Hände seiner Mutter in seine, drückte einen sanften Kuss darauf. „Ich verspreche es Euch, Maman."

Warm und herzlich lächelte Anne ihn an. Mit dem Blick einer Mutter, deren Liebe durch nichts getrübt werden konnte. „Und jetzt geht zurück in den den Louvre und richtet Eurem Mädchen die herzlichsten Grüsse von mir aus." Louis lachte und winkte seiner Mutter im Türrahmen noch einmal zu, bevor er ganz verschwand.

Anne wartete, bis sie die Kutsche wegfahren hörte. Das Schauben der Pferde verstummte und die Strasse knirschte unter den Rädern. Erst dann rief sie, so laut sie konnte, nach Aramis. Constance blickte ins Zimmer. „Was ist los?" Es war offensichtlich, dass sie sich grosse Sorgen machte, um ihre Königin. „Könntet Ihr Aramis zu mir bitten, ich möchte ihn sprechen", bat Anne, die nun fast hektisch nach Luft schnappte. „Soll ich Euch nicht helfen mit dem Husten? Ich könnte Euch eine Suppe zubereiten." Doch Anne schüttelte nur den Kopf. „Bitte", flehte sie. „Ich suche ihn sofort."

Kaum fünf Minuten später war der Gesuchte auch schon am Bettrand aufgetaucht. Vorsichtig setzte er sich auf den Bettrand. „Was ist denn, meine Liebste?" Auch er begegnete ihr mit einem Lächeln, doch Anne konnte die Sorge in seinen Augen sehen. „Ich muss dir noch etwas sagen, bevor ich keine Gelegenheit mehr dazu habe."

„Anne, hör mich an: Du wirst nicht sterben", rief er ihr aber vor allem sich ins Gedächtnis. „Doch, ich werde sterben. So wie wir alle. Jeder muss eines Tages sterben. Und ich spüre, dass ich kaum mehr Zeit habe, also lass sie uns nicht damit verschwenden, uns vor der Realität zu verstecken." Sie wartete ab, bis er nickte. Erst dann setzte sie erneut an: „Ich muss dir etwas beichten."

„Du kannst mir alles sagen." Trotzdem wusste Anne nicht recht wie beginnen. „Ich liebe dich, Aramis, aber ich habe dich angelogen. Es ist eine schreckliche Lüge, doch ich konnte dir so lange nicht die Wahrheit sagen. Und als ich es endlich konnte, wusste ich nicht, wie ich es dir beibringen soll." Keuchend sprudelten die Worte aus ihr heraus. „Du machst mir Angst, also bitte, sag es mir einfach", beschwor Aramis sie. Sie schloss die Augen und holte rasselnd Luft.

„Ich habe nie das Bett mit meinem Gatten geteilt. Ich weiss nicht, wie er meine Zurückhaltung ertragen hat. Ich weiss nicht, wie er es erlauben konnte, doch wahrscheinlich bin ich ihm damit solange in den Ohren gelegen, dass er mich eines Tages nicht mehr wollte. Es hat mich einiges an Kraft gekostet, mich immer zurückzuziehen und neue Lügen zu erfinden, aber schliesslich liess er mich in Ruhe. Er hatte andere Frauen, mit denen er sich zu vergnügen wusste."

„Aber Louis ist doch sein Sohn?" Verdattert stand Aramis da. Sein Hirn konnte die Informationen nicht verarbeiten. Konnten die Informationen nicht zu einem schlüssigen Ganzen zusammensetzten. „Nein", sagte Anne und ausnahmsweise war ihr Stimme klar. „Dann ist er?", stotterte Aramis. Er konnte keinen klaren Gedanken fassen.

„Ja. Der König ist dein Sohn. Du warst der einzige Mann, mit dem ich je ein Bett geteilt habe." Aramis starrte auf ihre Hände in den seinen. „Aber... Aber wieso hast du mir das nicht schon früher gesagt? Ich hätte mich auch um unser Kind gekümmert." Anne konnte ihm nicht verübeln, dass seine Stimme einen vorwurfsvollen Nachhall hatte. „Es ging nicht. Der König liess mir keine Wahl und ich hätte dich nur in Gefahr gebracht, wenn du es gewusst hättest. Das konnte ich nicht. Aber jetzt bleibt mir nicht mehr viel Zeit und ich wünschte mir, du würdest nach meinem Tod eine schützende Hand über Louis halten. Er braucht jemanden, der ihn hin und wieder auf den richtigen Weg zurückbringt."

„Ja, das werde ich machen", sagte Aramis, auch wenn er noch nicht ganz realisiert hatte, was ihm Anne so eben eröffnet hatte. Verständlich. Man wurde nicht jeden Tag Vater eines neunundzwanzigjährigen französischen Königs. Er würde bestimmt noch ein paar Stunden brauchen, bis sein Hirn die Information voll und ganz begriffen hatte.

„Aramis, noch etwas", setzte wie wieder an. „Aber keine weiteren Kinder, oder? Das wäre schon ein bisschen zu viel für einen Abend!" Anne lachte, musste aber gleich darauf heftig husten. Nachdem ihr Hustenanfall vorüber war und sie ein bisschen Wasser getrunken hatte, sprach sie weiter. „Nein, keine weiteren Kinder. Aber machst du mir einen Gefallen?" Liebevoll spielte mit einer ihrer silbernen Strähnen. „Jeden."

„Weine nach meinem Tod nicht. Du sollst nicht den Momenten nachtrauern, die wir nicht mehr haben werden, sondern dich an alle glücklichen Momente erinnern, die uns verbinden." Sie hustete erneut. „Ich werde es versuchen." Er küsste ihre Hände. „Danke", flüsterte sie dankbar.

Aramis beugte sich vor uns küsste Anne auf die fiebrige Stirn. Sie atmete immer flacher. Als er aufstehen wollte um Constance zu rufen, hielt sie ihn zurück. Sie verschränkte ihre Finger fest mit seinen. Sie schüttelte und lächelte jedoch. Sie wussten beide, was nun kommen würde. Es war unvermeidlich.

So sass das alte Liebespaar da. Anne tief in ihren Kissen versunken und Aramis neben ihr. Er verharrte auch, als ihre Atemstösse immer ruckartiger wurden. Er würde bei ihr bleiben, sie nicht alleine lassen. Anne drückte seine Hand, lächelte und holte zum letzten Mal Atem. Dann hörte ihr Herz auf zu schlagen.

Ihr Geliebter strich ihr die Haare aus dem Gesicht, wie er es im Verlauf ihres Lebens um die tausend Mal getan hatte. Er fuhr vorsichtig die Linie ihres Gesichtes nach, die ihm vertrauter waren als seine eigenen. Er schloss ihre Augenlieder und küsste sie ein letztes Mal sanft auf die Lippen.

„Weisst du, Anne. Ich habe dir versprochen nicht zu weinen, also werde ich es auch nicht tun. Ich halte mein Versprechen. Über meine Wangen wird keine Träne rollen. Doch selbst mein Versprechen kann nicht verhindern, dass mein Herz weint. Und es wird erst aufhören, wenn wir wieder vereint sind."

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