Der Februar und der März zogen sich in die Länge. Nach Albus' Geständnis hatte Amina einige Wochen nicht mehr mit ihm gesprochen. Was nicht nur daran lag, dass sie wütend auf ihn war, sondern auch daran, dass er wieder sehr oft nicht anwesend war. Nachdem Draco zum zweiten Mal bei dem Versuch gescheitert war, Albus zu töten, hatte er sich einige Wochen von ihrem Einzelunterricht befreien lassen, um weiter an seinem Plan arbeiten zu können. Amina gewährte ihm seine Auszeit.
Sie lagen mit ihrem Unterricht gut in der Zeit. Wie sie erwartet hatte, stellte sich der jüngste Malfoy als würdiger Nachfolger heraus. Selbst seine Objektivität hatte sich um ein Vielfaches gesteigert. So sehr, dass sie tatsächlich immer wieder Zweifel bei ihm wahrnahm, ob seine Loyalität zum Dunklen Lord, wirklich das richtige war. Gleichzeitig spürte sie seine Angst. Außerdem wusste sie von Myrte, dass er sehr oft in einer der Toiletten weinte. Er würde sich wohl nicht allein vom Dunklen Lord abwenden. Er hatte zu große Angst. Berechtigte Angst. Für jeden seiner Fehler, würde seine Familie bezahlen müssen und dann er. So, wie es gerade bei Lucius geschah.
Die zusätzlichen Abende hatten dazu geführt, dass Severus und sie mit allen Spiegeln fertig wurden. Ihnen fehlten zwar immernoch einige der Häuser und Wohnungen doch auch diese wurden immer überschaubarer. Sogar für ein paar Besuche bei Aberforth hatten sie Zeit gefunden. Seit dem Severus seinen Patronus offenbart hatte, hatte sich eine ganz neue Art der Zweisamkeit bei ihnen entwickelt. Eine Art blindes Vertrauen, dass zwar bereits vorhanden war aber noch nie so spürbar, wie es jetzt der Fall war. Über seinen Patronus und denen mit ihm verbundenen Worten hatten sie nicht mehr gesprochen.
Als die Osterferien kamen, beschlossen beide sich für einige Tage in ihr Anwesen zurückzuziehen, um dem erdrückenden Gefühl, dass die ganze Situation bei ihnen auslöste zu entkommen. Addy freute sich endlich wieder Menschen in dem großen Anwesen zu haben und bereitete ihnen ein richtiges Festessen zum Empfang.
Am Morgen nach ihrer Ankunft wachte Amina früher auf als sonst auf. Sofort, nachdem sie aufgewacht war, stürmte sie in das Badezimmer und erbrach sich in die Toilette. Sie spürte, wie Severus in den Raum kam und ihr wenige Sekunden später die Haare zurückhielt. „Alles in Ordnung?", fragte er mit müd klingender Stimme, als sie fertig war. „Anhand des Mageninhalts in der Toilette würde ich sagen nein.", antwortete sie sarkastisch. Er schmunzelte. „Hast du Schmerzen?", fragte er, als er ihre Hand auf ihrem Bauch sah.
„Leichte, ja.", sagte sie. „Komm, ich sehe es mir an.", bestimmte er und zog sie hoch. Bevor sie zusammen das Bad verließen, spülte sich Amina noch den Mund aus. „Leg dich auf den Rücken.", wies er sie an, als sie wieder das Bett erreichten. Sie folgte widerstandslos seiner Aufforderung. Severus nahm seinen Zauberstab vom Nachttisch und fuhr damit über ihren Körper. Sie nahm an, dass er einige stumme Zauber sprach, denn sein Blick wirkte konzentriert. „Schwanger bis du schon mal nicht.", stellte er fest. Erleichtert atmete sie aus, was ihn dazu brachte eine Augenbraue zu heben. „Wer will in diesen Zeiten schon ein Kind?", fragte sie ihn. „Du wärst bestimmt eine gute Mutter.", stellte er fest. Sie zuckte mit den Schultern. „Ich werde es wohl nie erfahren. Tatsächlich reichen mir die Lernenden aus. Ich brauch keine eigenen Kinder. Was ist mit dir? Hat sich deine Meinung geändert?", fragte sie ihn.
Sie hatten das Thema schon lange nicht mehr angesprochen. Das letzte Mal waren sie gerade Mal einige Monate zusammen gewesen. Amina stellte bei diesem Gedanken fest, dass die tatsächlich seit fast sieben Jahren mit Severus zusammen war. „Nein.", antwortete er ihr knapp. Sie wusste, dass er nicht ganz die Wahrheit sagte, ließ ihn aber damit in Ruhe. „Du scheinst eine leichte Allergie zu haben.", lenkte der das Gespräch wieder auf das eigentliche Thema. „Gegen was?", fragte sie. „Ich weiß es nicht.", antwortete er ihr und verließ den Raum. Kurze Zeit später kam er mit einem Trank zurück. „Hier, trink das." Er hielt ihr das Fläschchen hin. Sie setzte sich ein wenig auf und trank.
Gegen Mittag ging es ihr deutlich besser und sie beschlossen einen Spaziergang durch den riesigen Garten zu machen. Kaum waren sie wieder in der Eingangshalle angekommen erschien Addy vor ihnen. „Herrin Amina. Vor dem Tor steht ein Gast, der die Herrin sprechen will.", berichtete die Hauselfe. Amina erweiterte überrascht ihre Legilimentik. Tatsächlich konnte sie eine, ihr bekannte, Person ausmachen. „Bitte ihn herein und mach uns einen Tee." Addy nickte und verschwand mit einem leisen plop.
„Wer ist es?", fragte Severus mit erhobener Augenbraue. „Mr. Hunter. Der Sprecher des Vorstands der Alchemistengilde. Er ist der älteste im Vorstand", antwortete sie ihm und war tatsächlich ein wenig nervös. Sie hatte die Vorstandsmitglieder seit den Weihnachtsferien nicht mehr gesehen, konnte sich aber an ihrem Interesse an ihr gut erinnern. Das jetzt der Sprecher zu ihr kam war sicher kein Zufall. „Dann gehe ich besser ins Labor.", beschloss Severus, gab ihr einen Kuss und war wenige Sekunden später verschwunden. Amina lief dem Ältesten entgegen, der bereits an der Haustür angekommen waren.
„Guten Tag, Mr. Hunter.", begrüßte Amina ihren Gast. „Frau Professor Tahnea, es ist uns eine Freude.", strahlte sie Mr. Hunter, ein alter Alchemist und Sprecher des Rates, an. Er sprach immer in der Mehrzahl vor sich. Als sie ihn am Anfang ihrer Lehrzeit bei Nicolas kennenlernte, hatte es Amina noch verwirrt, doch inzwischen hatte sie sich daran gewöhnt. „Die Freude ist ganz meinerseits. Kommen Sie doch herein.", bat sie und führte ihn in den Saloon. Nach einigen Minuten Smalltalk brachte Addy den Tee. Kaum hatten sie beide ihre Tassen sah der Älteste sie ernst an. „Frau Professor Tahnea, Sie haben bereits einige Arbeiten in der Gilde eingereicht und wir sind mehr als beeindruckt. Ihre Arbeit an dem Todesbrecher war revolutionär. Wir haben all Ihre Ergebnisse geprüft und sind zu einem tadellosen Ergebnis gekommen. Viele Andere hätten um einiges länger gebraut, um ein solches Gestein zu entwickeln und das auch mit der Hilfe der Zeitscheibe.", lobte der Älteste ihre Arbeit.
Amina hatte die Ergebnisse Anfang Dezember an den Vorstand weitergegeben, damit dieser ihre Ergebnisse anerkannte. Erst wenn der Vorstand oder einer der Großmeister seinen Bericht abgegeben hatte, galt ein alchemistisches Experiment als geglückt und durfte auch als Endprodukt eingesetzt werden. Da es sich bei dem Todesfluch um eines der alchemistischen Knacknüsse handelte, hatte der Vorstand die Prüfung selbst übernommen. Denn die Knacknüsse waren, wie der Stein der Weisen, Projekte, die seit Jahrhunderten erforscht wurden und zu denen es noch keine geprüfte und bestätigte Lösung gab. Wie die Vorstandsmitglieder auf diese Bezeichnung gekommen waren, war Amina jedoch ein Rätsel.
„Um genau zu sein, ist bis jetzt jeder am Todesfluch gescheitert.", präzisierte Mr. Hunter. Er strich sich nachdenklich durch seinen grauen Bart. „Uns war bereits bewusst, dass Nicolas niemand unfähigem die hohe Kunst der Alchemie lehren würde.", führte er seine Gedanken weiter aus und Amina war sich nicht sicher, ober er über sich oder den Vorstand sprach. „Wie dem auch sei. Wir sind hier, um Ihnen dies hier zu geben." Er reichte ihr eine Schriftrolle mit Sigel. Amina öffnete sie und sah sich das Zertifikat für ihre Arbeit an. Der Vorstand hatte den Todesbrecher offiziell bestätigt. Aminas Augen funkelten glücklich, während der Rest ihres Körpers keine Regung zeigte.
„Und das hier." Der grauhaarige Alchemist überreichte ihr eine weitere Rolle. Das Zertifikat für die Spiegel, wie sie nach dem Öffnen feststellen musste. Sie hatte dieses Projekt eigentlich von wenigen Wochen bei dem Großmeister für alchemistische Verzauberungen eingereicht und nicht damit gerechnet es jetzt schon zurückzubekommen. Prüfungen dauerten meistens einige Monate. „Und das hier." Eine weitere Schriftrolle wurde ihr entgegengehalten. Amina überlegte, was sie denn noch eingereicht hatte. Normalerweise reichte sie die geglückten Weihnachtsexperimente auch ein, doch in diesem Jahr hatte sie nicht neues hergestellt. Neugierig öffnete sie die Rolle. Ihr Auge weitete sich vor Überraschung. Frau Professor Amina Tahnea Meisteralchemistin, stand dort.
„Ich werde zur Meisterin erhoben?", fragte sie, um sicher zu gehen, dass sie das Zertifikat richtig gelesen hatte. „Ganz recht. Sie haben sich diesen Titel verdient.", stimmte ihr Mr. Hunter zu. „Schon allein die Spiegel hätten dazu ausgereicht. Sie sind seit der Erfindung des Flohpulvers das beste Transportmittel, das bei einem der Großmeister eingereicht wurde. Ihr Verlobter, Professor Snape war meines Wissens ebenfalls beteiligt an der Herstellung, weshalb das hier-" er zog eine weitere Rolle aus seinem Umhang."-für ihn ist." Amina nahm die Schriftrolle entgegen und legte sie zur Seite.
„Aber wir sind noch nicht fertig.", warf der Alchemist ein, als sie zum Dank ansetzten wollte. Überrascht schloss sie ihren Mund wieder und nahm die nächste Rolle entgegen. Wie viele davon wohl noch in seinem Umhang ruhten? Auch diese Rolle öffnete sie. Verteidigerin gegen die Dunklen Künste stand dort. „Diesen Titel bekommen nur Personen, die einen starken schwarzmagischen Fluch oder eine schwarzmagische Verzauberung neutralisieren können. Sie haben wohl einen der schwersten gebrochen, der zudem auch zu den Dunklen Künsten gehört. Wir setzten der Einfachheit halber Schwarze Magie mit den Dunklen Künsten gleich, auch wenn Ihnen der Unterschied bekannt sein dürfte. ", erklärte Mr. Hunter mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Er schien zufrieden mit dieser Auszeichnung für sie. Zumindest war es das Gefühl, dass sie am stärksten bei ihm wahrnahm.
„Und nun die letzte Rolle." Dieses Mal war auf der Rolle ein anderes Sigel, das Amina noch nie gesehen hatte. Amina öffnete auch die Rolle und verschluckte sich an ihrem Tee, als sie die ersten Zeilen las. „Ich soll Großmeisterin der alchemistischen Verteidigung gegen die Dunklen Künste werden?", fragte sie ungläubig. „Ganz recht. Sie bringen seit heute alle nötigen Voraussetzungen mit und würden sich perfekt für diese Stelle eignen. Ehrlich gesagt sind Sie momentan auch die Einzige, die diese Voraussetzungen erfüllt." „Was ist mit dem jetzigen Großmeister?", fragte Amina verwirrt. Sie hatte Mr. Scrooge im letzten Sommer kennengelernt. Dort hatte er nicht den Eindruck gemacht, als würde er den Posten in naher Zukunft abgeben wollen. Mr. Hunters Gesichtsausdruck trübte sich.
„Großmeister Scrooge und die anderen, die für diese Stelle in Frage gekommen wären, wurden von Todessern getötet. Sie-wissen-schon-wer hat sie anscheinend als eine Bedrohung gesehen.", antwortete er mit belegter Stimme. „Und da denken Sie wirklich, ich bin die richtige für diese Stelle?", fragte sie zweifelnd. Der Alchemist nickte. „Ja, das sind sie. Wir haben bereits Vorkehrungen getroffen, um Sie zu schützen. Bis der Krieg vorbei ist, wird Ihr Name nicht mit dieser Stelle in Verbindung gebracht werden können. Sie müssten die Nebenwirkungen der nötigen Gesinnungs- und Reinigungsrituale heute schon gespürt haben." Der Älteste sah sehr zufrieden mit ihrer Entscheidung aus und Amina wurde klar, warum sie sich am Morgen übergeben musste. Es waren die Fernrituale gewesen. „Was muss ich in dieser Stellung tun?", fragte Amina vorsichtig nach. Sie würde für nichts auf der Welt Hogwarts verlassen. Allerdings konnte sie wohl auf den Schutz des Vorstands vertrauen.
„Sie werden selbst mit dem Überprüfen der Arbeiten betraut, die mit ihrem Fachbereich zu tun haben. Außerdem erhalten Sie mehr Förderungen für ihre eigenen Projekte und beantworten die Fragen, die Ihnen von den Mitgliedern unserer Gilde gestellt werden." Amina ließ sich das Angebot durch den Kopf gehen. „Werde ich das neben meiner Tätigkeit als Lehrerin ausführen können?", fragte sie. „Gewiss doch.", bestätigte Mr. Hunter, in dessen Gesicht das Lächeln zurückgekehrt war. Amina spürte, dass er die Wahrheit sagte. „Dann ist es mir eine Ehre diese Aufgabe anzunehmen.", sagte sie schließlich. „Sehr schön." Mr. Hunter klatschte begeistert in die Hände. „Sehr schön. Ihre Arbeit beginnt ab Anfang Mai. Bitte sehr." Er reichte ihr einen Ring, der sie als Großmeisterin kennzeichnete und nur von ihr als solche getragen werden konnte. „Sie sollten ihn wohl erstmal nicht tragen, aber es ist nun offiziell ihrer."
Eine Stunde später verabschiedete sich der Alchemist und ließen Amina verdutzt, aber glücklich, zurück. Nie hatte sie damit gerechnet in eine solch hohe Position gerufen zu werden. Sie hatte gewusst, dass sie Vorstandsmitglieder überlegt hatten sie zu befördern, doch gleich zur Großmeisterin, damit hatte sie nicht gerechnet. Es war wohl auch den unglücklichen Morden an ihrem Vorgänger und den anderen Gildenmitgliedern geschuldet, dass sie gleich eine so hohe Position bekam. Vermutlich wäre sie sonst erstmal seine Assistentin geworden. Vor allem, da ihr Urgroßonkel selbst ein sehr guter Alchemist war und keinen solchen Titel trug, empfand sie es als eine noch größere Ehre als ohnehin schon. Der Meister hatte mehrere dieser Titel getragen und war auch einige Jahrhunderte Mitglied der Vorstand gewesen. Irgendwann hatte er allerding keine Lust mehr auf die Arbeit und hatte den Platz einem anderen überlassen.
„Du siehst zufrieden aus.", stellte Severus fest als er von seinem Kessel aufblickte. Sie hatte gerade das Labor betreten. „Bin ich auch.", stimmte sie zu. „Ich habe die Zertifikate für die Spiegel und den Todesbrecher.", erzählte sie. „Hier." Sie überreichte ihm seine Schriftrolle. Er hob eine Augenbraue. „Ich bekomme auch eins?", fragte er. „Natürlich. Wir haben die Spiegel schließlich gemeinsam entwickelt.", antwortete sie ihm. Er öffnete die Schriftrolle und holte überrascht Luft. „Das ist kein Zertifikat.", sagte er nach einigen Sekunden. „Nicht? Was ist es dann?", fragte Amina und nahm das Pergament entgegen als er es ihr reichte.
„Du bist wohl jetzt offiziell Hexenmeister.", stellte Amina fest. „Glückwunsch.", sagte sie und küsste ihn. „Und was für einen Titel hast du bekommen?", fragte er und legte seine Hände an ihre Hüften. „Ich bin Meisteralchemistin, Verteidigerin gegen die Dunklen Künste und Großmeisterin der alchemistischen Verteidigung gegen die Dunklen Künste.", zählte sie auf. Severus schnaubte belustigt. „Hatte sie nicht noch längere Titel?", fragte er. „Ich habe ihn nicht befragt.", antwortete sie und ließ sich von ihm einen weiteren Kuss geben. Er wandte sich wieder seinem Trank zu und rührte vier Mal im Uhrzeigersinn um.
„Im Übrigen denke ich, dass ein alchemistisches Schutzritual für meine Übelkeit heute Morgen verantwortlich war. Mein Titel ist, solange wir uns im Krieg befinden, geschützt, damit der Dunkle Lord nicht herausfindet, wer gerade den Titel des Großmeisters oder in meinem Fall wohl eher der Großmeisterin in diesem Bereich trägt. Ich bin die erste Frau, die diesen Titel trägt." „Er hat den letzten Großmeister töten lassen?", vermutete Severus. Sie nickte. „Ihn und alle, die für diesen Titel noch in Frage gekommen wären." „Dann solltest du noch vorsichtiger sein, als du es sowieso schon bist.", stellte er mit einem besorgten Funkeln in den Augen fest. „Das werde ich.", bestätigte sie. „Was hältst du davon, wenn du das hier fertig machst und wir danach unsere Erfolge mit einem heißen Bad und einem verführerischen Stein feiern?", schlug sie vor. „Ein exzellenter Plan.", stimmte er mit dunkler Stimme zu.