Anger Management | Marten | 1...

By longislandicetea

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„Setz dich endlich hin, du Spinner!" Als ich der schneidenden Stimme den Kopf zudrehte, hielt ich den Atem an... More

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01 | Unverhofftes Wiedersehen
02 | Separee
03 | Erinnerungen
04 | Girls Talk
05 | Wiedersehen
06 | Gute Vorsätze, schlechte Umsetzung
07 | Drachen und Furien
08 | Zu mir oder zu dir?
09 | Lulu Luxury
10 | Überraschungsbesuch
11 | Liebe geht durch den Magen
12 | Bürodrache
13 | Lulu & Marty
14 | Tausend Sterne
15 | Ungutes Bauchgefühl
16 | Hamburger Nächte
17 | Standbar
18 | Offenbarungen
19 | Scherbensprung
20 | Versöhnung?
21 | Schlechte Erinnerungen
22 | Missverständnisse
23 | Herzschmerz
24 | Gefühlsausbruch
25 | Unverhofft kommt oft
26 | Annäherung
27 | Zerrissen
29 | Reue
30 | Glitzerbürste oder Besen?
News :)

28 | Emotional überfordert

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By longislandicetea

Ihr Süßmäuse, ich wünsche euch Frohe Ostern und viel Spaß bei diesem Kapitel :D

Ich ließ mich zu meiner Großmutter an den Küchentisch sinken und betrachtete das Essen, das sie gerade vor mich stellte. Es duftete herrlich nach gebratenem Fisch und dem Rosmarin der Kartoffeln. Ich konnte mich nicht daran erinnern, wann wir das letzte Mal gemeinsam zu Mittag gegessen hatten. Entweder hatte ich im Büro gearbeitet oder jemand von uns hatte die Stellung im Café gehalten. Umso schöner fand ich es, dass wir es heute, am einzigen Ruhetag des Ladens, endlich mal wieder schafften. Wie meine Oma eben war, hatte sie mich von den Vorbereitungen weitestgehend ausgeschlossen. Es war mir lediglich gelungen, mich zum Kartoffelschälen aufzuzwingen, aber den Rest hatte sie komplett allein gemacht, während ich meinem Opa im kleinen Garten zur Hand gegangen war und ihm dabei geholfen hatte, die selbst gepflanzten Tomaten zu ernten und die verwelkten Blätter der Bäumchen auszuschneiden.

„Guten Appetit", sagte meine Oma und schob mir meinen Teller rüber, als sie sich zu mir und meinem Großvater an den Tisch gesetzt hatte.

„Hmm", machte ich. „Riecht superlecker."

Ein Lächeln huschte ihr übers Gesicht.

„Lasst es euch schmecken."

Ich griff nach meinem Besteck, probierte von den Rosmarinkartoffeln und verdrehte genüsslich die Augen. Seit ich meine zwei Jobs im Café und in der Bar miteinander vereinte, kam ich kaum mehr dazu, für mich selbst frisch zu kochen. Diese Mahlzeit war für mich also so etwas wie ein Segen.

„Echt super, Oma", lobte ich sie und teilte mir ein Stück Fisch ab. Sie lächelte zufrieden.

„Freut mich. Ich dachte mir, vielleicht möchtest du öfter an den Ruhetagen mal zu Mittag kommen", schlug sie vor. Ich nickte.

„Wenn wir alle mal nichts zu tun haben, sehr gerne."

Mein Großvater schmunzelte.

„Du müsstest einfach nur etwas früher aufstehen", stichelte er. Ich seufzte lautlos. Schließlich wussten sie nicht, wie hart mir die Nächte auf dem Kiez tatsächlich in den Knochen steckten, ich ließ es mir einfach nicht anmerken.

„Ich weiß, aber wenn ich erst im Morgengrauen nach Hause komme, freue ich mich wirklich auf meinen Schlaf", gestand ich ehrlich. Meine Oma winkte ab.

„Und den hast du dir verdient", schlug sie sich auf meine Seite. „Du arbeitest schließlich auch hart."

„Ach was, so schlimm ist das gar nicht", spielte ich die mentale Anstrengung herunter, die die Strandbar so mit sich brachte. Inzwischen hatte ich mich voll in meinen Job eingelebt und die Leute dort zu gut kennengelernt, dass mich ihre Schicksale kaltließen.

Augenblicklich schlich sich Ratte wieder in meinen Kopf zurück. Er war das wiederholte Mal beim Schwarzfahren erwischt worden und nun drohte ihm bei der anstehenden Gerichtsverhandlung sogar eine Freiheitsstrafe. Da Ratte weitaus sensibler und sanftmütiger war, als es auf den ersten Blick den Anschein hatte, zerbrach er sich ständig den Kopf darüber, was aus ihm werden sollte, würde er tatsächlich zu einer Haftstrafe verurteilt werden. Viktor hatte sich seiner angenommen, seinen Anwalt angerufen und Ratte versprochen, sich um ihn zu kümmern.

„Ich finde, du hast dich verändert, seit du dort arbeitest", warf meine Großmutter ein und riss mich damit aus meinen Gedanken. Ich runzelte skeptisch die Stirn.

„Inwiefern?", fragte ich und legte neugierig den Kopf schief.

„Du bist nachdenklicher geworden, ernster", sagte sie. Ich schluckte unmerklich. Sie kannte mich einfach zu gut, ihr konnte ich so schnell nichts vormachen.

„Weißt du, Oma...", gestand ich nun. „Ich lerne dort die unterschiedlichsten Menschen kennen und einige haben wirklich schlimme Schicksale. Inzwischen fällt es mir schwer, das nicht nah an mich ranzulassen."

„Das ist ganz natürlich", lächelte nun mein Großvater. „Du bist ja auch keine Maschine."

„Das nicht, aber früher hätte das nichts mit mir gemacht. Heute beschäftigt es mich, was mit diesen Leuten passiert, obwohl ich sie praktisch erst seit Kurzem kenne", sagte ich und schob mir noch etwas Fisch in den Mund. Er schmeckte unfassbar gut.

„Wir sind nie diese gefühlskalten Menschen gewesen, für die uns viele halten. Nur, weil wir selbst distanziert sind oder niemandem gern unsere Sorgen anvertrauen, bedeutet es nicht, dass wir nicht mit ihnen mitfühlen können", fasste meine Oma überzeugt zusammen. Mein Herz wurde schwer, denn ich musste automatisch daran denken, dass es sehr wohl jemandem gelungen war, mich aus meinem Schneckenhaus zu locken, bloß, um mir anschließend vor den Kopf zu stoßen. Es tat weh, an Marten zu denken, vor allem, weil noch immer nicht klar war, ob wir beide möglicherweise doch eine Zukunft hatten.

Ich wusste, dass diese Entscheidung allein an mir lag. Immerhin war er nachts auf dem Kiez aufgetaucht und hatte stundenlang gewartet, nur, um mich nach Hause zu fahren und sich mit mir aussprechen zu können. Seitdem hatte er sich nur noch vereinzelt gemeldet, was vermutlich daran lag, dass ich mich mit Reaktionen größtenteils zurückhielt und meist nur knappe, sachliche Antworten verfasste. Es fiel mir einfach schwer, mit der Situation umzugehen und die Zukunft, so, wie Sam es vorgeschlagen hatte, auf mich zukommen zu lassen.

Gerade deshalb war ich froh darüber, dass ich noch einige Tage bis zu unserem nächsten Aufeinandertreffen beim Anti-Aggressions-Kurs hatte. Jetzt stand erstmal die Zeit mit meinen Großeltern im Mittelpunkt, denn auch die war in den letzten Monaten viel zu kurz gekommen. Dabei genoss ich die Stunden mit ihnen sehr, denn sie halfen mir dabei, mich zu erden und ein Stück zu mir selbst zurückzufinden. In ihrer Anwesenheit wurde ich nicht von den vielen äußeren Einflüssen abgelenkt, die jeden Tag auf mich einprasselten, sondern erkannte, was im Leben wirklich wichtig war. Als ich mich heute nach einem entspannten Nachmittag von ihnen verabschiedete, war mein Kopf völlig frei und ohne Sorgen und ich nahm mir vor, unsere wöchentlichen Mittagessen von nun an wirklich zur Regelmäßigkeit werden zu lassen. Es gab nichts Wichtigeres als familiären Zusammenhalt.

Ein wenig freute ich mich sogar auf meine Nacht in der Strandbar, als ich an diesem Abend den Laden betrat. Mittlerweile fühlte ich mich wohl hier, auch, wenn ich es eigentlich ununterbrochen mit Betrunkenen, Gestrandeten oder Verrückten zu tun hatte. Auch heute erwartete mich wieder das pure Chaos, das ich inzwischen sogar lieben lernte.

Lucky saß bereits am Tresen und erzählte Melody gerade einen Schwank aus seinem spannenden Leben als passionierter Gartenzwerg-Sammler, während in den hinteren Räumlichkeiten bereits jemand über den Kicker kotzte. Nachdem ich meine Tasche ins Büro gebracht hatte, kümmerte ich mich darum, die Hinterlassenschaften zu beseitigen und wischte, weil ich gerade sowieso schon dabei war, auch einmal durch die Toiletten. Anschließend kümmerte ich mich um die Gäste, die nach und nach mehr wurden, bis alle Tische besetzt waren. Irgendjemand hatte grausame Schlagermusik angeworfen und so dröhnte Helene Fischer mit einigen unserer Dauergäste atemlos durch die Nacht, während ich im Akkord alkoholische Getränke durch die Gegend trug und versuchte, einen groben Überblick zu behalten.

Einer strapazierte meine Nerven heute wieder ganz besonders – Georg. Wie immer saß der kräftige Mittfünfziger mit wucherndem Bart allein am Tresen, kippte sein Bier in sich hinein, durchbohrte mich dabei regelrecht mit seinem finsteren Blick und ließ den einen oder anderen abschätzigen Kommentar fallen. Um nicht mit dem brummigen Eigenbrötler aneinanderzugeraten, schnappte ich mir einen Lappen und verschwand im hinteren Bereich, um einen gerade freigewordenen Tisch abzuwischen.

„Lou, das Bier ist alle. Packst du mal eben mit an?"

Ich war froh darüber, dass Melody mich ansprach und damit von ihm ablenkte. Sie war bereits hinter dem Tresen hervorgetreten, um mit mir gemeinsam ein neues 50-Liter-Fass zu besorgen. Normalerweise stemmte sie das Ding problemlos allein, aber vor ein paar Tagen hatte sie sich verhoben, sodass sie das erste Mal, seit ich hier arbeitete, um Hilfe fragte. Da ich selbst ähnlich gestrickt war, wusste ich, dass es sie einiges an Überwindung kostete, überhaupt Unterstützung in Anspruch zu nehmen.

„Klar", sagte ich also, legte den Lappen zur Seite und machte mich mit ihr auf den Weg. Als wir zurückkehrten, saß Georg Griesgram noch immer am Tresen, den Blick starr auf sein Bierglas gerichtet, aus dem in der Zwischenzeit kaum ein Schluck verschwunden war. Gedankenverloren drehte er es in den Händen hin und her, nahm von mir kaum Notiz. Während Melody sich um das Zapfen des Biers kümmerte, auf das Lucky und Luke schon sehnsüchtig warteten, zog ich in einem ruhigen Moment das Smartphone aus der Gesäßtasche meiner Shorts. Als ich Martens Nachricht sah, begannen meine Finger augenblicklich zu kribbeln.

„Du fehlst mir."

Mein Herz machte einen kleinen Sprung. Dass er nicht kampflos aufgab, zeigte, dass es ihm wichtig war. Einen Moment schaute ich unentschlossen aufs Display. Sollte ich antworten? Und wenn ja, was sollte ich schreiben? Einerseits fand ich es schön, zu lesen, dass er mich vermisste, andererseits wollte ich ihm keine Hoffnungen machen, ohne mir überhaupt bewusst zu sein, ob es welche gab. Natürlich vermisste ich ihn auch und hätte am liebsten die Zeit zurückgedreht, doch so leicht, wie es sich anhörte, fühlte es sich nicht an. Er hatte mich verlassen und ich wusste nicht, wie ich dieses bedingungslose Vertrauen in ihn einfach so wiederherstellen sollte.

„Hey, ich rede mit dir."

Erst jetzt bemerkte ich Georg, der mich finster von der Seite anschaute. Ich drehte ihm stirnrunzelnd den Kopf zu. Wie es aussah, musste ich mir später weiter über eine Antwort Gedanken machen.

„Tut mir leid, ich habe dich nicht gehört", rief ich über die laute Schlagermusik hinweg, steckte das Handy fürs Erste in die Tasche zurück und sah ihm aufmerksam ins Gesicht. „Was kann ich dir denn Gutes tun?"

„Zunächst mal weniger am Handy rumspielen", pöbelte er wirsch. Die Art und Weise, mit der er mich anging, ärgerte mich, aber ich erinnerte mich daran zurück, dass ich mich nicht immer so schnell aus der Reserve locken lassen wollte, atmete tief durch und stützte meine Hände auf dem Tresen ab, dann beugte ich mich ihm lächelnd entgegen.

„Möchtest du noch was trinken?", fragte ich und deutete mit einem Kopfnicken auf sein beinah leeres Glas Bier. Seine dunklen Augen durchbohrten mich regelrecht, während er die Brauen finster zusammenzog.

„Nee. Ich will einfach bezahlen. Geht das oder soll ich ne Nummer ziehen, bis du Zeit für mich hast?", provozierte er mich weiter und sah mir düster ins Gesicht. Ich zog tief die Luft ein, während meine Finger sich um die Arbeitsfläche verkrampften und meine Knöchel weiß hervortraten. In mir rumorte es, doch ich lächelte noch immer bemüht freundlich über meine aufsteigende Wut hinweg.

„Klar."

Ich griff nach der großen Geldbörse. Er kramte unterdessen in der Tasche seiner löchrigen Hose herum und warf mir ein paar Münzen über den Tresen.

„Du könntest sie mir auch einfach in die Hand legen, so, wie jeder andere Mensch", murmelte ich kopfschüttelnd, als ich das Geld aufsammelte.

„Wenn du deinen Job richtig machst, vielleicht", schoss er harsch zurück. Angesichts seiner Respektlosigkeit zog ich eine Augenbraue hoch und sah wieder zu ihm auf, während ich die Münzen ins Portemonnaie pfefferte. Ich verengte meine Augen zu Schlitzen. Die innere Hitze, die sich zusammen mit meiner Wut in mir aufgestaut hatte, war so untertäglich geworden, dass mir der Kragen platzte.

„Im Gegensatz zu dir arbeite ich und verdiene mein Geld und sitze nicht so wie du jeden Abend hier und kippe mir die Birne zu – zumal du den ganzen Abend ein beschissenes Bier säufst und nicht mal Trinkgeld gibst", platzte es ungehalten aus mir heraus.

„Du bist'n Miststück, mehr nicht", pöbelte er weiter und reizte mich damit nur noch mehr.

„Und du ein-"

„Hey, hey, beruhigt euch mal."

Melody war aus dem Nichts an uns herangetreten und sah zwischen uns hin und her. In ihren Augen lag ein gefährliches Funkeln, als sie sich zwischen uns aufbaute. Doch bevor ich antworten konnte, nahm sie mich zur Seite und schob mich zum Tresen zurück. Georg murmelte uns irgendetwas hinterher und machte eine abfällige Handbewegung in meine Richtung. Einzig und allein Melody hatte er es zu verdanken, dass ich ihm nicht prompt wieder an den Hals ging.

„Entspann dich, okay?", raunte Melody mir zu. Ich sah ihr aus großen Augen ins Gesicht.

„Hast du nicht gehört, wie der mit mir umgegangen ist?", fragte ich aufgebracht.

„Ich weiß, dass er schwierig ist. Aber der sitzt den ganzen Abend hier bei einem Bier, weil er keine Kohle für mehr hat und es hier warm ist. Sobald er hier rausgeht, schlägt er unter irgendeiner Brücke sein Nachtlager auf", erzählte sie gerade so laut, dass ich sie noch verstehen konnte. Ich schüttelte seufzend den Kopf.

„Das tut mir echt leid, aber das ist kein Grund, sich jeden Abend so danebenzubenehmen", gab ich leise zurück.

„Der war nicht immer so", erwiderte meine Kollegin und strich sich durch die bunte Perücke.

„Komisch, denn ich kenne nur diese Seite von ihm", sagte ich mürrisch.

„Er war jahrelang Vorstand bei ner Bank. Dann hat seine Frau Krebs bekommen. Die waren 30 Jahre verheiratet und er hat immer nur gearbeitet. Als sie die Diagnose bekommen haben, hat er seinen Job gekündigt, um wenigstens von da an für sie da zu sein, aber sie hat den Kampf verloren. Er hat sich nie verziehen, dass er seine Frau immer allein gelassen hat. Sein ganzes Geld hat er versoffen und verzockt. Seitdem lebt er so, weil er denkt, dass er es nicht verdient hat, glücklich zu sein. Man weiß leider nie, wie viel Zeit man noch hat oder wann man sich das letzte Mal sieht", erzählte Melody. Ich schluckte. Von einer Sekunde auf die andere empfand ich aufrichtiges Mitgefühl für Georg. Sein Schicksal bewegte mich, auch, wenn ich ständig mit ihm aneinandergeraten war. Meine harten Worte ihm gegenüber taten mir leid. Schwer seufzend strich ich mir durchs Haar.

„Scheiße. Tut mir leid", sagte ich kleinlaut. Mit einem Mal erschien es mir absurd, dass ich mich so leicht hatte aus der Reserve locken und von ihm zur Weißglut treiben lassen. Ich schämte mich regelrecht dafür, was ich ihm in meiner Wut an den Kopf geworfen hatte. Ich drehte mich nach ihm um, um mich bei ihm für meine harten Worte zu entschuldigen, doch er war bereits verschwunden.

Mein schlechtes Gewissen nagte die gesamte restliche Nacht an mir und verschwand auch nicht, als ich im Morgengrauen im Bett lag. Ich versuchte, in den Schlaf zu finden, doch Georg und seine Geschichte ließen mich nicht zur Ruhe kommen. Plötzlich kamen mir meine Probleme und die Gründe für die vielen Auseinandersetzungen, die ich mir auflud, wahnsinnig nichtig vor. Während andere mit wirklichen Krisen zu kämpfen hatten, die ihr gesamtes Leben beeinflussten, hielt ich mich damit auf, Kleinkriege zu führen, die es nicht Wert waren. Ich war so häufig mit anderen für Nichtigkeiten aneinandergeraten, dabei hatten die möglicherweise genauso ihr Päckchen zu tragen.

Ich hatte so viel Energie, doch statt sie für etwas Gutes zu nutzen, verlor ich mich in all dieser Negativität. Als mir bewusstwurde, dass ich mir mein Leben verbaute und dabei war, eine verbitterte Frau zu werden, die anderen und sich selbst das Leben schwer machte, weil sie glaubte, sich ständig behaupten zu müssen, brach ich in Tränen aus. Einmal mehr fragte ich mich, ob meine Eltern eine Mitschuld daran hatten, wie ich geworden war. Glaubte ich möglicherweise, dass ich mich immer vor anderen behaupten musste, weil ich nicht wollte, dass jemals wieder jemand so mit mir umging und auf mir herumtrampelte?

Vor lauter Auseinandersetzungen hatte ich den Fokus aus den Augen verloren, nämlich, etwas zu tun, was mich wirklich erfüllte und glücklich machte, mir ein Leben aufzubauen, das sich zu leben lohnte. Alles, was ich wollte, war jemanden an meiner Seite, der mich so liebte, wie ich war und mich nicht von heute auf morgen im Stich ließ.

Ich weinte nur noch bitterlicher, als meine Gedanken nun zu Marten zurückkehrten. Er fehlte mir so sehr und ich wünschte ihn mir in diesem Moment so sehr an meine Seite. Mein Herz zerriss, als ich mich daran zurückerinnerte, wie sicher ich mich gefühlt hatte, wenn ich in seinem Arm gelegen war. Ich brauchte ihn und stand mir selbst im Weg, weil ich nicht bereit war, über meinen Schatten zu springen und all das, was zwischen uns gestanden hatte, hinter mir zu lassen. Dabei konnte es uns genauso treffen wie Georg und seine Frau. Jeden Tag konnte alles vorbei sein, ohne, dass wir damit gerechnet hatten. Und statt ihn als den Freund zu schätzen, der er vor unserem Streit gewesen war, der mich unterstützt hatte, für mich da gewesen war und dem ich mich hatte öffnen können, hielt ich an all den schlechten Dingen fest und projizierte die Vergangenheit auf ihn. Wenn er wusste, was in mir vorging, konnte er vielleicht versuchen, mir das Gefühl von Vertrauen zurückzugeben.

Noch immer weinend tastete ich in den weichen Daunen meiner Decke nach meinem Smartphone, bis ich es gefunden hatte. Schluchzend wischte ich mir die Tränen von den Wangen und versuchte, mich zusammenzureißen. Einerseits wollte ich ihn anrufen, seine Stimme hören, ihm sagen, wie sehr er mir fehlte und wie sehr ich mir wünschte, dass alles zwischen uns wiedergutwurde, andererseits hatte ich Angst vor meiner eigenen Courage, denn das würde auch bedeuten, ihm einmal mehr meine verletzliche Seite zu zeigen und ihm meinen einzigen wirklich wunden Punkt anzuvertrauen. Ich schloss die Augen, dann schob ich alles beiseite, das mir gerade durch den Kopf spukte und versuchte, in mich hineinzuhören. Meine Finger kribbelten und das Herz schlug mir bis zum Hals, als ich all meinen Mut zusammennahm und seine Nummer wählte. 

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