23 | Herzschmerz

720 66 8
                                    

Cuties, ihr müsst stark sein...

Ich fühlte mich hundsmiserabel, als ich am nächsten Tag im Bus in Richtung Kiez saß. Ausgerechnet heute stand meine erste richtige Schicht in der Standbar an, dabei kreisten meine Gedanken immer wieder um Marten. So sehr ich mich auch bemühte, sie zu vertreiben – es gelang mir nicht. Die Enttäuschung und der Schmerz über unsere letzte Auseinandersetzung saßen einfach zu tief.

Kopfschüttelnd strich ich mir durch die langen Haare, die ich zu großen Locken aufgedreht hatte, und ließ meinen Blick durch die großen Fenster nach draußen schweifen. Passend zu meiner Laune hingen düstere Wolken am Himmel und warmer Sommerregen prasselte gegen die Scheiben.

„Tu nicht so, als wäre ich hier das Kind, wenn du nicht in der Lage bist, eine erwachsene Beziehung zu führen, in der man grundlegende Entscheidungen bespricht, statt so wichtige Dinge über den Kopf des anderen hinweg zu entscheiden."

Ich schnaubte wütend, als Martens Worte sich wieder in mein Gedächtnis schlichen. Ausgerechnet er sprach vom Erwachsensein. Dabei hatte er kompromisslos versucht, mir meine Selbstbestimmung auszureden, statt sachlich mit mir über meine Entscheidung zu diskutieren, und war zu allem Überfluss weggelaufen wie ein bockiger Junge, der seinen Willen nicht bekam.

„Ich möchte eine Beziehung, die eine Zukunft hat, aber die kann ich nicht mit einer Frau aufbauen, die einen auf Einzelgänger macht."

Ich schüttelte enttäuscht den Kopf. Schließlich war er derjenige, der mit dem Kopf durch die Wand wollte und unsere Zukunft lieber wegwarf, statt Kompromisse einzugehen. Merkte er nicht, wie absurd es war, alles auf mich zu schieben?

Obwohl ich wusste, dass es aussichtslos war, zog ich mein Smartphone aus der Tasche, um zu sehen, ob er möglicherweise doch über seinen Schatten gesprungen war. Doch auch jetzt hatte ich keine neuen Nachrichten von ihm. Ich seufzte und drückte mich tiefer in den Sitzbezug. Dabei kratzte der raue Stoff an meinen Oberschenkeln. Ich erwischte mich bei dem Gedanken, dass Marten das enge Top und die knappe Jeans-Shorts, die ich heute trug, sicher gefallen hätten, und seufzte lautlos.

Anfangs war ich mir sicher gewesen, dass er sich schon wieder einkriegen würde, sobald er ein wenig runtergekommen war, aber ich hatte mich ganz offensichtlich getäuscht. Ich war hin- und hergerissen zwischen Enttäuschung, Trotz und Vermissen. Natürlich fehlte er mir, aber nachdem er sich praktisch im Affekt von mir getrennt hatte, war es seine Aufgabe, den ersten Schritt zu machen.

„Nächster Halt – Reeperbahn", riss mich die Ansage aus meiner quälenden Gedankenspirale. Froh über die Ablenkung stand ich auf.

Noch immer nieselte es leicht, doch mir machte das nichts aus. Ich hatte es nicht weit bis zur Strandbar. Auf meinem Weg dorthin wurde meine Enttäuschung rund um Marten von meiner Aufregung abgelöst. Noch war nicht viel los auf dem Kiez, doch ich wusste, dass sich das schon bald ändern würde, denn der Monatsanfang fiel diesmal aufs Wochenende, sodass viele ihren Lohn gleich auf der Amüsiermeile wieder auf den Kopf hauen würden.

Es dauerte nicht lang, bis ich die Strandbar erreichte. Mit einem Lächeln auf den Lippen betrat ich den Eingangsbereich des schummrigen Etablissements. Schon jetzt saßen zwei wild diskutierende ältere Herren am Tresen, der eine dicklich und mit schütterem Haar, der andere groß, hager und mit einem Cowboyhut auf dem Kopf. Ihm schien noch niemand gesagt zu haben, dass die Zeit der Vokuhilas und Cowboystiefel schon einige Jahre vorbei war. Als sie mich bemerkten, musterten sie mich anerkennend.

„Hey, Lou", begrüßte mich Viktor, der mich bereits hinter dem Tresen erwartete.

„Willse uns die Augenweide nicht ersma vorstellen?", fragte ihn der pferdelose Rinderhirte, während ich hinter dem Tresen verschwand. In der Regel fiel es mir nicht leicht, Fremden offenherzig gegenüberzutreten, aber in der ersten Nacht in der Strandbar hatte ich schnell gelernt, dass Zurückhaltung hier keine Chance hatte. Ich erinnerte mich an meinen Vorsatz, einen Mittelweg zu finden, der einerseits oberflächlich Nähe zuließ und den Leuten hier ein gutes Gefühl gab, bei dem ich allerdings nicht zu viel von mir selbst preisgeben musste. Bevor Viktor der Aufforderung seines Gastes nachkommen konnte, hielt ich ihm selbst die Hand entgegen. „Ich bin Lou", sagte ich.

Anger Management | Marten | 187Unde poveștirile trăiesc. Descoperă acum