Die nachfolgenden zwei Wochen verliefen für Amina alle sehr ähnlich. Im Wesentlichen verbrachte sie den Tag damit zu forschen. Sie hatte auch wieder ein bis zwei Mal die Zwillinge dazu geholt und fing tatsächlich an, die lockere Art der Zwillinge schätzen zu lernen. Auf Dauer würde sie es wohl nicht mit ihnen aushalten, aber sie brachten ein wenig Abwechslung in ihren momentanen Alltag. Durch ihre Hilfe konnte sie außerdem mehrere Dinge gleichzeitig erledigen: Dinge für den Orden herstellen, forschen und die bereits vorhandenen Forschungsergebnisse überprüfen und korrigieren.
Am Rande hatte sie von ihrem Urgroßonkel mitbekommen, dass Potters Verhandlung gut ausgegangen war. Er hatte ihr bei einem seiner Besuche in ihrem Labor erklärt, dass er versuchen würde, Potter aus dem Weg zu gehen, um zu verhindern, dass seine Anwesenheit die Verbindung zwischen Potter und dem Dunklen Lord stärke. Er wollte ihr zwar nichts Genaueres darüber erzählen, doch er hatte sie gebeten Potter bei Gelegenheit etwas über Okklumentik zu erzählen. Da der Schwarzhaarige jedoch ungefähr so gut auf sie zu sprechen war wie sein Pate, machte es die ganze Sache schwierig. Zudem wollte sie ihn möglichst allein sprechen.
Am einem Morgen Mitte August hatte sie den Entschluss gefasst, eine kleine Pause von ihrer Forschung einzulegen und Mr. Ollivander in der Winkelgasse zu besuchen. „Frau Professorin, wollen Sie heute wieder den Tag in dem dunklen Zimmer verbringen?", fragte Molly sie beim Frühstück fürsorglich.
Die Weasley hatte schon vor einer Woche angefangen, Amina dazu bringen zu wollen, das Labor öfter zu verlassen. Amina schüttelte den Kopf. „Ich werde heute unterwegs sein und vermutlich erst heute Nachmittag zurückkehren.", antwortete sie und biss von ihrem Toast ab. „Darf man fragen, wohin Sie gehen?", fragte Mr. Weasley. Amina nickte.
„In die Winkelgasse. Ich habe bereits mit Albus gesprochen und er geht davon aus, dass Sie Potter den Tag über im Auge behalten können, ohne dass ich anwesend bin.", sagte sie mit ihrer monotonen Stimme. „Natürlich können wir auf Harry aufpassen! Als ob du ihm im Auge behalten hast die letzten Wochen!", fuhr Sirius sie an. Sie hob die Augenbraue. „Gerade du solltest wissen, dass ich das auch sehr gut kann, ohne ihn dabei zu sehen, Black." „Du geisterst in seinem Kopf rum?!" Er wurde rot vor Wut. Amina schnaubte verächtlich. „Als ob ich das dafür müsste."
„Hört auf ihr beiden.", mischte sich Remus genervt ein. „Sirius, du solltest wissen, dass Amina nicht einfach in Harrys Kopf rumpfuschen kann. Amina, hör auf, ständig alle zu reizen." Sie hob erneut die Augenbraue. „Ich habe absolut nichts getan, was eine solche Reaktion rechtfertigt.", erwiderte sie.
„Weasleys? Wollen Sie mit in die Winkelgasse?", fragte sie die Zwillinge. „Natürlich!", riefen beide begeistert aus. „Auf keinen Fall!", ging Molly dazwischen. „Ihr bleibt hier und helft weiter beim Hausputz. Es ist viel zu gefährlich da draußen." „Molly, wir wollen in die Winkelgasse und nicht nach Malfoy Manor. Zudem könnte ich bei meinen Einkäufen zwei Träger gut gebrauchen.", versuchte Amina die Mutter zu überreden. Diese sah sie zweifelnd an.
„Molly, lass die Jungs doch einen Vormittag Pause machen. Ich bin mir sicher Professorin Tahnea kann auf die beiden aufpassen.", sagte Mr. Weasley zu seiner Frau. Diese sah noch mal zweifelnd zu den Zwillingen. „In Ordnung aber Sie bringen die beiden vor dem Abendessen zurück.", gab sie nach. Amina nickte. „Das lässt sich einrichten." „Und ihr beide macht keinen Ärger!", sagte sie mit erhobenem Zeigefinger zu ihren Söhnen. „Machen wir schon nicht, Mum.", antworteten diese mit einem Grinsen in den Gesichtern, dass ihre Worte Lügen strafte.
Eine halbe Stunde später apparierte Amina zusammen mit den Zwillingen in die Winkelgasse. „So Professorin..." „...wohin als Erstes?", fragten die Zwillinge, als sie in der vollen Straße standen. „Ich werde jetzt zu Mr. Ollivander gehen, was Sie beide machen, ist mir egal. Soweit ich das richtig gehört habe, suchen Sie Räumlichkeiten. Also lassen Sie sich nicht von mir aufhalten. Aber wehe Ihnen, Sie geraten in Schwierigkeiten.", antwortete sie und sah beide streng an. Die Rotschöpfe fingen an zu strahlen. „Professorin, Sie sind die Beste.", sagte der eine. „Auch, wenn Sie manchmal echt gruselig sind. Woher wissen Sie, dass wir einen Laden suchen?", fragte der andere. „Das ist etwas, dass Sie nicht wissen brauchen. Sehen Sie diese Gelegenheit einfach als Dank für Ihre Hilfe im Labor." Beide nickten und verabschiedeten sich dann von ihr. Sie hatten ausgemacht, sich, um die Mittagszeit wieder vor der Buchhandlung zu treffen.
Amina lief in Richtung des Zauberstabladens und öffnete die Tür. Eine Klingel kündigte sie an. Sie konnte den Zauberstabmacher hinter einigen Regalen wahrnehmen und wartete geduldig, bis er zu ihr in den Verkaufsraum trat. Es war merkwürdig, in dem Laden zu stehen, in dem sie vor so vielen Jahren ihren Zauberstab bekommen hatte. Es hatte sich nicht viel verändert. Die Stäbe schienen untereinander leise zu flüstern. Als Kind hatte sie dieses Flüstern nicht verstanden. Heute wusste sie, dass es mit ihrer Legilimentik zusammenhing.
„Frau Professor Tahnea. Es ist schön, dass Sie meiner Einladung von unserem letzten Treffen folgen konnten.", sagte der alte Mann zur Begrüßung. Sie hatte ihn das letzte Mal in Hogwarts gesehen, als er für die Eichung der Zauberstäbe der Champions da war. Damals hatte er ihr angeboten, mal auf einen Tee bei ihm vorbeizukommen und an diesem Tag war sie dieser Aufforderung nachgekommen.
„Wie geht es Ihnen, Mr. Ollivander?", fragte Amina, nachdem sie sich auf einen Stuhl im Hinterzimmer des Ladens gesetzt hatte. „Gut gut, meine Liebe und Ihnen? Sie sind bestimmt auch in die Sache mit dem-dessen-Namen-nicht-genannt-werden-darf verstrickt, oder?", fragt der Zauberstabmacher freundlich. Amina nickte. „Wenn man in Hogwarts arbeitet, ist es unumgänglich, dass man in die Angelegenheiten des Schulleiters zumindest zu einem gewissen Teil mit hineingezogen wird." „Da haben Sie wohl recht. Ich für meinen Teil glaube Dumbledore. Er hat sich bei so etwas noch nie geirrt." „Es wird ihn sicher freuen, das zu hören. Kommen trotz der Situation viele Leute in Ihren Laden?" Sie versuchte ein wenig weg von dem Thema zu kommen.
„Oh ja, die Leute glauben zum Großteil dem Ministerium. Sie tun so, als wäre nie etwas gewesen.", bestätigte der Zauberer. „Verstehe. Sagen Sie Mr. Ollivander, Sie haben damals, als wir uns begegneten, gesagt, ich sei eine loyale Person. Haben Sie das aus meinem Zauberstabholz geschlossen?", fragte sie ihn interessiert. Sie hatte schon lange auf eine Gelegenheit gewartet, ihn danach zu fragen. Er schaute sie mit seinen silbrigen Augen durchdringend an. „Da haben Sie vollkommen recht. Jedes Zauberstabholz aber auch der Kern lassen Rückschlüsse auf ihren Besitzer zu. Deshalb ist es wichtig, dass der Zauberstab seinen Zaubernden aussucht und nicht umgekehrt.", erklärte er ihr geduldig. Sie nickte.
„Denken Sie, dass Zauberstäbe eine Art der Legilimentik beherrschen?" „Legilimentik? Das ist eine gute Frage. Auf eine gewisse Art bestimmt, aber ich gebe zu, dass mir diese Art der Magie nicht genug vertraut ist, um es sicher sagen zu können.", überlegte er. „Kennen Sie sich mit Legilimentik aus?", fragte er dann nach einigen Sekunden des Schweigens. Sie nickte. „Ich bin von Geburt an eine Legilimentorin. Ich fand es interessant, dass ein Zauberstab instinktiv seinen wahren Zaubernden erkennen kann. Es erinnerte mich an meine Fähigkeit, Lügen zu erkennen.", erklärte sie ihm.
„Ja, das können Sie gut miteinander vergleichen. Vielleicht können Sie einen Zauberstab auch einfach nach seiner Zugehörigkeit fragen. Probieren Sie es doch mal mit ihrem.", sagte der Mann begeistert. Sie zog ihren Zauberstab und besah ihn sich genau. Die Verbundenheit, die sie mit ihm hatte, bemerkte sie immer. Dies taten jeder Zauberer und jede Hexe bei dem jeweiligen Zauberstab oder nicht? Mehr spüren als das? Ging das überhaupt? Sie konzentrierte ihre Legilimentik auf den Stab. Nichts passierte. „Nein, ich spüre die Verbundenheit zwischen ihm und mir aber mehr nicht.", sagte sie.
Der durchdringende Blick des Zauberstabmachers traf ihren. „Aber das ist doch schon etwas. Die meisten bemerken diese Verbundenheit nur, wenn sie sich ihren Zauberstab aussuchen. Hier versuchen Sie es mal mit meinem.", sagte er und reichte ihr vorsichtig seinen Zauberstab. Sie spürte sofort, dass es nicht ihrer war. Zusätzlich richtete sie ihre Legilimentik auf ihn. Tatsächlich spürte sie die Verbundenheit des Stabs mit dem Zauberer. Sie sah ihn überrascht an.
„Ich weiß, dass er zu Ihnen gehört. Diese Verbundenheit ist wie ein Band zwischen Zauberstab und Zauberer." „Exakt. Die meisten Menschen verstehen diese spezielle Verbindung nicht. Zauberstäbe sind einzigartig, so wie die Menschen, die sie benutzen. Es gibt sogar Zauberstäbe, die leben sich mit ihrem Besitzer auseinander. Es kommt selten vor, aber auch diese Fälle gibt es." „Aber was passiert, wenn der Zauberstab in den Besitz von jemand anderem wechselt? Bei einem Familienerbstück zum Beispiel oder wenn eine Person den Zauberstab eines anderen stiehlt. Dient dieser Zauberstab dann nicht mehr seinem ursprünglichen Zaubernden?", fragte Amina.
„Oh, das kommt ganz auf den Zauberstab an. Es gibt viele Zauberstäbe, die bleiben ihrem Herrn treu, auch wenn er besiegt wurde. Gerade Familien-Zauberstäbe fühlen sich der ganzen Familie und nicht nur einem Zaubernden verbunden. Ich denke jedoch, dass Zaubernde nur ihre ganze Macht entfalten können, wenn der Stab ausschließlich einer Person dient. Ihrer zum Beispiel hält, wie Sie auch, die Treue. Er würde sie nie verraten. Es entspricht weder seinem noch Ihrem Charakter.", lächelte der Zauberer. „Faszinierend." Amina sah auf ihren Zauberstab. „Ja, die Zauberstabkunde ist ein vielseitiger Zweig der Magie. Es wurde bei Weitem noch nicht alles erforscht." Er sah verträumt in seine Teetasse.
Plötzlich ertönte das Klingeln der Ladentür. „Was denken Sie, wollen Sie es bei einem neuen Zaubernden und seinem Stab probieren?", fragte er mit einem neugierigen Blitzen in den Augen. „Das würden Sie erlauben?", fragte sie überrascht. „Aber natürlich. Ich bin immer an neuen Erkenntnissen interessiert. Warten Sie hier. Ich komme gleich wieder.", sagte er und ging in den Verkaufsbereich, um den Kunden zu begrüßen. Ein Mädchen mit ihren Eltern, wie Amina bereits wusste.
Sie versuchte ihren Geist auf den Laden auszuweiten und eine Verbindung zwischen dem Mädchen und einem der Stäbe zu finden. Doch es waren unglaublich viele Zauberstäbe in dem Laden und alle schienen Aminas Aufmerksamkeit zu wollen. Das Flüstern der Stäbe war lauter geworden als das Mädchen den Laden betrat. Als wüssten sie, dass die Kleine noch keinen Zauberstab besaß.
Nach einigen Minuten tat sich einer besonders hervor. Er schien praktisch nach dem Mädchen zu schreien. Amina lief neugierig zu dem Zauberstab und holte die Schachtel vorsichtig aus dem Regal. „Haben Sie schon einen gefunden?", fragte Mr. Ollivander sie interessiert, als er wenig später in den hinteren Teil seines Ladens zurückkehrte. Sie nickte. „Der hier schien lauter zu rufen als die anderen, als das Mädchen eintrat.", erklärte sie. „Dann wollen wir es doch mal probieren.", sagte er lächelnd und nahm ihr behutsam die Schachtel aus der Hand.
Einige Minuten später kam er wieder. „Sie hatten vollkommen recht. Der Stab passte zu ihr wie kein zweiter. Anscheinend hatten Sie mit Ihrer Legilimentik-Vermutung recht. Das würde zumindest auch erklären, wie ein Zauberstab einen unausgesprochenen Zauber spüren kann." „Konzentriert der Zauberstab den Zauber denn nicht nur?", fragte sie ihn. „Nein, nicht nur. Er führt ihn auch in die richtige Richtung. Ich bin mir sicher, dass der Zauberstab den Zauber kennt, sobald der Zauberer daran denkt und nicht erst, wenn er ihn wirkt. Umso besser Zauberstab und Führer miteinander harmonieren, desto flüssiger wird der Zauber ausgeführt." „Eine Theorie, die es zu verfolgen wert ist.", stimmte sie ihm zu.
Nach über drei Stunden bei den Zauberstabmacher verabschiedete sich Amina von diesem, um ihre Einkäufe in der Buchhandlung und der Apotheke zu erledigen. Die Zwillinge traf sie dabei auch einige Male, bevor sie sich alle zum Essen trafen.
Erst kurz vor dem Abendessen betraten die drei wieder das Haus am Grimmauldplatz Nummer zwölf.