Am Tag nach Quirinus Tod wurde Amina von Albus gebeten, ihn zu den Flamels zu begleiten. Sie folgte seiner Bitte ohne Widerspruch. Sie hatte den Stein immer noch in ihrer Tasche und es musste eine Lösung her. Den Stein weiterhin in der Schule aufzubewahren und die Lernenden zu gefährden, war keine Option. Erst recht nicht, wenn man bedachte, wer den Stein versucht hatte zu stehlen.
Sie apparierten zusammen vor das kleine Haus des Ehepaares und klopften. Perenelle öffnete ihnen die Tür. Sie lächelte, als sie die beiden sah und begrüßte sie herzlich mit Küssen auf beide Wangen. „Kommt rein ihr beiden." Sie folgten ihr in das Wohnzimmer. Dort wartete ihr Meister schon auf sie. „Amina, Albus. Schön euch zu sehen.", begrüßte er sie. „Nicolas, Perenelle. Wir sind leider aus einem nicht so erfreulichen Grund hier." Albus sah seine alten Freunde traurig an. „Ist etwas mit dem Stein?", fragte Perenelle nervös. „Indirekt. Amina hat den Stein. Ihm ist nichts passiert. Doch wir wissen nun, wer versucht hat ihn zu stehlen.", erklärte ihr Urgroßonkel und setzte sich. „Wer ist es?", fragte der Meister interessiert und setzte sich ebenfalls. „Voldemort.", antwortete Albus mit belegter Stimme. Daraufhin entbrannte eine lange Diskussion, was genau mit dem Stein geschehen solle.
„Wir werden den Stein zerstören.", fasste Albus das Ergebnis nochmals zusammen. „Ja, wir haben noch etwas von dem Alkahest. Wir werden unsere Angelegenheiten regeln können - uns verabschieden. Bestimmt bleiben uns noch ein paar Jahre.", bestätigte der Meister. Amina sah traurig zu Boden. Sie wusste, dass es das Beste war. Doch sie würde einen Teil ihrer Familie verlieren. Nicht sofort, aber in den nächsten Jahren. „Sei nicht traurig, Amina. Du hast doch noch deinen Urgroßonkel, Albus und den Tränkemeister.", tröstete Perenelle sie. „Außerdem sterben wir ja nicht sofort. Einige Jahre werden wir noch haben." „Das weiß ich, Perenelle. Trotzdem werdet ihr mir fehlen. Ich verdanke euch so viel.", erklärte Amina.
„Der Tod wird nur eine neue Perspektive für uns sein. Du wirst erst einmal das Leben kennenlernen. Auch wenn die näheren Zukunftsaussichten aktuell düsterer zu werden scheinen." Der Alchemist sah ernst in die Runde. „Amina, du musst mir versprechen, keinen neuen Stein herzustellen. Nicht, solange Voldemort nicht endgültig vernichtet ist." „Das werde ich nicht, versprochen. Ich wüsste sowieso nicht viel mit ihm anzufangen. Ich wünsche mir kein ewiges Leben.", versprach sie dem Ehepaar. Albus sah sie überrascht an. „Du weißt, wie der Stein hergestellt wird?", fragte er interessiert. Amina nickte. „Schon seit dem Ende meiner Lehrzeit vor einigen Jahren. Es ist eine meiner versiegelten Erinnerungen."
„Weiß Severus davon?" Wieder nickte Amina. „Vielleicht solltest du seine Erinnerungen ebenfalls schützen. Voldemort wird vor nichts zurückschrecken. Auch seine Anhänger sind nicht vor ihm sicher. Zudem scheint mir, als wüsste er jetzt, dass du Legilimentorin bist. Du wirst in Gefahr sein, sobald er zurückkehrt. Deine Fähigkeiten könnten ihm gefährlich werden." „Er hat recht Amina. Ich denke, dein Tränkemeister hat einige Geheimnisse, die sein Herr nicht erfahren sollte.", stimmte Nicolas seinem alten Freund zu. Amina wunderte sich, woher er von Severus Position bei den Todessern wusste.
„Der Dunkle Lord wusste schon immer, dass ich eine Legilimentorin bin. Ohne ihn hätte ich es vermutlich erst viel später verstanden, was genau anders an mir war. Er wird mir gegenüber wohl in einem Zwiespalt sein...aber Ihr hab recht. Ich werde es mit Severus besprechen. Er wird allerdings nicht sonderlich begeistert sein, dass ich in seinem Kopf herumwerkele." Sie verzog das Gesicht. Severus war seine geistige Freiheit sehr wichtig. Ihn um so etwas zu bitten, gefiel ihr nicht. Es kam ihr falsch vor. Sie sollte seine Erinnerungen und Gedanken nicht kennen.
Albus lächelte. „Da könntest du recht haben.", stimmte er ihr zu. Amina würde im Sommer mit Severus darüber sprechen. Der Tod von Quirinus hatte ihnen ein wenig Zeit verschafft. Diese wenigen Wochen würde es nicht schlimm sein, wenn Amina ihn mit diesem Thema in Ruhe ließ. Zumal sie nicht wusste, wie sie ihn darauf ansprechen sollte.
„Bringst du ihn denn über die Sommerferien mal mit? Jetzt, wo wir nicht mehr so viel Zeit haben wie erwartet, würde ich ihn schon gerne mal kennenlernen.", sagte Perenelle in einem fast schon mütterlichen Ton. Amina zog amüsiert einen Mundwinkel nach oben. „Ich werde ihn fragen, ob er mitkommen will." „Sehr schön. Ich habe da einiges, was ich dir in den nächsten Jahren noch zeigen muss." Ihr Meister strahlte sie an. Das versprach ein interessanter Sommer zu werden.
Sie unterhielten sich noch einige Stunden, dann wurde es Zeit, den Stein endgültig zu zerstören. Albus und Nicolas übernahmen diese Aufgabe. Sie brauchten fast zwei Stunden, um den Stein schließlich mit einem großen Knall und einem roten Funkenregen in Millionen Teile explodieren zu lassen. Es war atemberaubend schön und nicht minder traurig mit anzusehen, wie das wahrscheinlich wertvollste alchemistische Artefakt der Geschichte sich in rote Funken auflöste. Amina schwor sich nach dem Krieg wieder einen Stein herzustellen. Damit die Existenz eines solchen Artefakts nicht für immer verloren gehen würde.
Zurück in Hogwarts verabschiedete Amina sich von ihrem Urgroßonkel und lief direkt in ihre Räume. Sie brauchte jetzt ein ausgiebiges Bad und eine gesunde Portion Schlaf. Es war, als wäre eine schwere Last von ihren Schultern gefallen und trotzdem verspürte sie eine tiefe Traurigkeit. In ihrem Wohnzimmer saß Severus. Er hatte auf sie gewartet und sich die Zeit mit einem ihrer Bücher vertrieben. Severus legte das Buch auf die Seite, dass er gerade gelesen hatte und stand auf.
„Was ist passiert?", fragte er sie. Anscheinend merkte er, dass sie traurig war. „Der Stein ist zerstört.", erklärte sie mit belegter Stimme. „Zerstört? Das heißt, dass die Flamels sterben werden?", fragt er im nüchternen Tonfall. Amina nickte und sah ihn aus traurigem Auge an. Er lief auf sie zu und nahm sie fest in den Arm. „Es tut mir leid." „Du kannst doch nichts dafür. Sie haben es so entschieden und auch wenn ich nicht glücklich darüber bin...es war das Beste, ihn zu zerstören. Lass uns Baden gehen. Ich brauche ein wenig Entspannung nach diesem Tag." Amina löste sich aus der Umarmung, nahm seine Hand und zog ihn in Richtung Badezimmer.
Am letzten Tag des Schuljahres fand, wie jedes Jahr, das Festessen statt. Amina hatte noch ein Experiment gestartet und so war sie spät dran, als sie in Richtung der Großen Halle hastete. Bevor sie diese erreichen konnte, lief sie Potter über den Weg. „Mr. Potter. Madam Pomfrey hat sie entlassen?", fragte sie überrascht. „Ja, Frau Professor. Professor Dumbledore hat gesagt, ich dürfte an die Feier gehen.", erklärte er schüchtern. Er war trotz der Geschehnisse doch noch immer der Junge, den sie in der Winkelgasse vor fast einem Jahr getroffen hatte. „Das hat ihr bestimmt nicht gefallen." Amina musste bei dem Gedanken an die schimpfende Heilerin schmunzeln.
Potter schüttelte den Kopf. „Nein, das hat es nicht. Frau Professor...ich wollte mich bedanken. Sie und Snape...", fing er an. „Professor Snape.", korrigierte Amina ihn. „Ja, Sie und er. Sie haben mich gerettet. Professor Dumbledore hat mir erzählt, dass sie die Flamels schon lange kennen. Es tut mir leid wegen des Steins." Er sah niedergeschlagen zu Boden. „Das muss Ihnen nicht leidtun. Der Meister und seine Frau hatten ein sehr langes Leben und ich war froh, um die Zeit, die ich mit ihnen hatte und die, die ich noch mit ihnen haben werde. Nur, weil die Unsterblichkeit endet, heißt das nicht, dass das Leben für die beiden endet." „Sie klingen wie Dumbledore.", murrte der junge Potter. „Professor Dumbledore.", verbesserte sie ihn wieder und trat in die Große Halle, ohne auf seine Behauptung einzugehen. Sie war ihrem Urgroßonkel in manchen Punkten unheimlich ähnlich. Auch ihr war das bereits aufgefallen.
Sie konnte Severus' Freude spüren, dass sein Haus offensichtlich den Hauspokal bekommen würde. Dies brachte sie zum Schmunzeln. Er war zwar ein sehr ernster Mann, doch wenn es um sein Haus ging, wurde er schnell zu einem Jungen. Auch wenn er dies niemals zugeben würde. Im Laufe des Festes änderte sich seine Stimmung jedoch schlagartig. Albus verteilte noch die letzten Punkte an die Gryffindors und so überholten diese Slytherin mit genau zehn Punkten Vorsprung. Albus schien zufrieden über sein Werk, nachdem er die Halle umdekoriert hatte. Severus machte ein Gesicht, dass eine gewisse Mordlust erkennen ließ.
Amina, die neben ihm saß, strich ihm beruhigend über das Bein. Dann flüsterte sie ihn ins Ohr: „Mach dir nichts draus. Du hast noch sechs Jahre, indem du Potter quälen kannst. Nicht in jedem Jahr wird er der Held sein." Severus sah sie an und schmunzelte. „Das wollen wir doch hoffen. Jetzt genießen wir erst mal den Sommer. Das nächste Jahr wird wahrscheinlich eine Katastrophe werden." Amina sah in fragend an. „Der Lehrer für Verteidigung gegen die dunklen Künste wird Gilderoy Lockhart." „Der Autor von diesen lächerlichen Biografien über sich selbst?", fragte sie skeptisch. Severus nickte bestätigend. Sie schnaubte verächtlich. Das konnte etwas werden. Sie hatte ein paar seiner Bücher gelesen und beschlossen, dass diese allesamt gelogen sein mussten. Wenigstens mussten sie bei ihm keine Angst haben, dass Potter in Gefahr wäre. Wenn der Kerl wusste, wie man einen Zauberstab hält, wäre es ein Wunder. Was hatte sich der Schulleiter bloß dabei gedacht?