Die Wochen nach dem Spiel waren überraschend ereignislos. Quirinus hatte sich von dem Stein ferngehalten und auch der junge Potter und seine Anhängsel schienen mit etwas anderen beschäftigt zu sein. Obwohl Potters Misstrauen Severus und ihr gegenüber schon fast greifbar für Amina war, hatte er sie auch nicht auf ihre Begegnung in den Bäumen angesprochen. Sie wusste, dass das, was das Trio beschäftigte, etwas mit einem Drachen zu tun haben musste, machte sich aber keine weiteren Gedanken dazu. Sie musste ja nicht jedem Gedanken nachgehen, den sie aufschnappte.
Lieber verbrachte sie ihre wenige freie Zeit mit Besuchen bei ihrem Urgroßonkel und der Forschung an ihrem Todesbrecher. So nannte sie den Stein, der den Todesfluch abwenden sollte, vorläufig. Mal sehen, ob ihr irgendwann noch ein besserer Name einfallen würde. Sie versuchte verschiedene Zusammensätze und baute so nach und nach aus dem Stärkungstrank, den sie als Grundlage verwendete, den Stein zusammen. Es war eine mühsame Arbeit und auch sehr zeitaufwendig, da natürlich die wenigsten Versuche glückten. Die meisten hatten inzwischen aufgegeben, nach jeder Explosion oder jedem Beben nachzufragen, ob es ihr gut ginge. Amina war froh darüber, so musste sie nicht ständig ihre Arbeit unterbrechen.
Amina korrigierte gerade einige Aufsätze in ihrem Büro, als die Tür aufflog und Severus hineingestürmt kam. „Die Tür hat weder einen großen Widerstand noch einen automatischen Schließmechanismus.", informierte sie ihn mit ruhiger Stimme, ohne von ihrer Arbeit aufzusehen. „Ist mir aufgefallen.", antwortete er ihr knapp. Er platzierte seine Hände am Rand ihres Schreibtisches und beugte sich über diesen. Amina sah von ihrer Arbeit auf. Direkt in seine schwarzen Augen. „Im Wald tötet jemand oder etwas Einhörner.", zischte er und sah sie ernst an. Amina zog überrascht ihre Augenbrauen nach oben.
„Quirinus?", fragte sie. „Ich weiß es nicht. Hagrid hat es mir gerade erst erzählt. Er hat, was oder wer auch immer es war, selbst noch nicht gesehen. Er hat lediglich die Kadaver der Tiere gefunden." „Meinst du es will jemand an ihr Blut?", fragte sie leise. Ihre Bürotür stand immer noch offen und es liefen ab und an einige Lernenden vorbei, die neugierig in ihr Büro sahen. „Wahrscheinlich. Wir sollten auf jeden Fall wachsam bleiben." Sie sah eine weitere Bewegung hinter Severus und sah zur Tür. Dort standen der junge Potter und seine beiden Anhängsel. Severus bemerkte den Blick und richtete sich ruckartig auf, nur um sich zu den dreien umzudrehen. Die drei sahen sich kurz an und eilten dann davon. Severus schloss die Tür.
„Ich wette mit dir, die drei sind jetzt der festen Überzeugung, dass der böse Professor Snape mich bedrohen würde." Amina schmunzelte. Severus sah sie mit einem ebenfalls amüsierten Blick an. „Da kann der böse Professor Snape aber froh sein, dass Sie es besser wissen, Professor Tahnea." Er umrundete den Schreibtisch. Amina ließ ihn nicht aus den Augen. Er legte seine Hände auf ihre Stuhllehnen und beugte sich über sie. „Sie wissen es doch besser, oder?", flüsterte er ihr entgegen und beobachtete sie mit seinen schwarzen Augen.
Bevor sie darauf reagieren konnte, schlug ihre Tür erneut auf und Minerva stand mit gezücktem Zauberstab und gefolgt von den drei Kindern in ihr. Severus richtete sich abrupt auf und Amina seufzte genervt. „Diese Tür funktioniert, wie jede andere auch, sehr gut, ohne, dass man sie aufschlägt." „Entschuldige, Amina. Mr. Potter sagte, Sie würden bedroht werden.", erklärte Minerva und sah streng zu dem Schüler. „Aber wie ich sehe, ist alles in Ordnung. Oder haben Sie sich durch Professor Snape bedroht gefühlt?" Amina sah amüsiert zu dem Tränkemeister.
„Wie könnte ich nicht?" Severus zog fragend eine Augenbraue hoch. „Aber ich denke, meine Tür müsste mehr Angst vor ihm haben." Severus kräuselte amüsiert seine Lippen. „Dann ist ja alles in Ordnung. Entschuldigen Sie uns bitte." Mit diesen Worten drehte sich Minerva um und schob die drei Lernenden aus dem Büro. „Aber Frau Professor...", versuchte der Weasley zu widersprechen, doch Minerva ignorierte ihn und schloss die Tür hinten ihnen. „Hast du Lust auf einen Tee?", fragte Amina und erhob sich, um in Richtung ihres Feuers zu laufen, auf dem eine Teekanne stand. Severus nickte und setzte sich auf einen der Stühle.
Einige Minuten später tranken beide ihren Tee und unterhielten sich über den Verbotenen Wald, da klopfte es an der Tür. „Herein.", bat Amina. Minerva kam ins Büro und schloss die Tür hinter sich. „Sie beide sollten besser aufpassen.", sagte sie streng und mit den Händen an den Hüften. „Aufpassen?", fragte Amina verwundert und nahm ein Schluck Tee. „Ja, aufpassen. Ich nehme an, die Schülerschaft sollte nichts von ihrer Beziehung erfahren." „Minerva, da gibt es keine...Beziehung. Severus ist hier, um mir zu erzählen, dass im Verbotenen Wald Einhörner getötet wurden.", erklärte Amina und erhob sich erneut. „Tee?", fragte sie die Verwandlungslehrerin. „Gerne." Minerva nahm auf dem dritten Stuhl in dem Büro Platz.
„Sie wollen mir doch jetzt nicht erzählen, dass Sie kein Paar sind, oder? Ich bin nicht blind.", entrüstete sie sich dann. Amina stellte eine Tasse Tee vor Minerva ab und setzte sich wieder. „Ist es so offensichtlich?", fragte Severus nüchtern. „Nur, wenn man Sie beide genau beobachtet. Die Lernenden und auch die anderen Lehrkräfte hegen keinen Verdacht meines Wissens nach. Danke für den Tee." Minerva nahm die Tasse und trank einen Schluck. „Ich werde selbstverständlich darüber schweigen. Und jetzt erzählen Sie: Was ist mit den Einhörnern?" Amina war froh, dass Minerva so professionell mit ihrer Beziehung umging. Auch Severus war erleichtert und berichtete, was Hagrid ihm erzählt hatte. Die drei unterhielten sich lange zu dem Thema, doch wirklich schlau wurden sie nicht aus den Erkenntnissen. Amina konnte sich nicht vorstellen, wie man ein solch reines Geschöpf töten konnte.
Einige Wochen später waren Severus und Amina spät abends noch in ihrem Büro. Er half ihr bei einem ihrer Experimente zum Todesbrecher. Sie waren schon einige Stunden beschäftigt und müssten nur noch zwei Mixturen miteinander mischen. „Ich fange jetzt an.", informierte sie Severus, welcher mit gezücktem Zauberstab dastand, um mögliche Reaktionen abzuwehren. Plötzlich klopfte es laut an der Tür. Amina zuckte zusammen und konnte gerade noch verhindern, dass das Reagenzglas aus ihrer Hand viel. „Seit wann ist hier eigentlich so ein Betrieb?", zischte Amina genervt, die in den letzten Wochen mindestens zwei Mal am Tag in ihrem Büro gestört wurde, und sagte dann laut: „Herein."
In der Tür stand Minerva, begleitet von dem jungen Malfoy. „Professor Snape, hier sind Sie also. Mr. Malfoy war der Meinung, für ihn würde die Ausgangssperre nicht gelten. Er erzählte eine haarsträubende Geschichte, Mr. Potter würde einen Drachen aus dem Schloss schmuggeln wollen.", erklärte Minerva und sah streng zu dem Schüler. Severus steckte seinen Zauberstab weg. „Ist das so?" Er zog eine Augenbraue nach oben. „Ich werde das klären. Kommen Sie, Malfoy." Er verabschiedete sich bei Amina mit einem nicken und verließ das Büro mit dem Malfoy im Schlepptau. Minerva blieb kurz stehen. „Kommen Sie auch ohne ihn zurecht?", fragte sie dann mit dem Blick auf das Experiment. Amina nickte. „Machen Sie sich keine Sorgen. Er war nur zur Sicherheit da. Ich kann das hier auch allein fertigstellen. Gehen Sie schlafen. Es ist schon spät." „Wenn Sie meinen. Gute Nacht, Amina." Die Ältere schloss die Tür und ließ Amina allein.
Dann hatten Potter und seine Anhängsel doch einen Drachen auf dem Schulgelände. Woher sie den wohl hatten? Amina schüttelte den Kopf. Vielleicht hätte ihr Urgroßonkel ihm dem Tarnumhang noch nicht geben sollen. Der Junge war noch zu jung, um ihn vernünftig zu benutzen. Sie kippte vorsichtig die Mixtur in ihrer Hand in das Gefäß mit der anderen Mixtur auf ihrem Tisch. Sie hörte ein verdächtiges Zischen und warf sich sogleich auf den Boden und hielt sich die Ohren zu. Über sie fegte eine heiße Druckwelle hinweg. Damit war dieses Experiment wohl auch schief gegangen.
Sie räumte gerade das Chaos auf, als ihre Bürotür aufging und Severus wieder hineinkam. „Wie ich sehe, hat es nicht funktioniert.", kommentierte er das verwüstete Zimmer. „Offensichtlich.", antwortete Amina knapp und reparierte die zerbrochenen Gläser. Er trat näher und legte seine Arme um sie. „Vielleicht solltest du für heute Schluss machen.", schlug er vor und legte seinen Kopf auf ihre Schulter. Sie nickte. „Vielleicht sollte ich das.", stimmte sie ihm zu und lehnte ihren Kopf gegen seinen. „Was ist mit Malfoy?", fragte sie ihn interessiert. „Der bekommt eine Strafarbeit.", erklärte er und schnaubte verächtlich. „Arroganter kleiner...", er unterbrach sich. Sie drehte sich in seinen Armen um und verschränkte ihre Hände in seinem Nacken.
„Er hat wahrscheinlich die Wahrheit gesagt.", informierte sie ihn. Er zog skeptisch eine Augenbraue hoch. „Das Potter und seine Clique einen Drachen aus der Schule bringen wollten?" Sie nickte bestätigend. „Zumindest hat Potter in den letzten paar Wochen ständig an einen Drachen gedacht, auch Weasley und Granger. Aber frag mich bloß nicht, woher sie den haben sollten. Dazu hätte ich mich näher damit beschäftigen müssen und ich habe keine Lust, mich um jeden Unfug zu kümmern, den die drei anstellen." Er verzog missmutig sein Gesicht. „Er ist genauso arrogant wie sein Vater.", stellte er fest. „Oder so hilfsbereit wie seine Mutter. Wir kennen die genauen Umstände nicht.", ergänzte sie und küsste ihm kurz.
Er murrte unzufrieden und küsste sie richtig. Erst nach einigen Minuten lösten sie sich voneinander. „Ich werde jetzt gehen. Bis morgen." Er gab ihr noch mal einen Kuss und verließ das Büro. Amina seufzte und machte sich selbst daran, ins Bett zu kommen. Es war schon kurz nach ein Uhr in der Nacht. Am nächsten Morgen würde sie bestimmt furchtbar müde sein. Trotz der Tatsache, dass sie immer um kurz nach sechs am Morgen aufstand, hatte sie Probleme damit, wenn sie nicht mindestens sechs Stunden Schlaf bekam.