Winterreich

By MerveMzlm

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Orientierungslos wacht Ruby an einem fremden Ort auf. Und als dann merkwürdige Dinge ihren Lauf nehmen, änder... More

Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22

Kapitel 8

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By MerveMzlm

Als wir das Schloss betreten, fühle ich mich sehr, sehr klein. Die Decke ist Meterweit hoch. Links und rechts sind Säulen die, die Decke stützen. Sie werden von Lianen mit goldenen Blumen umkreis. Die komplette Halle besteht aus weißem Marmor und die Schritte, die wir gehen, erzeugen einen Echo. An den Wänden sind Sätze eingraviert, die ich nicht entziffern kann. Es ist einfach wunderschön. Nein, majestätisch ist definitiv der passendere Begriff. Ich war bisher nur in einem Schloss, weil Lucy mich dort hingeschleppt hat, aber das war rein gar nichts im Vergleich hierzu. Vermutlich das schönste Gebäude, was ich je gesehen habe. Vor einer Tür landet schließlich die Fee und sieht uns an.

"Die Königin ist in diesem Saal. Ich muss nicht sagen, dass ihr respektvoll sein müsst?" Sie sieht jeden von uns an. Am längsten verweilt ihr Blick auf Carlisle. 

"Das wissen wir", antwortet Ciardha.

Die Fee nickt und öffnet schließlich die Tür. Ich weiß nicht womit ich gerechnet habe. Vielleicht mit einem Thronsaal wie in den Filmen, aber sicher nicht mit einem Raum voller Pflanzen. Es sieht aus wie ein Wintergarten. Alles ist aus Glas.

"Wen haben wir denn da?" 

Eine wunderschöne Frau im mittleren Alter kommt hinter einer großen Pflanze hervor geflogen. Sie trägt ein bodenlanges, goldenes Kleid, welches ihren Körper umschlingt. Sie hat dunkle Haare, die bereits durch graue Strähnen gekennzeichnet sind. Sie sieht so natürlich aus. Als sie vor uns landet, sehe ich auch Falten in ihrem ansonsten makellosen Gesicht. Ihre blauen Augen sehen uns freundlich an. Mit einer Spur von Neugierde. 

"Eure Majestät", sagt Ciardha und verbeugt sich. Etwas überfordert mache ich die Bewegung nach. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie auch Carlisle sich verbeugt.

"Dich habe ich lange nicht mehr gesehen, was führt dich zu mir?", fragt die Königin, nachdem wir uns wieder aufgerichtet haben.

"Wir sind auf der Durchreise und Euer Reich schien mir die Sicherste zu sein."

"Da hast du richtig gedacht. Wer sind deine Begleiter?" Nun sieht sie Carlisle und mich an.

"Das sind Ruby und..."

"Carlisle", flüstere ich und versuche nicht zu lachen.

"Carlisle", beendet er schließlich seinen Satz.

Die Königin sieht mich eine Weile lang an. Sehr verdächtig. Vermutlich hält sie mich auch für die Schneeprinzessin. Ich frage mich aber, wie sie dazu steht. 

"Ihr könnt bleiben, solange es nötig ist."

Sie wirft uns nicht hinaus, immerhin ist das ein gutes Zeichen, oder nicht? 

"Vielen Dank, Eure Majestät." Ciardha verbeugt sich erneut.

"Eine Bedingung habe ich aber."

War ja klar. Niemand macht etwas, ohne eine Gegenleistung zu erwarten. Ich hätte mir denken können, das es hier genauso abläuft. Egal ob Mensch oder Fee, sie sind immer gleich. Ich kann ihr ansehen, dass sie etwas ausheckt. Ich habe früh gelernt, Menschen zu durschauen.

"Was auch immer Ihr wünscht."

Na große Klasse, Ciardha. Wie wäre es wenn ich da auch was zu sagen habe? Ich hasse es, wenn man über mein Kopf hinweg Entscheidungen trifft. Das ist einfach Scheiße.

"Ihr werdet mit mir zu Abend speisen. Mein Sohn ist mal wieder unterwegs und alleine zu Abendessen ist nicht unterhaltsam."

Okay, das klingt nicht zu schlimm. Aber sie hat Hintergedanken. Um das zu verstehen, muss man kein Genie sein. Nachdem wir uns erneut verbeugt haben, führt uns die Fee von vorhin zu unseren Gemächern, wie sie die Schlafzimmer nennen. Selbst mein das Schlafzimmer ist atemberaubend. Die Möbel sind in weiß und Gold gehalten. Ein riesiges Himmelbett steht mitten im Raum. Rechts steht ein Tisch und daneben ein Schrank.

"In dem Schrank findet Ihr Kleider." Die Fee steuert den Kleiderschrank an und öffnet es. Sie schiebt die Kleider hin und her, bis sie schließlich eines herausholt. Es verschlägt mir glatt den Atem.

"Wow", hauche ich und trete näher. Noch nie habe ich ein so schönes Kleid gesehen.

"Ihr solltet das hier tragen, wenn Ihr mit der Königin zu Abend speist."

Es ist ein weißes Vintage-Kleid und sieht aus wie ein Hochzeitskleid, die für Strandhochzeiten geeignet sind. Es ist bodenlang und die Ärmel sind teils mit Spitze besetzt und teils sind sie transparent, sodass es an einem den Anschein macht, als wäre es einem auf die Haut gepinselt. Der Rock ist aus feinem, leichten und mehrfachen Stoff. Das Oberteil besteht ebenfalls aus Spitze.

"Das darf ich anziehen?", frage ich mit voller Ehrfurcht in der Stimme.

Die Fee lächelt sanft. Ich sehe sie das erste Mal lächeln. 

"Die Königin besteht darauf. Ich werde Euch abholen, wenn die Zeit gekommen ist." 

Sie legt das Kleid auf das Bett und verlässt das Zimmer. In was bin ich denn da hineingeraten? Ich gehe zum Fenster. Die Sonne geht langsam unter und ich erkenne Häuser auf den Ästen. Viele Feen fliegen noch durch die Gegend. Das hier ist der schönste Ort, wo ich jemals war. Und vermutlich der Sicherste. Wenn ich nur daran denke, dass ich gleich am ersten Tag von irgendwelchen Kerlen gejagt wurde, dann am nächsten Tag einem Tentakelmonster gegenüberstand und ein Tag darauf von widerlichen Typen bedroht wurde... Dann noch meine Begegnung mit Ciardha. Wenn ich so darüber nachdenke, grenzt es an ein Wunder, dass ich noch lebe. Seufzend trete ich vom Fenster und schließe die Vorhänge. Dann nehme ich das Kleid und ziehe mich um. Als ich mich im Spiegel betrachte, sehe ich in ein fremdes Gesicht. Das bin ich nicht. Das Einzige was ich an mir mochte, waren meine seltenen, grünen Augen und nun habe ich bernsteinfarbene Augen. Ich nehme die seitlichen Strähnen und binde sie hinten zusammen. Kurz darauf klopft es an der Tür.

"Ja?"

Die Tür geht auf und die Fee von vorhin kommt herein.

"Ihr seht wunderschön aus", sagt sie und fliegt auf mich zu. Vor mir bleibt sie stehen und setzt mir ein Blumenkranz aus Gänseblümchen ähnlichen Blumen auf.

"Danke."

"Kommt, Eure Begleiter sind bereits los."

Ich folge ihr aus dem Zimmer. Statt wie vorhin in den Wintergarten zu gehen, steuert sie diesmal eine andere Tür an. Vor der Tür stehen bereits Ciardha und Carlisle. Als sie mich sehen, starren sie mich an.

"Du siehst...anders aus", sagt Carlisle schließlich.

"Danke, glaube ich zumindest", sage ich zögernd und bemerke wie Ciardha die Augen verdreht und leicht den Kopf schüttelt. Die Fee öffnet die Tür und lässt uns eintreten. Die Königin ist noch nicht da. Was mich aber überrascht, ist, dass nur ein runder Tisch mit fünf Stühlen mitten im Raum steht. Mehr auch nicht.

"Ihr könnt schon einmal Platz nehmen, die Königin kommt bald."

Wir setzen uns hin und warten. Nervös fange ich an, auf meiner Unterlippe zu kauen. Ein Tick, was ich einfach nicht loswerde.

"Entspann dich", flüstert Ciardha. 

"Du hast die Königin doch bereits kennengelernt", fügt er hinzu.

Ja aber da hat sie mich angeschaut, als würde sie irgendwas sehen, was sie als Gefahr interpretieren könnte, schießt es mir durch den Kopf. Als dann die Tür aufgeht, betritt die Königin den Raum. Wir stehen auf und verbeugen uns vor ihr.

"Setzt euch", sagt sie und setzt sich hin.

"Ich hoffe doch, ihr konntet euch ausruhen?"

"Ja, herzlichsten Dank dafür", Ciardha übernimmt wieder das Reden.

"Das Kleid sieht an Euch bezaubernd aus", sagt sie nun an mich gewandt. Dass sie mich nicht duzt verblüfft mich.

"Danke sehr", bringe ich schließlich hervor. Gott, ich bin sowas von überfordert.

Das Essen wird serviert. Gerichte, die ich nie gesehen habe.

"Nun, ich hätte niemals gedacht, dass Ciardha mit der Schneeprinzessin reist."

Ich wusste es. Sie hält mich für die Schneeprinzessin. Aber ich weiß immer noch nicht, was sie von ihr hält. Wird sie mich doch noch rausschmeißen? Mein Blick huscht sofort zu Ciardha, doch dann reiße ich mich zusammen.

"Es ist so, Eure Majestät, dass ich nicht die Schneeprinzessin bin."

"Ihr seht aber wie sie aus."

"Das ist mir bewusst, aber ich weiß nicht wieso. Ihr solltet wissen, dass ich nicht aus dieser Welt stamme", sage ich. Ich werde ganz sicher nicht lügen. Sie sieht mich eine Weile schweigend an. Dann lächelt sie sanft.

"Ich weiß. Ich wollte nur wissen, ob du mich nicht anlügst." Oh jetzt duzt sie mich. Damit kann ich besser umgehen.

"Woher wisst Ihr das?", frage ich.

"Auf dir liegt ein Zauber. Ein mächtiger noch dazu. Es ist sehr schade, dass deine Begleiter nicht in deine wunderschönen, grünen Augen blicken können. Stattdessen sehen sie nur die Schneeprinzessin." 

Dabei sieht sie von mir zu Ciardha und wieder zurück.

Ich bin sprachlos. Aber Carlisle hat wohl die Sprache wieder gefunden.

"Nur die Schneeprinzessin?", ruft er verärgert. Seine Loyalität gilt immer noch der königlichen Familie. Ciardha sieht aus, als würde er ihn umbringen wollen.

"Deine Loyalität ist bewundernswert. Aber vergiss nicht, dass du im Feenreich bist und die königliche Familie nicht gerade meine Freunde sind." 

Aha, da habe ich meine Antwort. Die Verärgerung weicht aus Carlisles Gesicht. Stattdessen runzele ich die Stirn.

"Warum habt Ihr mich dann nicht hinausgeworfen?"

Mit einem Lächeln wendet sich die Königin wieder an mich.

"Weil ich die Gabe besitze, hinter den Zauberglanz zu sehen. Ich sehe dich, Ruby."

Erleichterung breitet sich in mir aus. Ich könnte heulen. Immerhin eine Person, die mir bestätigen kann, dass ich immer noch dieselbe bin.

"Könnt Ihr den Zauber aufheben?", fragt Ciardha.

Ich sehe ihn, dann die Königin an. Sie seufzt und schüttelt den Kopf.

"Ich habe magische Kräfte, aber sie sind nicht stark genug. Es tut mir leid."

Ich versuche meine Enttäuschung nicht zu zeigen, was mir aber nicht besonders gut gelingt.

"Wenn ich mich nicht irre, seid ihr auf dem Weg zum Kristallspiegel." 

Es wundert mich nicht, dass die Königin das weiß. Mich wundert eigentlich gar nichts mehr. Ich nicke und sie fährt fort.

"Dann kannst du den Spiegel bitten, dir dein Aussehen zurück zu geben."

"Ich dachte, der Spiegel kann nur eine Frage beantworten."

"Nun, bei dir wird er sicher eine Ausnahme machen."

"Warum?"

"Ist nur ein Gefühl", antwortet sie und sieht mich dabei vielsagend an. Sie wendet sich wieder an Ciardha und schon bald sind sie in eine Unterhaltung vertieft. Ich widme mich wieder dem Essen und es schmeckt köstlich. Schnell wird mir klar, dass die Feen Vegetarier sind. Mir ist das eigentlich egal, da ich selbst eine Vegetarierin bin, aber ich kann Carlisle ansehen, dass er das Fleisch vermisst. Als wir dann unser Nachtisch aufgegessen haben, frage ich:

"Hättet Ihr etwas dagegen, wenn ich ein wenig spazieren gehen würde?"

"Natürlich nicht, pass nur auf, dass du nicht stürzt."

"Danke, das werde ich." Ich stehe auf, verbeuge mich und will schon gehen, als Carlisle mein Handgelenk ergreift.

"Soll ich mitkommen?"

"Ich wäre gern allein."

Er lässt mich los und ich verlasse den Raum. Die Fee, deren Name Liana ist, führt mich bis zum Ausgang.

"Findet Ihr auch wieder zurück?"

"Ja, vielen Dank."

Sie nickt und fliegt davon. Ich lege den Kopf in den Nacken und atme die frische Nachtluft ein. Die Sterne funkeln am Himmel und von hier sieht alles so friedlich aus. Ich sehe mich um und beschließe den rechten Weg zu gehen. Dabei achte ich, dass ich weit vom Abgrund entfernt laufe. Immerhin will ich lebend nachhause kommen. Was mir aber nicht aus dem Kopf geht, ist, wie die Königin mich angeschaut hat, als sie sagte, dass der Spiegel bei mir eine Ausnahme machen würde. Was meinte sie damit? Was ist so besonders an mir? Was mache ich hier und was ist meine Rolle in dem Ganzen? So viele Fragen schwirren mir durch den Kopf. Ich sollte mir am besten die Frage überlegen, die ich dem Spiegel stellen werde. Denn ich habe sehr viele. Aber die wichtigste ist, wie komme ich wieder nachhause? Inzwischen sind drei Tage vergangen und Lucy macht sich bestimmt Sorgen um mich. Ich bin so sehr in Gedanken versunken, dass ich nicht merke, dass der Weg zu Ende geht und ich ins Nichts trete. Ich kann mich nicht mehr halten und falle.

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Vertraut mir die Geschichte ist gut