Alice in Borderland

By buisnessstories

436K 23.4K 4.4K

Arakida Sayuuri wacht in Tokyo auf und kann keine Menschenseele entdecken. Sie begreift schnell die Spielrege... More

Kapitel 1 - Das Borderland
Kapitel 2 - Nadel im Heuhaufen
Kapitel 3 - Zuhause
Kapitel 4 - Rennen
Kapitel 5 - Viva Las Vegas
Kapitel 6 - All in
Kapitel 7 - Das Beach
Kapitel 8 - Erster Abend
Kapitel 9 - Das Dach
Kapitel 10 - Izumi
Kapitel 11 - College Geheimzimmer Party
Kapitel 12 - Rückweg
Kapitel 13 - Rehabilitation
Kapitel 14 - Abendessen
Kapitel 15 - Ein Drink mit dem Hutmacher
Kapitel 16 - Das Diamantspiel
Kapitel 17 - Ein fröhlicher Abend
Kapitel 18 - Wollen wir wetten?
Kapitel 19 - Escape
Kapitel 20 - Zimmerbesichtigung
Kapitel 21 - Schachrunde
Kapitel 22 - Abendessen
Kapitel 23 - Überleben
Kapitel 24 - Das blutüberströmte Mädchen
Kapitel 25 - Morphium
Kapitel 26 - Platzregen
Kapitel 27 - Mensch ärgere dich nicht
Kapitel 28 - Überraschung
Kapitel 29 - Alte Freunde
Kapitel 30 - Neues Spiel, neues Glück
Kapitel 31 - Kombination
Kapitel 32 - Konferenzsaal
Kapitel 33 - Wetteinsatz
Kapitel 34 - Ein letztes Gespräch
Kapitel 35 - Irische Totenwache
Kapitel 36 - Guten Morgen
Kapitel 37 - Das Krankenhaus
Kapitel 38 - Ein langweiliger Tag im Beach
Kapitel 39 - Versorgungstour
Kapitel 40 - Teamwork
Kapitel 41 - Ertrinken
Kapitel 42 - Kalt
Kapitel 43 - Unruhiger Schlaf
Kapitel 44 - Gemütlicher Morgen
Kapitel 45 - Sangria Sonntag
Kapitel 46 - Hennessy mit dem Hutmacher
Kapitel 47 - Die Lichter
Kapitel 48 - Chishiyas Worte
Kapitel 49 - Strandtag
Kapitel 50 - Das Spiel der Nummer zwei
Kapitel 51 - Mitternachtsdusche
Kapitel 52 - Neue und alte Gesichter
Kapitel 53 - Ohnmacht
Kapitel 54 - Unsichtbare Mauer
Kapitel 55 - Meeresausblick
Kapitel 56 - Waffeln am Morgen
Kapitel 57 - Warum kein Pik-Spiel?
Kapitel 58 - Basketballplatz
Kapitel 59 - Verzweiflung
Kapitel 60 - Wie betäubt
Kapitel 61 - Ohne Schmerzmittel
Kapitel 62 - Kaboom
Kapitel 63 - Vollidiot
Kapitel 64 - Ablaufendes Visum
Kapitel 65 - Zerbrochene Glasscheibe
Kapitel 66 - Völlig von der Rolle
Kapitel 67 - Grauenhafte Konstellation
Kapitel 68 - Wendigo
Kapitel 69 - Durst
Kapitel 70 - Goldregen
Kapitel 71 - Ein Korb voll Süßigkeiten
Kapitel 72 - Neues Spiel
Kapitel 73 - Aufgabenkarten
Kapitel 74 - Familienmitglieder
Kapitel 75 - Frühstück
Kapitel 76 - Regenbogen
Kapitel 77 - Erleichterung
Kapitel 78 - Hochroter Kopf
Kapitel 79 - Tinte
Kapitel 80 - Frontscheibe
Kapitel 81 - Besprechung
Kapitel 82 - Fingerknochen
Kapitel 83 - Kuina!
Kapitel 84 - Medizinnachhilfe
Kapitel 85 - Das Versteck
Kapitel 86 - Unter Wasser
Kapitel 87 - Heiße Dusche
(*)
Kapitel 88 - Museum (Teil 1)
Kapitel 89 - Museum (Teil 2)
Kapitel 90 - Museum (Teil 3)
Kapitel 91 - Kannst du nicht einfach hier bleiben?
Kapitel 92 - Französische Zwiebelsuppe
Kapitel 93 - Fragestunde
Kapitel 94 - Viererrunde
Kapitel 95 - Aufwachen!
Kapitel 96 -
Kapitel 97 - Ablenkung
Kapitel 98 - Unsicherheit
Kapitel 99 - Das Date
Kapitel 100 - Wer zu nah an die Sonne fliegt ...
Kapitel 101 - Tayuya
Kapitel 102 - Untergetaucht
Kapitel 103 - Chishiyas Hartnäckigkeit
Kapitel 104 - Jiro und Hiroshi
Kapitel 105 - Mutiger sein
Kapitel 106 - Schlaflose Nebenwirkungen
Kapitel 107 - Wohliges Gefühl
Kapitel 108 - Andeutungen einer Erinnerung
Kapitel 109 - Ungutes Gefühl
Kapitel 110 - Versorgungstour in der Mall
Kapitel 111 - Strafakte
Kapitel 112 - "5-23er" (Beginn Serie)
Kapitel 113 - Tik-Tak-Toe (Arisu 1)
Kapitel 114 (Arisu 2)
Kapitel 115 - Wieder "zu Hause"
Kapitel 116 - Junggesellinnenabschied
Kapitel 117 - Auf ins nächste Spiel
Kapitel 118 - Seelische Altlasten
Kapitel 119 - Die böse Saht
Kapitel 120 - Neuankömmlinge
Kapitel 121 - Stimmungsschwankungen
Kapitel 123 - (Update)
Kapitel 124 - Vorahnungen
Kapitel 125 - maskierter Killer
Kapitel 126 - Acht Stunden vor der Hochzeit
Kapitel 127 - Eine Hochzeit im Borderland
Kapitel 128 - Sieben
Kapitel 129 - Ewig währendes Leid
Kapitel 130 - Wie die Könige fallen
Kapitel 131 - Wie die Könige fallen II
Kapitel 132 - Der letzte Nachmittag Sayuuri's
Kapitel 133 - Morpheus ewiger Schlaf (Einführung)
Kapitel 134 - Morpheus
Kapitel 135 - Morpheus Totenreich
Kapitel 136 - Ungewohnte Behutsamkeit
Kapitel 137 - Die neue Situation im Beach
Kapitel 138 - Aufbruchsstimmung
Kapitel 139 - Wortlose Kommunikation
Kapitel 140 - Mörderisches Dreieck
Kapitel 141 - Mörderisches Dreieck II
Kapitel 142 - Die Fügung des Schicksals
Kapitel 143 - Der Henker und sein Richter

Kapitel 122 - Usagi's und Arisu's erster Abend im Beach

3.8K 137 30
By buisnessstories

Herausfordernd sieht sie mich an und auch wenn meine gutgelaunte Stimmung sowie mein Lächeln versiebt, nehme ich mir kurz Zeit sie zu mustern. Im Konferenzsaal habe ich darauf verzichtet, schließlich kann ich mir nicht alle neuen Mitglieder des Beach merken und die meisten sterben nach nur wenigen Spielen. Aber sie ist misstrauisch und damit ganz sicher nicht auf den Kopf gefallen, es ist es wert mir erst einmal einige Informationen über sie einzuprägen.

Das erste was mir sofort ins Auge fällt ist ihre muskulöse Statur, welche ich trotz der orangenen Weste erkennen kann. Es sind nicht nur ihre Bauchmuskeln weshalb ich gezielte Übungen für eine perfekte Bikinifigur ausschließe, wie es den meisten Frauen hier in der Poolanlage zuzutrauen ist. An der Breite ihrer Schultern, ihre geraden Sitzhaltung und den ausgefüllten Westenärmel stelle ich fest, dass ihr Rücken und ihre Arme ebenfalls trainiert zu sein scheinen. Die Frau ist sportlich versiert und das vermutlich schon mehrere Jahre, aber kommt das durch den Beruf oder eine Freizeitaktivität? Ich könnte sie besser einschätzen wenn ich das wüsste. Ihre Haare sind kurzgeschnitten und der Pony verhindert, dass ihr ständig die Haare ins Gesicht fallen, sie könnte praktisch veranlagt sein was sie zu einer passablen Spielerin macht.

Ihre Hände sind nicht manikürt oder sanft, sie sehen eher rau und an manchen Stellen leicht aufgeschürft aus. Sie könnte oft schwere Kisten oder etwas dergleichen tragen, also im Lager arbeiten oder auf einer Baustelle. Hm, sie trägt weder Parfüm noch auffällige Kleidung, es sieht eher wie ein Sportdress aus. Vielleicht ist sie gerudert, aber dann hätte ich wahrscheinlich eher Blasen an der Hand erkannt. Ich gehe verschiedene Sportarten in meinem Kopf durch und grenzte es auf zwei verschiedene Sportarten ein: Schwimmen oder klettern. Gleichgültig welche der beiden zutrifft, sie verschaffen einen definitiv einen Vorteil in den Spielen. 

Zufrieden mit meiner Schlussfolgerung versuche ich ein breites Grinsen zu verbergen. Natürlich hat sie meine Musterung mitbekommen, doch sie scheint ihre eigene noch nicht abgeschlossen zu haben. Ich bin wirklich neugierig darauf was gerade in diesem Moment in ihrem Kopf vor sich geht. Ich setze ein Lächeln auf um die Situation ein wenig zu überspielen und für eine Millisekunde zucken ihre Augen überrascht.     

"Ich bin Sayuuri, und du bist...?"

"Usagi", antwortet sie mit einer strengen Stimme. Ihren Namen vor mir geheim zuhalten wäre ihr sowieso nicht gelungen, ich wette sie hat Arisu keinen falschen Namen bei ihrem kennenlernen genannt. Und es ist auch anzunehmen, dass sie gefesselt an einen Stuhl der Führungsrege wenigstens ihren Namen verraten hat auch wenn nur um ihnen einen Knochen hinzuwerfen. 

"Es freut mich, dass sie sich für unser Hotel entschieden haben", scherze ich Hände faltend mit einer schwingenden Empfangsdamenstimme und sehe zwischen den beiden hin und her, "Sollten sie irgendetwas benötigen, unsere Rezeption ist rund um die Uhr besetzt. Frühstück gibt es ab sechs Uhr morgens, Mittagessen um zwölf und Abendessen ab neunzehn Uhr. Zwischenzeitlich gibt es eine Snackbar am Pool. Da sie das Exklusivpacket gebucht haben gibt es kostenlose Getränke vierundzwanzig Stunden lang und einen persönlichen Routenplaner, um an unseren Reiseangeboten zu den Spielen teilnehmen zu können"

Ich lache über mich selbst und während Arisu mich überfordert und verwirrt ansieht, scheint sich die Miene seiner grimmigen Freundin ein wenig zu entspannen.   

"Ähm..." , sagt Arisu und fängt sich nach einer kleinen Schweigesekunde wieder, "wir wollen mehr über all das hier erfahren und haben uns ein wenig umgehört. Können wir dir ein paar Fragen stellen?"

"Klar wenn ich vorher was zu trinken bekomme", zucke ich nur unbekümmert mit den Achseln und er beginnt wieder hektischer zu nicken wie im Konferenzsaal.

"Ich hole dir ein Wasser"

"Weißwein", korrigiere ich ihn und nach einer kurzen Pause nickt er erneut und geht zur Bar. Ich sehe zu Usagi und warte auf eine Frage oder Feststellung von ihr, doch sie regt sich nicht bis Arisu wiederkehrt mit einem vollen Glas Wein. Zufrieden nehme ich es entgegen und nehme genau vier große Schlucke, bevor ich abwartend zu Arisu sehe.

"Wie lange bis du schon hier im Hotel?"

"Keine Ahnung ehrlich gesagt, ich würde behaupten schon ganz schön lange", stelle ich fest und mache ein nachdenkliches Geräusch. Wie lange bin ich schon hier, mehrere Monate? Oder kommt es mir nur so vor. Verdammt, wie lange muss der Hutmacher dann schon hier sein?

"An wie vielen Spielen hast du dann teilgenommen?", fragt Arisu neugierig.

"Weiß nicht, an vielen"

"Wenn du immer so ungenau bleibst, ist das hier Zeitverschwendung", fährt mich die Frau leicht an und ich verdrehe nur die Augen. Ist ja nicht so, dass ich freiwillig mit ihnen rede.

"Von mir aus. Da war mein erstes Spiel in der Bibliothek, das Kasino und oh das Spiel wo wir im Fahrstuhl abgestürzt sind. Dann das Arenaspiel als ich ertrunken bin, das schwimm-bevor-dich-der-Killerhai-bekommt-Spiel, das mit den Kannibalen und dann gab es noch eines wo Niragi und ich gekippnet wurden. Was noch? Die Schreckensärzte, das Spiel in diesem Hochhaus mit diesem Serum. Ich sage euch die Nebenwirkungen waren fürchterlich. Danach müsste das mit Arisu gewesen sein und mein letztes Spiel war das letzte wo ein Psychopath auf mich eingeprügelt hat", zähle ich murmelnd auf doch anhand ihrer Gesichtsausdrücke können sie es trotzdem hören, "Es sollten vielleicht zwanzig gewesen sein. Und ihr?"

"Vier", antwortet Arisu sofort und sieht dann zu Usagi.

"Ein paar mehr", antwortet sie, als sie seinen Blick spürt. Verstehe, die beiden kennen sich noch nicht so lange, aber länger als nur einen Tag. Sie kennen niemandem im Beach und halten sich aneinander. 

"Du warst vorhin auch in dem Besprechungsraum", stellt Arisu fest, "Bist du auch in der Führungsebene? Die Wenigen die wir gefragt haben wussten keine Antwort darauf oder die Spekulationen waren viel zu unterschiedlich um einen wahren Kern herauszuhören"

„Nein bin ich nicht, aber ich verbringe wohl mit den Leuten dort die meiste Zeit. Welche Geschichten werden denn erzählt?", frage ich neugierig und ein bisschen überrascht. Ich dachte die Leute hier kümmern sich nur um sich und darum einen konstanten Promillespiegel beizubehalten.

„Naja", beginnt Arisu zu erzählen und kratzt sich am Hinterkopf. Ihm scheint es unangenehm zu sein, was mich nur um so neugieriger macht. Ist es ihm unangenehm weil er mich kennt oder erzählen die Menschen hier wirklich so schreckliche Dinge. 

"Es gibt drei Haupttheorien", übernimmt Usagi der das ganz und gar nicht unangenehm zu sein scheint, "Der Hutmacher hat an dir einen Narren gefressen und sieht dich wie eine Tochter oder Schwester, dein Onkel hat dich durch die Nummer zwei eingeschleust oder du schläfst mit irgendeinem Gewehrtyp"

Einen Moment sehe ich sie verwundert an und bekomme kein Wort heraus. Die Menschen hier sind wirklich dümmer als angenommen, vor allem weil die letzten Punkte keinen Sinn machen. Mein Onkel hat an noch keiner Besprechung teilgenommen von der ich weiß, wieso sollte er mich in der Führungsrege einschleusen ohne selbst mitzuwirken? Und warum sollte ich dort, nur weil ich angeblich mit Niragi schlafe? Vor allem wer kommt auf so eine schwachsinnige Idee, derjenige muss wirklich auf Drogen gewesen sein. Anscheinend ist es für die Leute hier absurd, dass man sich, auch ohne mit jemanden von der Führung zu schlafen, sich hocharbeiten kann. 

"Stimmt eine Annahme davon?", fragt Arisu vorsichtig.  

"Okay, der Hutmacher und ich verstehen uns gut. Aber er sieht mich nicht als seine Schwester oder irgendetwas. Er möchte einfach manchmal meine Meinung wissen und ich war in viele Situationen involviert, deswegen sollte ich bei den Besprechungen dabei sein. Außerdem war ich viel früher im Hotel als mein Onkel und wurde schon um Rat gebeten, als eine Freundin von mir hier war. Und zur dritten Theorie kann ich nur sagen: Igitt"

"Igitt? Der Typ meinte es gab viele Anzeichen dafür, dass ihr was miteinander habt die nicht nur er mitbekommen hat", nimmt mich Usagi leicht in die Mangel, während Arisu gefallen an der weißen Tischplatte zu finden scheint. Ihm ist dieses Gespräch wirklich ziemlich unangenehm zu sein.

"Nur weil eine Frau Zeit mit einem Mann verbringt und sie sich einigermaßen verstehen heißt das nicht zwangsläufig, dass die beiden miteinander schlafen", sage ich nur an sie gewandt und als sie prüfend meinem Blick Stand hält, ahme ich den Blick von Chishiya nach bei dem ich verrückt werde. Ich schaue schmunzelnd eine Sekunde nach unten auf den Tisch, in dem Wissen wie ihre Reaktion gleich sein wird und sehe ihr dann mit hochgezogenen Augenbrauen und einem frechen Grinsen direkt in ihre dunklen Augen. "Oder haben du und Arisu miteinander geschlafen?"

Ihre Augen weiten sich einen Moment und anstatt mir gleich verneinend zu antworten, sieht sie leicht peinlich berührt zu Arisu welcher mich nur mit riesigen Augen ansieht.

"W-was?", fragt er nach wie als hätte er mich vielleicht falsch verstanden.

"Nein", fängt sich die Frau wieder und ich nicke nur amüsiert. Anscheinend habe ich meinen Standpunkt überzeugend klar gemacht und ehrlich gesagt hat das eben wirklich Spaß gemacht. Die beiden weichen mittlerweile dem Blick des anderen aus und ich verdrehe nur die Augen.

"Entspannt euch mal wieder Leute", kichere ich. Die beiden scheinen um die zwei Jahre älter zu sein als ich und benehmen sich gerade wie ertappte Teenager. Vor allem von Usagi hätte ich diese Reaktion nicht erwartet. Ich nehme mein Weinglas und stehe lächelnd auf. Ich habe diesem Gespräch zugestimmt um Arisu zu helfen und gleichzeitig mehr herauszufinden. Auch um die Frau einzuschätzen, ihn habe ich schließlich schon bei einem Spiel in Aktion gesehen. "Also dann war schön mit euch. Vielleicht sehen wir uns ja heute Abend hier am Pool. Oh und viel Glück bei eurem Spiel nachher"

"Ja danke, bis später Sayuuri", höre ich noch Arisu sagen, während Usagi nur etwas unverständliches zum Abschied murmelt. 

Gemütlich schlendere ich zur Eingangshalle und lehne mich tiefenentspannt an eine der Säulen unter der Empore. Während ich meinen Blick über die wenigen Leute hier schweifen lasse überlege ich einfach in meinem Zimmer zu verschwinden und mir eines meiner Bücher aneignen soll. Ein Mittagsschlaf um diese Uhrzeit ist auch nicht verkehrt, oder ich suche Kuina und frage sie, ob wir 'Mensch ärgere dich nicht' oder Uno spielen. Plötzlich bleiben meine Augen an jemandem ein Stockwerk höher auf den Treppen hängen, welcher mich noch nicht bemerkt hat. Augenblicklich richte ich mich auf und versuche den Kloß in meinem Hals herunterzuschlucken.

Seit ungefähr zehn Tagen bin ich meinem Onkel erfolgreich aus dem Weg gegangen, aber wir stecken beide in dem selben Hotel fest. Da ist es zu erwarten, dass ich ihn nicht ewig meiden kann. Und wenn ich ehrlich bin, habe ich keine Ahnung wie ich mich gegenüber ihm verhalten soll. Ich möchte wütend auf ihn sein, manchmal schleicht sich auch der Gedanke an Rache in meinen Kopf. Aber immer wieder finde ich Entschuldigungen für ihn, was verhindert dass meine Wut auf ihn lange anhält. Ich meine wir sind im Borderland, alleine das ist Grund genug durchzudrehen. Und Takeo war immer ein Mensch, der über alles die Kontrolle hatte: Seinen Job, seine Beziehung, seine Freunde und so lächerlich es auch klingt, selbst die Gesprächsthemen an Familienessen lenkte er geschickt in seine ausgewählte Richtung. Und hier? 

Man kann weder entscheiden wann man zu einem Spiel geht, noch wann man stirbt. Mit einem Wimpernschlag hat er die ganze Kontrolle verloren. Vielleicht hatte er durch seinen Plan wieder das Gefühl ein wenig davon zurückzuerlangen, und dann komme ich ihm ohne es zu wollen in die Quere. Ihm sind einfach die Sicherungen durchgebrannt, ab einer gewissen Belastung tut es das bei uns allen mal. Aber auch wenn ich keine Wut fühle, habe ich ein beklemmendes Gefühl in der Brust. Ich kann es nicht genau zuordnen, möglicherweise ist es eine Mischung aus Vorsicht und Zurückhaltung. Dass ich wirklich Angst habe kann ich nicht behaupten, aber ich fühle mich wohler ihn hier zu treffen als auf einem leeren Gang. 

Und eine Sache will mir nicht aus dem Kopf gehen, nämlich den Plan den er damals verfolgt hat. Wie gesagt, er liebt es die Kontrolle zu behalten und um an den Schlüssel zu kommen setzt er alles auf eine Person im goldenen Badeanzug und einer Hose, die geradeso das wichtigste Bedeckt. Irgendetwas stimmt da nicht. Vor allem weil zu erwarten war, dass sie den Schlüssel Chishiya gibt. Bisher habe ich nicht darüber nachgedacht, weil es mich wahnsinnig macht wenn sowohl Chishiya als auch Tayuya in einem Gedankengang vorkommen. Aber etwas fehlt an dem Puzzle, welches sich in meinem Kopf zusammensetzt. Etwas muss er noch geplant haben, kam aber nicht dazu es umzusetzen. Und wenn er bei mir schon aggressiv reagiert wegen eines Verdachtes durch ein gezeichnetes Bild, wobei er damit nicht falsch lag, wie hat er wohl reagiert als er gemerkt hat, das Tayuya ihm den Schlüssel nicht geben wird. 

Meine Gedanken verstummen als seine Augen auf mich treffen. Während ich innerlich erstarre, bleibe ich äußerlich relativ ruhig und halte seinem Blick stand. Doch er mustert mich nicht wie erwartet kritisch, sondern nickt mir unmerklich zu und ich kann sogar ein leichtes Lächeln entdecken. Er drosselt leicht seine Geschwindigkeit und an seiner Haltung kann ich erkennen, dass er vorsichtig ist um zu sehen, wie ich auf ihn reagiere. Ich bekomme ein kleines Lächeln zustande, aber ich habe keine Lust im Moment mit ihm zu reden. 

Ich setze mich in Bewegung und steuere auf die Diskothek im Innenbereich zu, denn diese wird er wohl kaum betreten wollen. Sobald ich die Tür öffne bin ich ein wenig überrascht, denn obwohl es voller ist als gedacht läuft eine relativ leise Musik. Leicht unbeholfen bleibe ich an der Tür stehen und suche den Raum nach einem freien Platz ab als ich jemanden ganz hinten am Bartresen entdecke. 

Mit einem Grinsen im Gesicht laufe ich auf Ann zu, doch schon als ich näher komme bemerke ich ihren trüben Blick auf das Weinglas vor ihr. Da kein Platz neben ihr frei ist, bleibe ich hinter ihr stehen und lege behutsam meine Hand auf ihre Schulter. Verwirrt dreht sie sich um und scheint jemand anderen zu erwarten, denn sie funkelt mich kurz mit einem Todesblick an. Doch dieser wandelt sich schnell in einen sanfteren und sie tätschelt kurz meine Hand.  

"Sayuuri"

"Alles in Ordnung?"

Sie schnauft kurz und sieht auf den Platz neben sich. Ihre Gesichtszüge werden wieder härter und sie räuspert sich auffällig laut um die Aufmerksamkeit ihres Nebenmannes auf sich zu ziehen. Ann legt nur ihrer Kopf schief und macht eine Handbewegung, schon steht der Kerl auf und überlässt seinen Stuhl mir, wenn auch mit einem leicht säuerlichen Blick. Ich nehme neben Ann Platz und betrachte, wie sie wieder in ihr Glas sieht.        

"Was ist los?", frage ich nach einer Weile und stelle mein Weinglas von Arisu neben das Ihre. 

"Wieso sollte denn etwas sein?"

"Du siehst in dein Glas als würdest du nachdenken, obwohl du seit mindestens einer Stunde nicht einen Schluck getrunken hast. Das Polster deines Hockers ist für dein Gewicht zu sehr eingedellt, was bedeutet du sitzt schon länger hier. An deinem Glas ist kein Lippenabdruck, aber unten haben sich schon kleine Kristalle gebildet, es steht also schon eine Weile", erkläre ich ihr ehrlich meine ersten Eindrücke damit sie ehrlich ist und gar nicht erst vom Thema ablenken kann.

"Manchmal wundere ich mich immer noch, was dir alles auffällt wobei ich mich mittlerweile daran hätte gewöhnen müssen", grinst sie schwach und sieht zu mir, "Meine Nachforschungen haben bis jetzt nichts ergeben. Am Anfang war es in Ordnung für mich, schließlich braucht sowas seine Zeit und verschiedene Testpersonen. Aber ich finde diesen Chip einfach nicht, gleichgültig wie viele Leichen ich aufschneide und manchmal macht mich das schon fast wahnsinnig in diesem stickigen Keller"

"Ich habe mir nie wirklich Gedanken gemacht wie das alles hier funktioniert, auch wenn das mit dem Chip irgendwie Sinn ergibt. Ich meine ich habe Tribute von Panem gesehen und da hat auch jeder so einen Aufspürer implantiert bekommen. Damit konnten die Spielmacher immer wissen, wo sich jeder einzelne Tribut befindet", scherze ich und tatsächlich entdecke ich ein kleines Schmunzeln auf ihren Lippen, "Nein mal im Ernst, wenn jemand diesen Chip finden sollte, dann bist du das und niemand sonst. Trotzdem solltest du dir ab und an eine Pause gestatten um einen freien Kopf zu bekommen"

"Ja du hast recht, aber heute wird das nichts mehr. Ich spiele heute Abend mit Kuina um das Potenzial von dem Neuen zu testen", seufzt sie und schiebt mir ihr Glas zu.

"Das wird bestimmt interessant", bemerke ich nur und bin froh heute Abend nicht spielen zu müssen. Aber auf der anderen Seite werde ich wohlmöglich kein Auge zumachen können, bevor ich nicht die Gewissheit habe, dass alle heil ins Beach zurückgekehrt sind. 

"Das hoffe ich doch", sagt sie ernst und steht auf, während sie sich ihre Sonnenbrille aufsetzt. Ich nicke nur wissend, dass sie sich langsam fertig machen möchte und begleite sie noch die Treppen hinauf, bis zu der Abbiegung in Richtung meines Zimmers. Stumm verabschiede ich mich von ihr und wünsche ihr viel Glück, auch wenn sie es nicht nötig haben wird. Danach ziehe ich mich in mein Zimmer zurück und mache es mir zusammen mit meinem immer noch vollen Glas Wein und dem alten Klassiker 'Das Bildnis des Dorian Gray' auf meinem Sessel bequem. Sie werden heute schon alle wieder gesund nach Hause kommen, dass weiß ich einfach...  


Zweihundertfünfundsiebzig Seiten später klappe ich das Buch wieder zu und sehe aus dem Fenster. Es ist schon ziemlich spät und die Poolanlage hat sich wieder gefüllt, nach den Spielen scheint es den meisten schon fast ein Ritual geworden zu sein, das Geschehen mit Alkohol zu verarbeiten. Oder einfach nur die schrecklichen Bilder in ihrem Kopf zu ertränken. Ich sollte nachsehen, ob es Kuina oder Ann gut geht. Nach kurzen frischmachen im Badezimmer laufe ich die Treppen zur Eingangshalle hinunter und steuere die Außenanlage an. Heute scheinen die Leute besonders in Feierlaune zu sein, denn sie stehen press aneinander und scheinen nichts weiter als die Partymusik und die tanzenden Lichter am Himmel wahrzunehmen. 

In der Menge mache ich schnell Kuina aus, welche sich gerade auf eine der weißen Sonnenliegen setzt und das zu niemand anderem als Arisu und Usagi. Die beiden haben also schon wieder überlebt, und nach meiner schnellen Beurteilung nach auch körperlich unbeschadet. Da ich weder Yuudai noch Izumi oder Satoru ausmachen kann, begebe ich mich zu den Dreien und nehme neben Kuina Platz, welche immer noch mit der Aufmerksamkeit auf den beiden, einen Arm um meine Schulter legt. Die anderen beiden scheinen ein wenig verlegen und während Arisu peinlich berührt allen Blicken ausweicht, sieht Usagi zwischen ihm und meiner guten Freundin hin und her.

"Ihr kommt doch gut klar, datet euch doch. Man weiß nie wann einem die letzte Stunde schlägt", redet Kuina unbekümmert weiter und dreht mit ihrer noch freien Hand den Plastikstrohhalm in ihrem Mund. Darum geht es also, mir kam die Reaktion der beiden Neulinge schon bekannt vor. 

"Was redest du da?", fragt Arisu mit leiser Stimme und sieht zum ersten Mal wieder vom Boden auf. Die Spitzen seiner Haare sind nass und dass er nach seinem Spiel geduscht hat schließe ich aus, da ihm Schweiß von der Stirn läuft. War er in einem Spiel mit Wasser? Ich hoffe nicht, mit dieser Art von Spielen habe ich keine guten Erfahrungen gemacht. 

"Manche Sachen gehen nur lebendig, nicht wahr Sayuuri?", lacht Kuina und gibt mir damit einen Seitenhieb wegen Chishiya, welchen natürlich nur ich erkennen kann. Während sie die beiden über ihre arme Mutter und ihren Zigarettenentzug informiert, schweifen meine Gedanken einen Moment zu Chishiya. Ich fühle mich ein wenig schlecht, dass ich nicht einmal weiß ob er heute gespielt hat oder nicht. Aber es ist heute so viel geschehen, wann hätten wir uns denn unter vier Augen unterhalten können? Ich schaue instinktiv nach oben zu der Dachkante, doch ich kann niemanden erkennen. Wir waren schon länger nicht da oben zusammen. Ich habe mich nie  vorher als eifersüchtigen Menschen gesehen, aber der Gedanke er war da oben mit Tayuya vermiest mir diesen schönen Ort. 

Durch die Partykulisse nehme ich deutlich das grobe aufstoßen einer Tür war und mein Blick schweift zu Niragi, welcher in Begleitung des halben Militärtrupps die Poolanlage betritt. Seiner Art das Gewehr zu halten und seinem belustigten, schon fast höhnischen Gesichtsausdruck nach könnte das Ärger geben. 

"Ich werde überleben und in unsere alte Welt zurückkehren", höre ich Kuina's entschlossene Stimme, die anscheinend noch nicht die anrückende Meute entdeckt hat.  

"Hey, macht diese dämliche Musik aus!", befiehlt Niragi mit seiner unverkennbaren Stimme und alles verstummt augenblicklich. Nicht nur die Musik, alle Augen gehen zu der Gruppe und keiner rührt sich auch mehr. Zu meinem Pech laufen sie direkt auf uns zu, an der Spitze ihr Anführer  Aguni. Sein Gesicht ziert seit seinem vorletzten Spiel eine Fleischwunde, die definitiv ein Narbengewebe hinterlassen wird. Sein Blick ist eisern nach vorne gerichtet und er streckt sein Kinn leicht nach oben, während seine restliche Körpersprache eher Langeweile ausdrückt.

"Das ist der Militärtrupp im Beach", beginnt Kuina leise Arisu und Usagi zu erklären, während ich die Männer keine Sekunde aus den Augen lasse, "Wenn ihr hier euren Frieden haben wollt, haltet euch lieber von denen fern. Der Anführer Aguni ist ein Ex SDF-Offizier, er hat das Sagen über alle Waffen hier im Beach. Die Momentane Führungsrege besteht aus der Nummer 1 dem Hutmacher und seinen Lakaien, und dem Militärtrupp angeführt von Aguni . Es gelingt uns gerade so Frieden und Ordnung aufrecht zu erhalten, aber ein Konflikt zwischen den beiden könnte jeder Zeit auftreten"

Wie treffend, vor diesem Konflikt habe ich mich schon länger gefürchtet. Die Männer genießen regelrecht die Angst, die sie gerade bei den Beachmitgliedern auslösen und das nährt ihr Selbstbewusstsein. Ich bin nur froh, dass ich Yuudai bei ihnen nicht sehe. Aguni bleibt direkt vor uns stehen und er durchlöchert Arisu schon fast mit seinem Blick. 

"Was ist mit euren Freunden?", fragt er stumpf und Arisu weicht seinem direkten Augenkontakt aus. Nach einer Pause nickt Aguni nur leicht und teilt seine bestätigte Vermutung laut mit uns anderen: "Verstehe, sie sind tot. Zu schade, so haben nur die Knirpse überlebt"

"Kennt ihr euch?", flüstert Kuina zu den beiden, doch niemand antwortet in dieser angespannten Situation. Mit den Freunden könnte er Karube und Chota gemeint haben, er hat sie also auch in einem Spiel kennengelernt bevor sie gestorben sind.

"Du", spricht Aguni nun seine rechte Hand an und wendet sich schon zum Wegen um, "Bring die Kleine rüber"

Usagi's zuvor herausfordernder Blick versteinert sich und auch ich schnaufe nur ungläubig aus. Ich habe schon einiges mitbekommen, aber dass er das hier vor allen Menschen tun will. Ich kann es nicht fassen, hier sind vielleicht zweihundert Frauen im Hotel. Würde er versuchen nett oder sogar charmant zu sein, würde bestimmt wenigstens eine von ihnen sich freiwillig erbarmen mit ihm kommen. Aber nein, er stürzt sich gleich auf das neueste Beachmitglied, und das ohne Skrupel.  

"Klar", antwortet Niragi schon fast begeistert und läuft auf Usagi zu, welche sitzen bleibt. Doch Arisu steht auf und versucht sich mit seiner schmächtigen Figur vor ihr aufzubauen. 

"Hey!"

"Hör auf, lass dich da nicht reinziehen", mahnt ihn Kuina, aber selbst mir fällt es schwer nichts zu tun und ich teile mit dieser Frau neben uns rein gar nichts. 

"Unser Boss hätte gerne eine kleine Kostprobe von dir", sagt Niragi und leckt sich unmerklich über die Unterlippe, während er Usagi ansieht. Das reicht, dass kann doch nicht sein Ernst sein? Ich stehe auf und mache einen Schritt auf ihn und Arisu zu, doch im selben Moment schnellen Niragi's Augen zu mir und fixieren mich. Von seiner belustigten Körperhaltung ist nichts mehr zu sehen, denn er spannt sich an und kommt einen Schritt auf mich zugelaufen, bevor ich überhaupt reagieren kann. "Kein einziges Wort von dir Sayuuri! Verstanden!"

Wie er mich gerade angefahren hat, kann ich es mir beim besten Willen nicht erlauben. Ich habe keine Ahnung ob er meinen Protest als undankbar vernimmt für das heute Mittag, aber ihn vor seinen Männern anzugreifen kommt selbst mir gefährlich vor. Naja weniger gefährlich... eher Lebensmüde. Auch wenn es mir schwer fällt, mache ich einen Schritt zurück und sofort spüre ich Kuinas Hand an meinem Arm, die mich noch weiter nach hinten zieht. Niragi beobachtet mich noch einen Moment, bevor er sich wieder ganz Usagi widmet und sie am Arm packt. 

"Na komm"

"Lass sie!", verteidigt Arisu sie tapfer weiter und schlägt seine Hand von ihrem Arm. Mit einer erschreckenden Geduld schüttelt der Gewehrträger seine Hand ab und kommt ihm so nahe, dass sich ihre Nasenspitzen fast berühren. 

"Und was machen wir mit dem Kleinen hier?", fragt er etwas lauter an Aguni gerichtet und starrt dem dürren jungen Mann weiter in die Augen, bis er zu seinem Boss sieht. 

"Brich ihm die Beine, dann stirbt er gleich im nächsten Spiel", antwortet dieser und ich schüttele nur meinen Kopf. Haben sich etwa ihre Zyklen synchronisiert oder warum legen die beiden es heute verstärkt darauf an jemanden zu töten?

"Okay, ihr da. Bringt die Kleine rüber", befiehlt Niragi zwei Männern hinter sich bevor er unsanft nach Arisu greift, "Und du kommst mit mir"

Als Arisu jedoch sieht, wie die beiden Usagi dazu drängen aufzustehen und mitzukommen, reißt er sich los und will zu ihr, doch andere Gorillas versperren ihm nun den Weg. 

"Oooh", macht sich Niragi über die beiden lustig in dem Wissen, dass Arisu keine Chance gegen ihn hat. Ich kann schon gar nicht mehr hinsehen, was Aguni da gesagt hat ist einfach barbarisch. Und Niragi befolgt jeden seiner Befehle auch noch. 

"Gibt es ein Problem?", hallt eine Stimme von weiter weg und alle wenden ihren Blick zu Danma, die Bewohner teilen sich automatisch um ihn passieren zu lassen. Erleichtert entspanne ich mich ein bisschen, auch wenn ich versuche es mir nicht anmerken zu lassen. Er ist wohlmöglich der einzige, der das hier beenden kann ohne ein Blutbad.  

"Verschwinde Hutmacher, das geht dich nichts an", sagt Aguni mit einer gewissen Kälte ihm gegenüber, die mir ziemlich neu vorkommt. Nennt er ihn nicht bei dem Namen, weil beide zu viele Zuschauer haben oder ist etwas vorgefallen?

"Das kann ich leider nicht machen, ich bin hier die Nummer 1 also.. trage ich auch die Verantwortung. Könntest du mir den Gefallen tun und die Neuankömmlinge einfach mir überlassen, Aguni?", formuliert der Hutmacher mit gemäßigter Lautstärke, womit er nicht mehr als pure Überlegenheit ausstrahlt. Sein Blick gleitet an dem Militärtrupp-Führer vorbei zu dessen loyalsten Soldaten. "Niragi?"

Der Angesprochene schnauft leicht verärgert und sieht seitlich nach oben in die Luft. Trotz dessen, dass er seinen Kiefer anspannt dreht er sein Scharfschützengewehr spielerisch auf seiner Schulter.  

"Ich nehme nur Befehle von meinem Boss an"

"Dann frage ich mal deinen Boss", antwortet der Hutmacher einfach und tritt nahe an Aguni heran, während dieser nur stur gerade aus sieht, "Und von wem nimmst du Befehle entgegen Aguni?"

"Na von dir, oder ?", meint Aguni abschätzig und sieht ihn direkt an. Ich kann die elektrische Ladung zwischen ihnen schon fast mit bloßem Auge sehen. Es ist als würde die ganze Außenanlage die Luft anhalten. 

"Jetzt geh und wasch dich mal. Alle samt in den Konferenzraum!", ruft er laut und der Militärtrupp setzt sich nach kurzem Zögern in Bewegung, "Sayuuri meine Liebe, begleite uns doch. Arisu, du bitte auch. Ann hat mir von deinem Potenzial berichtet. Kommt mit"

Während Arisu zu Usagi geht und ihr verspricht, dass er wiederkommen wird sehe ich nur zu Kuina und nicke kurz, dass alles in Ordnung ist. Während sie min Handgelenk loslässt und mich freigibt, bekomme ich nur noch mit wie sie aufsteht. Ich laufe dem Hutmacher hinterher in gesundem Abstand zu den bewaffneten Männern und auf halber Strecke läuft jemand neben mir. Ich senke meinen Kopf ein wenig um nicht allzu auffällig zu grinsen und brauche nicht neben mich zu sehen, um Chishiya's wissendes Grinsen zu bemerken. Keiner von uns beiden spricht auch nur ein Wort und für einen Moment verblassen seine Worte zu Katsu am Mittag.  

Am Konferenzsaal angekommen beschleunigt er sein Tempo leicht und betritt vor mir den Saal. Als ich und Arisu das Schlusslicht bilden und den großen Raum betreten höre ich die Stimme des Hutmachers, welcher alle Personen in dem Raum hinauswirft, da die Führungsrege jetzt tagt. Ich quetsche mich noch in den Raum bevor sie hinausstürmen und sehe zu, wie alle sich an ihre Plätze am schweren hölzernen Tisch setzen wollen. Soll ich mich zu Ann oder Chishiya stellen, oder hier einfach schön unauffällig in der Ecke bleiben? Ich entscheide mich schon fast für die letzte der drei Optionen, als Ann meine stummen Gebete erhört und einen leeren Stuhl abseits neben Chishiya am Tischende stellt und mir deutet mich hinzusetzen.  

Dankend lächele ich sie an und Ann scheint zu verstehen, dass ich damit ebenso ausdrücken möchte ich bin froh, dass sie wohlbehalten ins Hotel zurückgekehrt ist. Als ich mich auf dem Stuhl gemütlich im Schneidersitz niederlasse sehe ich im Augenwinkel, wie Chishiya Arisu mit einem frechen Grinsen zuwinkt. 

Ich beobachte wie Mira sich um die neu errungenen Spielkarten kümmert und zählend kommt sie als letzte zudem Tisch.

"Pik 2, Pik 6, Karo 4, Kreuz 2. Die Vier haben wir, aber bis jetzt haben wir immer noch keine Bildkarten erhalten", berichtet sie uns. 

"Was wenn keine existieren, dann fehlt uns nur noch Herz 10", wirft die Nummer zwei konzentriert ein.

"Ja Herz 10, sie ist bisher in keinem Spiel aufgetaucht", pflichtet ihm Mira bei und setzt sich an ihrem Stammplatz neben dem Mann.

2Wenn sie nicht erscheint, können wir sie nicht gewinnen. Vielleicht braucht es eine Voraussetzung dafür. Oder das Spiel ist außerhalb von Tokio", vermutet Ann, doch die Nummer zwei schüttelt nur leicht den Kopf.

"Bisher hat kein Spiel außerhalb der Stadtgrenze stattgefunden"

"Aber soweit sind wir bisher auch nicht gekommen",  erwidert sie und ich betrachte neugierig diese Szene. Beide sitzen an den Seiten des Hutmachers, welcher am Kopfende des Tisches platzgenommen hat. Es scheint fast so, wie als würden sie auf den Schultern der Nummer 1 sitzen wie ein Engel und ein Teufel, die beide auf ihn einreden. Und eines kann ich mit Sicherheit sagen, Ann nimmt nicht die Rolle des Teufels ein. 

"Sayuuri?", wendet sich der Hutmacher überraschender Weise an mich und ich brauche einen kurzen Moment um mich zu sammeln. Dass alle Blicke auf mich gerichtet sind macht es nicht gerade einfacher. 

"Naja ich habe nie wirklich darüber nachgedacht, aber an Anns Theorie scheint schon etwas dran zu sein. Ich denke bei einem Spiel ohne Bildkarten würde etwas fehlen. Vielleicht müssen wir erst alle anderen Karten sammeln, bevor sie auftauchen. Wie ein..."

"Next Level", vervollständigt Chishiya meinen Satz und mit aller Selbstbeherrschung die ich aufbringen kann nicke ich ohne ein Grinsen in meinem Gesicht. Die Nummer 2 sieht mich nur mit einem abschätzigen Seitenblick an, während der Hutmacher nur in Gedanken nickt.  

"Die Strategie wird sich nicht ändern. Wir werden weiterhin innerhalb der Stadt bleiben. Sorgt für Guthaben auf euren Visa und haltet Ausschau nach der fehlenden Karte. Ich muss mein Visum auch bald wieder verlängern", bricht der Hutmacher die Stille. 

"Es gibt einen Weg, Visa-Tage ganz einfach zu erhalten", grinst Mira in sich hinein und faltet schon fast verschwörerisch die Hände..

"Ich höre"

"Herzspiele verlangen das du mit den Herzen und Gefühlen der anderen spielst. Wenn du mit denen Spielst die gerne sterben wollen, dann wirst du das mit Sicherheit überleben. Sogar das Herz 7 Spiel, dass Arisu gewonnen hat. Das ist doch schonmal passiert. Und dafür braucht man nicht mal besonders schlau zu sein" 

"Als jemand der ein Herzspiel gelöst hat, hast du vielleicht einen Ratschlag für uns?", sieht die Nummer 1 zu Arisu und als dieser nicht antwortet, lacht der Hutmacher nur amüsiert.

"Aber wird ein Herzspiel so auftauchen wie es uns gerade passt, und wir erfahren schließlich erst nach der Registrierung was es für ein Spiel wird", lenkt Ann die Aufmerksamkeit auf sich vermutlich mit tiefstem Dank von dem Jungen, welcher schweigend in der Ecke steht. 

"Es müsste uns möglich sein es mit der Wahrscheinlichkeitstheorie abzuleiten", beginnt die Nummer 2 und ich kann schon beinahe sehen, wie seine Augen durch seinen Gedankengang hin und her zucken. Der Hutmacher scheint jedoch davon nicht hören zu wollen und schlägt mit der flachen Hand auf den Tisch. 

"Ich muss es nicht von sowas hochtrabenden herleiten", sagt er und steht auf  um sich der Spielkartenwand am Ende des Raumes zuzuwenden, " Ich gehe selbst in das nächste Spiel, sei es ein Herz- oder ein Pik-Spiel. Ich habe bisher jedes Spiel gelöst. Ich spiele so lange, bis Herz 10 endlich auftaucht. Der Tag an dem wir dieses Land verlassen ist nahe! Vorstandsmitglieder, ich zähle darauf dass ihr hier alles regelt. Die Versammlung ist beendet!"

Niemand rührt sich für einen Moment, doch nachdem Aguni den ersten Schritt macht fangen auch die anderen an sich langsam zu erheben. Ich bleibe bei Arisu stehen, um mich stumm zu versichern, dass es ihm gut geht nach der Anspielung auf sein Herz 7 Spiel. Ich möchte gar nicht herausfinden, was geschehen ist. Mein einziges Herzspiel war eine Schwierigkeitsstufe drei, und dafür bin ich dankbar. Doch bevor ich etwas sagen kann legt sich eine raue Hand auf meine Schulter und ich sehe verwirrt hinter mich. 

Der Hutmacher hat uns beide zu einem privaten Drink in seiner Suite eingeladen, und wie kann man dazu nein sagen. Zugegeben kommt es mir gelegen, seine Abschlussworte haben mich verunsichert, ob er nicht doch langsam dem Größenwahn verfällt. In der Vergangenheit hat er sich in solchen Gesprächen immer ein wenig geöffnet und einen Gang heruntergeschalten. Also willige ich ein und zusammen mit Arisu folgen wir in Begleitung von zwei Aufpassern dem Hutmacher in sein Gemach. Er fackelt nicht lange, schenkt und allen drei einen Whiskey ein und setzt sich uns gegenüber zu zwei leicht bekleideten Frauen. Diese beginnen sich gleich mit ihm zu vergnügen und während Arisu überfordert auf die Tischplatte sieht, mache ich es mir gemütlich und trinke wartend einen Schluck.  

"Arisu du musst auch was trinken", fordert der Hutmacher den Neuling auf und löst sich von seinen nächtlichen Beschäftigungen. Zögernd nickt der Mann neben mir, trinkt jedoch keinen einzigen Tropfen. 

"Ich ziehe es vor mich ausgiebig zu amüsieren, bevor ich in ein Spiel gehe", erklärt er und ich nicke nur bestätigend, da ich das schon von ihm kenne und nichts weiteres dazu ausführen kann. Ich meine wie würde ich meine letzte Nacht vor meinem Todesspiel verbringen? Definitiv würde ich den Abend mit meinen Freunden und einem guten Drink ausklinken lassen und danach mit Chishiya auf meinem Zimmer verschwinden. Also wie kann ich eine weit entfernte, aber ähnliche Tat dem Hutmacher vorwerfen? Arisu sieht ein zweites Mal in sein Glas und der Hutmacher beginnt plötzlich zu lachen. 

"Glaubst du etwa da ist Gift drin?", fragt er amüsiert und trinkt einen großen Schluck, nachdem er Arisu das Glas weggenommen hat, "Wie es aussieht scheinst du mir nicht wirklich über den Weg zu trauen. Du bist ein vorsichtiger Mensch, das finde ich gut. Womit hast du dich früher beschäftigt?"

"Mit gar nichts"

"Ein Nerd ja? Ich hatte einen Club im Kabuki-Bezirk und weißt du wie dieser Laden hieß? Beach, klar? Davon gehört? Der war ganz schön bekannt weißt du? Beach eey, wir haben keinen Sand doch wir sind Utopia-Land", singt er leicht und erntet nur meinen belustigten Blick und den verwirrten meines Nebenmannes. >"Ich hatte Werbung gemacht aus Autos über Lautsprecher" 

"Ich habe nur gezockt", gibt Arisu ehrlich zu.

"Weißt du was? Ich wollte im Kabuki-Bezirk die Nummer eins sein. Das war das Ziel. Meine Angestellten haben zu mir aufgesehen", beginnt der Hutmacher einen Ausschnitt aus seinem Leben zu erzählen und setzt sich zu ihm, "Ich habe ihnen gesagt dass ich das hinkriegen würde... es ist aus wenn die Kunden auf den Gastgeber herabschauen. Das kann man sich nicht schön trinken. Eines dürfen wir niemals verlieren, und das ist unsere Würde als menschliches Wesen. Das habe ich allen meinen Angestellten eingetrichtert. Wie auch immer.... Das hat das genaue Gegenteil bewirkt. Doch dann... haben sich alle erhängt. Jeder einzelne, alle haben mich verlassen. Aber ich... ich wollte den Bezirk zusammen mit ihnen regieren. Aber denke ich jetzt darüber nach, ist ihr Tod ein notwendiges Übel gewesen. Damit ich daran wachsen und reifen kann" 

"Reifen?"

Der Hutmacher steht auf und streckt seine Arme demonstrativ aus, schon fast poetisch und philosophisch. Ich verarbeite immer noch das von ihm eben gesagte, da ich es zum ersten Mal auch noch ansatzweise höre.  

"In diesem neuen Beach hier legen mir alle Mitspieler ihr Leben zu Füßen, ohne mit der Wimper zu zucken. Und so werde ich endlich ein Held sein. Der einzig wahre Held, der es ihnen ermöglichen wird dieses Land zu verlassen. Denn ich bin der Hutmacher. Ein wahrer Held braucht auch eine Tragödie. Auf das zweite Beach", hält er seine Rede und streckt sein Glas uns entgegen um anzustoßen. Ich gebe als erstes nach und sehe Arisu nur wartend an, bis er das selbige tut. Während ich 'nur' einen großen Schluck nehme, trinken die beiden ihre Gläser in einem Zug aus.  

Je mehr die beiden sich an diesem Abend betrinken, desto absurder und ehrlicher werden ihre Gespräche, während ich einen Gang herunterfahre. Schließlich sehen die Aufpasser des Hutmachers nicht so aus, als würden sie uns in unsere Hotelzimmer sicher begleiten. Als die Sonne beginnt langsam aufzugehen verabschieden wir uns von dem Hutmacher, da die ungeduldigen Mädchen auf dem Bett uns immer böser ansehen. Sobald wir die Suite verlassen und uns relativ frische Luft ins Gesicht schlägt, beginnt Arisu zu taumeln und ich stemme ihn leicht lachend. Nachdem er mir seine Zimmernummer mitgeteilt hat mit einer Whiskey-Fahne, die mich in diesem Zustand selbst fast umhaut, steuere ich ihn in die Richtung und bin heil froh, als Katsu auftaucht und mir hilft den jungen Mann zu stemmen. Nachdem wir ihn ins Bett gehievt haben, bringt mich Katsu noch zu meiner Zimmertür und verabschiedet sich höfflich, bevor ich in dem Raum verschwinde und mich kraftlos auf mein Doppelbett fallen lasse. Man war das ein Tag, so viel ist schon seit langem nicht mehr geschehen. Doch jetzt brauche ich erst einmal Ruhe und einen ausgeruhten Schlaf ohne weitere Störungen. 

Continue Reading

You'll Also Like

4.8K 208 12
Du bist Melinda die beste Freundin von Joon. Du hast Schulter lange Braune Haare und strahlend Blaue Augen. Niemand weiß das du die Zahnfee bist. Im...
33.7K 5.1K 119
Informationen zu Kpop und allem drum und dran Start: 01.01.2024 Ende: ? ➪ Sollte ich Fehler machen, zum Beispiel einen Namen falsch schreiben, eine...
34.6K 1.4K 46
Fortsetzung von "Freunde für Immer" Diese Geschichte !könnte! brutaler werden als die Andere.
28.3K 1.5K 67
»So viele Trainer wollen es bis an die Spitze schaffen. Doch am Ende sind es nur die Stärksten.« Aurora war bisher ein normales Mädchen - soweit man...