Mein Sommer in Camp Odorette

By LydiaKirch

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Emily wollte ihren Sommer eigentlich nicht mit nervigen Kindern und einem Job in einem Ferienlager verbringen... More

Teil 1: Wie es anfing
Teil 2: Der Schrecken im eigenen Haus
Teil 3: Die Fahrt mit Marcia
Teil 4: Hitzige Ankunft
Teil 5: Wiedersehen wider Willen
Teil 7: Eine "fantastische" Zeremonie
Teil 8: Ein folgenschwerer Abend
Teil 9: Verrat
Teil 10: Missverständnisse

Teil 6: Neue Welten

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By LydiaKirch

Ich kann kaum erklären, was ich in dem Moment empfand, als ich mit den anderen Betreuern in U-Form um meine unbeliebte Stiefschwester saß. Wenn ich ehrlich bin, wusste ich nicht viel von ihr und wollte an diesem Zustand auch nichts ändern. Sie war eben da und lebte ihr Leben. Niemals wäre ich darauf gekommen, dass ihr Leben in einem Sommercamp für Ferienkinder stattfinden würde, was sie scheinbar auch noch leitete. Ich meine, es ist ein Feriencamp. Sie verdient ihr Geld mit glücklichen Kindern, das passte einfach so gar nicht zu ihr. 

Das letzte Mal als ich sie gesehen hatte, war meine Mutter damit beschäftigt, ein Abendessen vorzubereiten, was keinerlei Wünsche offen ließ. Sie stand seit mehreren Stunden in der Küche und es roch so fantastisch, dass ich neidisch wurde, dass sie sich so einen Aufwand für die "Tochter" machte, die weder hier wohnte, noch ihrem Fleisch und Blut entsprungen war. Lucy kam sehr selten hier her und immer wenn sie da war, verspürte ich eine unangenehme Kühle, die von ihr ausging und mich abschreckte. Auch an diesem Tag war es nicht anders. Als sie hereinkam, legte die große schlanke und zugegeben wirklich hübsche Brünette ihren langen Mantel ab und war nur in Pastelltönen gekleidet, das wirkte so edel und modern, dass ich schon nur deshalb eingeschüchtert war. Ich hingegen trug eintönig schwarz und fühlte mich ihr gegenüber wie ein kleines Mädchen. Lucy war höflich zu meiner Mum, aber meiner Meinung nach keinesfalls freundlich genug, wenn man bedachte, wie viel Mühe sie sich gab. Ich spürte, dass sie angespannt war, meine Mutter wollte unbedingt, dass es ein gemütlicher Abend werden würde, ein Familienabend. Normalerweise hätte ich mich sofort ausgeklinkt und wäre gar nicht erschienen, aber ihr zu liebe konnte ich das nicht tun. Dabei ging es eigentlich wieder nur um ihn. Er hatte einen Narren an Lucy gefressen, erzählte immer wieder, wie großartig sie sei, dass sie so erfolgreich studiere, dass sie so schön wäre, dass man sich nie um sie sorgen müsse, weil alles, was sie in die Hand nehme, einfach funktioniere. Mein Stiefvater sprach wirklich nicht oft von Menschen, die er bewunderte und genau darum war es meiner Mutter so wichtig, dass Lucy sie mochte. Einmal im Leben wollte meiner Mutter die Anerkennung die sie verflixt nochmal auch verdiente. Und sie hoffte ein gutes Verhältnis zu Lucy könne das hervorrufen. 

Ich weiß nicht ob Lucy wusste, wie wichtig meiner Mutter die Sache war, aber sie verhielt sich schrecklich. Sie erzählte nur von sich und ich bemerkte, dass sie und ihr Vater meine Mutter immer wieder durch kleine Sprüche in die Schranken wiesen. Als sie dann aber sagte, dass der Braten für eine Hausfrau sicher ganz okay sei, ihr aber nicht exotisch genug erschien, platzte mir der Kragen. Ich meine, ich war ein Teenager und ihr Benehmen war unter aller Sau, was hättet ihr gemacht? Als mein Stiefekel auch noch ein bisschen belustigt in die Runde blickte und ihr zustimmte, konnte ich mich einfach nicht zurückhalten. Ich stand auf, sah ihr in die Augen und bezeichnete sie als eine unordentliche, in ihrem Äußeren nachlässige und ungepflegte weibliche Person, zumindest sagt Duden, dass man es auch so umschreiben kann. Meine Mutter war entsetzt und Lucy schrie irgendetwas zurück, während mein Stiefvater so etwas sagte, wie, dass das genau das sei, was er immer meinte und ich eben ein Problemfall sei. Ich bekam Hausarrest und durfte eine Woche nicht mit dem Rest der Familie zu Abend essen, als wenn das eine Bestrafung wäre. Lucy kam jedenfalls kein weiteres Mal zu Besuch und komischerweise hatte auch mein Stiefvater nach einiger Zeit kein Wort mehr über sie verloren. Konnte es sein, dass dieser Job der Grund dafür sein könnte? Ich kann mir jedenfalls vorstellen, dass er nicht begeistert war, dass sie ein Camp für Kinder in einem Wald eröffnet hatte, anstatt ihr Jurastudium weiterhin so erfolgreich zu meistern.  

Jetzt, als ich hier saß, erinnerte ich mich an die nette Frau, mit der ich am Telefon gesprochen hatte, das war ganz sicher nicht Lucy gewesen. Warum hatte mich niemand gewarnt, nirgends ihr Name gestanden, kein Schreiben, keine Notiz, nichts. Oder doch? Ich musste wohl zugeben, dass ich nicht wirklich akribisch oder auch nur annähernd gründlich die Unterlagen gecheckt hatte, es war also auch zum Teil meine eigene Schuld. Es gefiel mir dennoch besser, jemand anderem die Schuld dafür zu geben und immerhin, hätte er mein Handy nicht gehackt und manipuliert, wäre ich nicht hier. Es gruselte mich noch immer, dass er Einfluss auf meine Chats hatte, wer weiß, wem er noch alles schreiben würde. Wir leben schließlich nicht mehr Neunzehnhundertirgendwas, wenn man jemandes Handy in die Finger bekam, hatte man seine Seele. Da stand einfach alles drin, tiefe Gedanken und Gefühle, Termine, Musikgeschmack, Rechnungen, Passwörter, Schulzeug, sogar ein Protokoll meiner fucking Periode und er wusste alles. Gänsehaut überkam mich. Konnte das sein? Oder hatte er doch nur Einfluss auf meine Chats? Es war egal, das musste aufhören, wenn ich nur wüsste wie.

Lucy redete mittlerweile schon über eine Stunde von Regeln, Verhaltensweisen, Erster Hilfe und Aufnahmebögen, die wir auszufüllen hatten. Ich konnte kaum zuhören, obwohl ich wusste, dass es vermutlich wichtig war, die Informationen aufzunehmen. Maja schrieb neben mir eifrig alles in ein kleines bemaltes Heftchen, dass schon recht vollgeschrieben aussah. 

"Alle diejenigen, die keinen Jugendleiterkurs besucht haben, werden mit Betreuern eingeteilt, die das bereits erledigt haben, sonst gibt es rechtliche Schwierigkeiten. Es ist mir sehr wichtig, dass ihr untereinander harmoniert und euch vor den Kindern immer einig seid. Versteht mich nicht falsch, die Betreuer mit mehr Erfahrung sollten vielleicht schon die Führung übernehmen, wenn ihr aber untereinander Machtkämpfe führt, nehmen euch die Kinder als Vorgesetzte nicht ernst." Das klang verdammt logisch, aber absolut nicht nach der Lucy, die ich kennengelernt hatte.

Plötzlich wurde Lucy von einem heranfahrenden Auto abgelenkt, sie kniff die Augen zusammen, schien es jedoch schnell zu erkennen und lächelte. "Na das wird aber auch Zeit", begrüßte sie die aussteigenden Personen. Es waren ein schlanker älterer Mann, auch wenn es völlig falsch klingt, ihn als "älter" zu bezeichnen, denn er wirkte in seinem Erscheinungsbild eher jugendlich. Er war leger gekleidet, trug etwas längere Haare und wirkte unheimlich gelassen und zufrieden. Außerdem stieg ebenfalls ein Mädchen mit rot-blond gefärbten langen Haaren aus, das wirklich umwerfend schön war und enge kurze Kleidung trug, sodass Kyle neben mir beinah anfing zu sabbern, sowie vermutlich alle anderen Jungs, die ich nicht so auffällig beobachten wollte. 

Lucy wendete sich wieder uns zu. "Das sind Monty und Bella. Während sie eine langjährige Betreuerin ist, arbeitet Monty in der Verwaltung und im Programm und wird für euch da sein, wenn es irgendein Problem gibt, beziehungsweise alle größeren Programmpunkte mit euch und den Kindern begleiten. Magst du selbst noch ein paar Worte sagen?"

"Aber natürlich", sagte er und stellte sich neben Lucy, dann lächelte er. "Na ja, eigentlich hast du eben schon alles gesagt." Wir lachten. Monty wirkte auf eine wirklich sympathische Art und Weise verpeilt. Ich kann mir vorstellen, dass die Ferienkinder bisher viel Spaß mit ihm hatten. Lucy lächelte ihn an, forderte aber dennoch mit einem starken Blick, dass er noch etwas sagen sollte, also räusperte Monty sich und versuchte, seine Vorstellung etwas zu präzisieren. "Nun ja, ich bin Monty und arbeite hier." Wieder lachten einige, weil er in seinem Auftreten bereits zeigte, dass er einen recht trockenen Humor vorwies. "Ich hab selbst jahrelang als Betreuer gearbeitet und es so genossen, dass ich damit nicht aufhören wollte. Da man mit über 30 aber von den jungen Leuten nicht mehr richtig ernst genommen wird oder sagen wir, eher zu ernst genommen wird, macht es nicht mehr so viel Spaß, darum habe ich mir hier eine feste Anstellung gesucht. Versteht mich nicht falsch, ihr habt einen Haufen Verantwortung und sollt das Ganze schon ernst nehmen, dennoch wird euch keiner verbieten, Spaß dabei zu haben, darum gehts in den Ferien und mit den Kindern ja schließlich. Wenn es Probleme gibt oder ihr einen Rat braucht, egal in welcher Hinsicht, sind Lucy und ich immer für euch da und nun noch ein ultimativer Tipp, stellt euch mit der Küche gut!" Einige Betreuer lachten wissend, scheinbar die, die nicht das erste Mal hier waren. Ich verstand seinen Joke nicht, schien ein Insider zu sein. "An der Stelle merke ich immer, wer neu in der Runde ist. Nicht, dass man sich nach einiger Zeit hier nicht sowieso kennen würde, aber Kyle, mein Kumpel, warum sollte man sich mit der Küche gut stellen?"

Der gut aussehende Junge neben mir, richtete sich auf. "Na ja, wenn ein Kind Bauchschmerzen hat, braucht ihr Tee, wenn ein Kind einen Insektenstich hat, braucht ihr Eis, wenn ein Kind Sonnenbrand hat, braucht ihr Quark, wenn ein Kind sich beim falschen Essen angestellt hat, braucht ihr Nachsicht und glaubt mir, das kommt alles ständig vor. Grundsätzlich sind die Küchenfrauen ein bisschen launisch, darum seid charmant." Wieder lachten alle ein wenig. 

"Besser hätte ich es nicht erklären können", grinste Monty und gab das Wort zurück an Lucy, die eine Liste aus ihrer Handtasche holte, die ein bisschen an Indiana Jones erinnerte. "Wie ihr wisst, starten wir traditionell mit einem Grillabend der Betreuer, wo wir auch verkünden, wie ihr  eingeteilt werdet." Sie verwies repräsentativ auf ihre Liste. "Morgen reisen die Kinder an, also seid bitte alle früh um 9 hier. Ansonsten wünsche ich euch eine gute Eingewöhnungszeit und wir sehen uns beim Grillen." Alle klatschten und Lucy verzog sich in ihre Holzhütte, die wohl ihr Quartier darstellte. Monty hingegen blieb bei uns und führte uns durch das Gelände. 

Es war gar nicht so einfach, sich hier zurechtzufinden, denn überall wucherte der Wald in das Camp hinein und es war weitflächig angelegt. Zunächst gingen wir, zumindest glaube ich das, eine Runde und kamen zu mehreren kleinen Abschnitten, die jeweils eine Art Wappen trugen. Scheinbar eine Unterteilung der einzelnen Camps. Dazu gehörte jeweils eine etwas größere Hütte, in der wir Betreuer schliefen und kleinere Hütten, die mit Doppelstockbetten, einem Tisch und einem Stuhl und einem großen Schrank versehen waren. Zudem gab es einen Container, in dem sich die Sanitäranlagen befanden, die zu meiner Erleichterung sehr zivilisiert und sauber aussahen. In der Mitte jedes Camps gab es eine Feuerstelle. Insgesamt waren es 7 Lager, die sich lediglich durch Standort und Farbe unterschieden. Es gab sie in rot, grün, orange, gelb, dunkelblau, braun und rosa. Was es mit den Wappen auf sich hatte, konnte ich noch nicht erkennen, aber vermutlich würde ich das heute Abend noch herausfinden. 

Unser Gepäck durften wir schon mal in den Betreuerhäusern ablegen, damit wir es nicht umher tragen mussten. Nachdem wir auch noch den Sportplatz, den Veranstaltungssaal und die Cafeteria, sowie den See und den künstlich angelegten kleinen Sandstrand gesehen hatten, durften wir uns selbst beschäftigen. Ich ging mit Marcia in das Betreuerhaus des grünen Camps, wo wir unsere Sachen abgelegt hatten und schlief erst einmal ein, als habe ich das wochenlang nicht mehr getan.


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