Brennende Feuer - Dunkle Scha...

Od MagdalenaEfrt

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Alles beginnt mit einer außerkörperlichen Erfahrung für Dalerana. Dann steigt die junge Frau hinab in das Rei... Více

+ Vorwort +
1) An einem dunklen Ort
2) Späte Reue
3) Antworten, die keine sind
4) Das Tor zur Unterwelt
5) Der Fürst der Finsternis
6) Die Macht der Zerstörung
7) Bilder aus der Hölle
8) Namenlose Schatten
9) Moderne Medien
10) Nomen et Omen
11) Hell's Gate
12) Vorstellungen von der Hölle
13) Lux Eterna
14) Palast der Wünsche
15) Geteiltes Leid
16) Zuflucht
17) Bettgeflüster
18)Gottes Werk - Teufels Beitrag
19) Eine weitere Begegnung
20) Totengericht
21) Über Umwege
22) Das Lichtland
23) Das Gefilde der Binsen
24) Eine Warnung
25) Offenbarungen
26) Konfrontation
27) Fragen und Antworten
28) Nephilim
29) Am Ufer des Styx
30) Zischende Flammen
31) Türsteher
32) An der Weggabelung
33) Die Göttin vieler Dinge
34) Schwarze Schnecken
35) Traumreise
36) Tanz der Toten
37) Kopie und Fälschung
38) Alte Weisheit
39) Der göttliche Plan
40) Rückkehr
41) Die Jagd
42) Die weißen Räume
43) Uneins
44) Die Quelle des Bösen
45) Über die goldene Brücke
46) Unter dem Weltenbaum
48) Der Leichenstrand
49) Abschied und Anfang
50) Nahende Rettung
51) Worte sind Waffen
52) Bruderkampf
53) Der Anfang vom Ende
54) Nemesis
55) Zwei Seiten einer Münze
56) Göttergericht
57) Daleranas Aufgabe
58) Das Buch des Lebens
59) Eine Handvoll Angst
60) Die vier letzten Dinge
61) Erleuchtung
62) Die neue Welt
63) Heimkehr

47) Gegensätze

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Od MagdalenaEfrt

"Du musst uns also nicht nach unseren Namen und Geschlecht fragen, wie es deine Pflicht ist, Modgudur?", erkundigt sich Aljan.

Diese schaut milde lächelnd auf ihn herab und schüttelt den Kopf. "Das gilt nur für gewöhnliche Sterbende. Nicht jedoch für Euch. Folgt mir, ich bringe Euch zu Hel."

Sie zieht ihren Monsterhund an einem massiven Eisenhalsband bis zum Eingang einer Höhle gleich hinter dem Stamm der Eiche, wo sie ihn an eine lange Kette bindet. "Platz Garm", befiehlt Modgudur mit einer strengen Handgeste, woraufhin das Riesenvieh sich hinsetzt. Sie tätschelt ihm ein letztes Mal durch das schwarze Fell. "So ist's brav. Du bewachst in meiner Abwesenheit die Brücke."

Die Riesin führt uns noch ein Stück über die goldene Brücke, bis wir an deren Ende zu einem eisernen Zaun gelangen, der quer über den Weg verläuft. Sie steigt einfach darüber hinweg, aber Aljan und ich bleiben vor den vergitterten Streben stehen. Zu beiden Seiten mündet die Brücke auf felsig karges Land.

"Verzeiht, ich vergaß. Ihr müsst den Zaun überwinden, ehe Ihr durch Helgrind passieren könnt", entschuldigt sich die Riesin und zeigt nach rechts. "Dort hinten geht der Zaun in eine Hecke über, durch die ihr hindurchschlupfen könnt."

"Nicht nötig", erwidert Aljan und lässt sich einfach in die Höhe wachsen, bis er bequem darübersteigen kann. Für einen Moment stehe ich wie ein Kleinkind neben den zwei Giganten. Dann schließe ich die Augen und stelle mir vor, wie ich wachse.

Als ich die Augen öffne, bin ich ebenfalls auf Augenhöhe mit den beiden anderen.

"Ich sagte doch, Ihr seid keine gewöhnlichen Menschen", stellt Modgudur fest und wir folgen ihr einen steinigen Pfad entlang, bis wir vor Helgrind, dem Höllentor stehen.

"Hier ist alles für Riesen gemacht. Die germanische Schöpfungsgeschichte beginnt mit Ymir, dem Riesigen, müsst Ihr wissen, einem Urwesen aus der Ewigkeit."

"Riesen und Götter", nickt Aljan. "Auch wenn es den Anschein macht, wir hätten uns hinauf begeben, so sind wir nun unter den Wurzeln der großen Weltesche, an der Schwelle zu Nifelheim, dem Reich der Toten."

Modgudur nickt. "Unten ist oben. Als Hel vertrieben wurde, fand sie weit unterhalb ihr neues Zuhause in Utgaard, wo sie Helheim gründete. Hier herrscht sie mit ihrer Schwester Midgard, deren Atemzüge Ebbe und Flut, Saat und Ernte, Krieg und Frieden bedeuten und die Stunde von Geburt und Tod festlegen."

"Oben ist unten", bestätigt Aljan. "Die Krone bildet Asgaard, den Sitz der Götter. Der Stamm Midgard, die Erde der lebenden und sterblichen Wesen."

Und dann stehen wir vor dem Tor. Ich gestehe, dass ich im ersten Augenblick von dessen Schlichtheit enttäuscht bin. Helgrind ist ein Gatter aus Holz, genauer gesagt aus morschen Holzlatten, in die nordische Runensymbole geritzt sind. Mehr nicht. Nichts im Vergleich zu Rodins Höllentor. Dieses Holzgerippe steht mitten in der kargen Landschaft. Wie das letzte Übrigbleibsel eines alten, längst verödeten Gartens, dessen Umzäunung längst verfallen ist. Wie nutzlos und traurig ist ein Tor ohne Zaun?

Trotzdem greift Modgudur nach einem alten Riegel, der nirgendwo schließt, weil längst kein Pfosten mehr vorhanden ist, und wuchtet das Tor auf, damit wir passieren können.

"Willkommen im Nifelheim, dem Reich der Toten. Tretet über die Schwelle Fallandaforad, was fallende Gefahr bedeutet, zu Hels Heimstatt Eljudnir, Elend genannt."

Klingt wenig einladend. Ich schaue zu Aljan, aber er zuckt nur die Schultern. "Eljudnir ist ein widersprüchlicher Ort, so wie Hel selbst. Elend ihr Zuhause, ihr Tisch Hunger, ihr Messer Sultr, Verschmachtung, ihre Schwelle Fallandaforad, die fallende Gefahr, ihr Bett Kor, Sarg und ihr Bettvorhang, blinkendes Unheil. Hel ist kein Freudenpalast, sondern ein Ort des Exils."

"Ein Ort für diejenigen, die den Strohtod des Alters und der Krankheit gestorben sind", erklärt Modgudur. "Ich darf Euch nur zu Hel lassen, weil sie weiß, dass Ihr kommt und Euch erwartet. Aber es ist auch ein lebendiger und warmer Ort. Ihr werdet sehr willkommen sein."

Wie um ihre Worte zu beweisen, tritt eine Frau in den einfachen Kleidern einer Hausmagd aus einer Türschwelle hervor und hält uns ein mit Früchten und Broten gefülltes Tablett entgegen. Ich zögere und beobachte Ajans Reaktion. Der greift zu und dreht eine reife Pflaume zwischen den Fingern, aber er beißt nicht hinein, sondern reibt nur über die Schale. Ich folge seinem Beispiel, nehme mir einen Apfel und halte ihn in den Händen.

"Vielen Dank", erwidere ich schüchtern und die Magd, ein unscheinbares Mädchen mit bleicher Haut, deren Alter ich unschwer einschätzen kann, zieht sich wieder zurück.

Viel kann ich von Hels Palast nicht erkennen. Die Mauern ragen grau in die Höhe, hin und wieder lugen zackige Erker und Türme hervor, aber es wirkt nicht wie ein Schloss. Da ist nichts Märchenhaftes, nur etwas nicht greifbar Bedrohliches geht von dem Gemäuer aus.

Wir gehen nicht auf den Dienstboteneingang zu, in dem das Dienstmädchen verschwunden ist, sondern nähern uns einem großen Tor. Auf den Flügeltüren sind ähnliche Symbole verewigt, wie zuvor auf dem Gatter. Modgudur hebt einen Türklopfer in Gestalt einer Eule und lässt in drei Mal niedersaußen.

Jemand öffnet die Tür und lässt uns eintreten, bleibt aber selbst im Schatten stehen. Beim Eintreten meine ich, die Magd mit den Früchten zu erkennen, aber als ein Lichtstrahl auf das Gesicht fällt, merke ich, dass es sich um einen Mann handelt. Er trägt ähnlich schlichte Gewänder wie das Mädchen, hat denselben fahlen Hautton und ein alterloses Gesicht. Er steht still wie eine Statue, während wir an ihm vorübergehen. Mit einem Krachen fällt die Tür hinter uns ins Schloss. Außer dem Nachhall ist es still.

Modgudur übernimmt die Führung und geleitet uns einen Gang entlang. Immer tiefer folgen wir ihr hinein in Hels Heimstatt. An den Wänden brennen Fackeln und tauchen die kahlen Wände in einen tanzenden Flammenschein.

Dann öffnet sich der schmale Gang zu einer großen Halle. Vielleicht wirkt die Halle aber auch nur so groß, weil sie bis auf einen hölzernen Thron ganz am anderen Ende vollkommen leer ist. Keine Tische und Stühle, keine Fenster, nicht einmal Fackeln beleuchten die Wände.

Der Thron ist zu groß für die Frau, die darin sitzt. Der obere Teil der Stuhllehne ist zu einem imposanten Hirschgeweih geschnitzt, das weit über ihr Haupt hinausragt.

"Herrin", sagt Modgudur, "ich bringe Euch Eure Gäste."

"Hab Dank", erwidert die Göttin. Helle, lange Haare bilden einen starken Kontrast zu ihrem schwarzen Gewand, dessen Kapuze tief über ihre Stirn gezogen ist. Hels Stimme ist leise, aber bestimmt, Mit einem Wink weist sie ihre Wächterin an, einen Platz an ihrer Seite einzunehmen.

"Ganglot, Ganglati!" ruft sie dann ein wenig lauter, woraufhin sich eine Seitentür öffnet. Die Magd von vorher tritt ein, beladen mit ihrem hölzernen Tablett, gefolgt von dem Mann vom Tor. Er hält einen Krug in der Hand. Wie in Zeitlupe schreiten sie auf uns zu, als würden sie Lasten schleppen. Jeder ihrer Schritte scheint eine Qual zu sein und geht quälend langsam von statten.

Aljan und Modgudur beobachten ihr Näherkommen schweigend. Aljan scheint völlig entspannt zu sein, was dazu führt, dass auch meine Anspannung abfällt.

Nach einer gefühlten Ewigkeit haben sie den Thron erreicht und Modgudur schiebt ihnen einen niedrigen Schemel entgegen, auf den sie den Holzteller und den Krug abstellen.

"Ich danke Euch, Ganglot und Ganglati."

Hel nickt uns zu und richtet sich auf. "Seid meine Gäste. Ich habe lange auf Euch gewartet." Dabei rutscht das dunkle Tuch von ihren Haaren. Zum ersten Mal erhalte ich einen vollen Blick auf ihr Gesicht. Ich presse meine Hände auf den Mund und kann meinen Schreckensschrei gerade noch so unterdrücken. Ein gegensätzlicheres und furchtbareres Gesicht habe ich noch nie gesehen. Die Hälfte davon ist jung und wunderschön, feine Gesichtszüge, ein eisblaues Auge umrahmt von zarter, blasser Haut. Aber die andere Seite ist überzogen von bläulich schwarzer, schuppiger Haut, von Pocken und Furchen des Alters und Todes zerschunden. Aus der Augenhöhle starrt uns eine schwarze Leere entgegen. Hel wendet mir die hässliche Seite zu, damit ich das Elend ausgiebig betrachten kann.

"Ich bin Hel, die Herrscherin der Unterhwelt, Tochter von Loki und der Riesin Angrboda. Verbannt nach Asgard, weil die Götter Lokis Kinder fürchten und hier herrsche ich nun. Ich bin halb alt und halb jung, halb hell und halb dunkel, ich bin das Leben und der Tod. Bin tot und lebendig zugleich. Hexe hat man mich genannt und als Frau Holle bezeichnet. Hel ist mein Name und Hel ist mein Reich. Hel heißt verborgen, von Hel leitet sich die Hölle ab. Ich bin die Göttin der Gegensätze und ich muss mit Euch sprechen."

Die Worte peitschen über mich hinweg und erst als sie fertig ist, und mir ihre junge und bildschöne Gesichtshälfte zuwendet, kann ich wieder atmen.

Zum Sprechen bin ich noch immer nicht in der Lage, aber das scheint auch nicht von mir erwartet zu werden. Ihr Blick gleitet über mich hinweg und richtet sich auf Aljan.

"Wir danken Euch für den Empfang, Hel, Göttin des Todes und der Gegensätze. Ich denke, Du weißt, weshalb wir hier sind."

Sie nickt. "Alle Wege führen zu mir."

"Über kurz oder lang", pflichtet ihr Aljan bei. "Für die, die den Strohtod sterben. Wir aber sind nicht tot, wir sind die Erschaffer und Bewahrer Eurer jenseitigen Reiche. Aber die Hölle geht unter. Sicher habt auch ihr hier von der Zerstörung mitbekommen?"

Sie nickt erneut. "Es ist nicht das erste Mal. Wüst war die Welt und voller Hurerei. Beilzeit, Schwertzeit, Windzeit, Wolfszeit nannte man es, bis die Welt einstürzte."

Aljan reibt seine Finger über den Nasenrücken. "Das habe ich schon einmal gehört." Dann hebt er seinen Blick. "Das ist die Weissagung der Seherin aus den Götterliedern der Edda. Balders Tod und der Beginn des Weltuntergangs."

Hel nickt anerkennend. "Bruder kämpft gegen Bruder – nicht ein Mann will den anderen schonen."

"Wie können wir es aufhalten?" Ein Flehen liegt in Aljans Stimme. Ich spüre, wie sehr er sich Antworten wünscht, die uns endlich weiterbringen. Werden wir sie hier bekommen? Oder wieder nur weitere Rätsel?

Doch Hel beschenkt ihn nur mit einem Lachen. Es klingt wie Glockenklingen, schrill und anmutig, wie Verdammnis und Erlösung zugleich.

"Nur was vergeht, kann neu werden. Wie schon die alte Seherin sagte, eine neue Welt wird sich aus den Wellen erheben, der gutmütige Balder und sein blinder Mörder Hödur werden herrschen und ein neues goldenes Zeitalter für Menschenkinder und Göttersöhne anbrechen."

"Alles wiederholt sich", flüstere ich leise.

"Aus alt wird neu", flüstert Hel und bewegt ihren Kopf von links nach rechts. "Das Weltenrad dreht sich." Und obwohl sie ebenso leise gesprochen hat wie ich, kann ich jedes ihrer Worte verstehen.

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