Ann führt mich durch unzählige Gänge zu dem besagten Raum, wo sie all die Kleidung verstaut haben. Ich stöbere ein wenig herum, während sich Ann die zwei Messer aus meiner Sporttasche nimmt.
"Die hab ich vergessen, tut mir Leid", sage ich ehrlich und sie schaut mich streng an. Misstrauisch beobachtet sie mich, während ich mir meine Klamotten zusammen suche. Für die Spiele suche ich mir sowohl eine kurze Jogginghose von Nike heraus. Als Oberteil nehme ich ein einfaches, weißes Shirt. Für den Beach nehme ich mir folgendes heraus : eine hellbraune, lockere Hose aus Leinen kombiniert mit einem engen, schwarzen Body. Ein weißer Bikini und ein griechisch angehauchtes Strandkleid. Ich lege mir alles über den Arm und dann laufe ich vor Ann her, die mir noch mein Zimmer zeigen möchte. Sobald wir an der Tür stehen verlässt sie mich wieder ohne ein Wort und ich gehe einfach rein.
Das Zimmer ist nicht riesig, aber schon ein wenig größer. Es hat ein eigenes Badezimmer mit Dusche und einer großen Ablage am Waschbecken. Es stehen einige Hygieneartikel sowie Handtücher parat. In dem Hauptzimmer stehen ein Doppelbett, ein Schrank, zwei gemütlich aussehende Sessel und ein Tisch. Es gibt sogar einen kleinen Balkon, von dem ich auf den Poolbereich sehen kann. Ich räume meine Sachen in den Schrank und entscheide mich, den schwarzen Body und die lockere Hose anzuziehen. Meine Tasche verstaue ich unter dem Bett und da mein Blick immer wieder herunter zum Poolbereich schwenkt, entscheide ich mich dort mal umzusehen. Ich schließe meine Zimmertür hinter mir und schlendere nach unten.
Mittlerweile wirken nicht nur einige, sondern die meisten betrunken. Ich betrete den Poolbereich und schaue mich kurz nochmal um, bis ich beschließe die hintere Bar anzusteuern. Dort ist nicht so viel los und es sieht irgendwie aus wie eine Bar auf Hawaii. Während ich über die Anlage laufe, bekomme ich das Gefühl beobachtet zu werden, aber ich versuche es erst einmal zu ignorieren. Ich sehe mich am Tresen um und als ich keinen Barkeeper entdecken kann und sich jeder selbst bedient, springe ich einfach über den Tresen. Ich verschaffe mir einen Überblick, was es hier alles an Alkohol und Mischgetränken gibt und mixe mir einfach das, was sich gut anhört, in einen Mixbecher. Durch immer wieder kurzes Aufblicken versuche ich mir einen Überblick zu verschaffen.
Ich sehe einige von dem angeblichen Militärtrupp schräg auf der anderen Seite des Pools. Ich erkenne sie dadurch, dass sie im Gegensatz zu den anderen Waffen tragen und das der Typ mit den Piercings aus dem Konferenzsaal bei ihnen steht. Er redet zwar mit ihnen, schaut aber immer wieder zu mir herüber. Als er meinen Blick bemerkt, fängt er an zu Grinsen und leckt sich kurz über die Lippen. Zugegeben er sieht ziemlich gut aus, aber er sieht aus als würde er jedem Mädchen hier hinterher schauen. Ich sehe mich weiter um und entdecke einige unbekannte Gesichter, doch die scheinen nur zu starren, weil ich neu bin. Zum Beispiel ein Junge, welcher als Laufbursche zu dienen scheint und vom Militärtrupp etwas in das Gebäude trägt. Und dann wäre da noch der Junge mit den weißblonden Haaren und der weißen Weste, Chishiya. Ich kann nicht ganz sagen, ob er neugierig, hochnäsig oder desinteressiert zu mir schaut, aber das ich seinen Blick bemerke scheint ihn nicht zu verunsichern. Er steht neben einem großen Mädchen mit Dreadlocks. Sie trägt einen blauen Bikini und kaut auf einer Art Plastikstrohhalm herum.
Ich schüttle den Becher, um alles zu vermischen, als ich bemerke, dass sich aus der Gruppe an der Bar ein leicht betrunkenes Mädchen löst. Sie lehnt sich über den Tresen und spricht zu mir ein wenig lauter, sodass ich sie über die Musik hinweg verstehen kann.
"Was hast du dir ja gemacht?"
"Tequila Sunrise mit einem kleinen extra", antworte ich freundlich. Irgendwie versuche ich auch die anderen auszublenden und diese Ablenkung kommt mir gerade recht.
"Ich liebe Tequila, der macht lustig"
"Soll ich dir auch einen machen?", biete ich ihr an.
"Wie süß du bist, danke", lallt sie ein wenig und ich fülle noch ein wenig von allem nach, um ihr auch einen Cocktail zu mixen. Irgendwie erinnert es mich an meine Zeit vor dem Schulabschluss. Wir waren jedes Wochenende in einem Club und haben bis die Sonne aufgeht gefeiert. Irgendwann kannte uns der Besitzer so gut, dass ich auch manchmal hinter der Bar stehen durfte und für uns die Getränke machte. Jedenfalls schiebe ich dem Mädchen ihren fertigen Drink zu und sie probiert gleich.
"Das schmeckt fantastisch, danke", bedankt sie sich und ich nicke ihr dankend zu, bevor sie wieder zu ihrer Gruppe zurückläuft und weiter tanzt. Ich trinke auch ein wenig von meinem Glas ab und schaue mich um, was für gefrorene Früchte in der Gefriertruhe liegen. Plötzlich merke ich, wie ein Junge hinter die Bar kommt. Er lacht leicht und als ich mich umdrehe, stützt er sich auf den Tresen und mustert mich grinsend.
"Hey Baby, Lust auf eine Line?"
Baby, wirklich jetzt? Ich erkenne an einen Pupillen, dass er etwas genommen haben muss und versuche es ihm nicht zu übel zu nehmen.
"Kein Bedarf", sage ich abweisend und versuche einfach ihn loszuwerden. Er nervt und ehrlich gesagt stinkt er nach Alkohol und Erbrochenem. Er kommt einen Schritt näher und grinst seltsam.
"Weiß du im Beach hier muss man sich für nichts schämen. Hier lässt jeder seine Hemmungen fallen und niemanden interessiert es. Da hinten in der Ecke haben alle zusammen Spaß. Wir können ja einfach mal vorbeischauen, und wenn es dir nicht gefällt können wir auch einfach auf mein Zimmer gehen"
"Wie gesagt kein Bedarf", sage ich leicht genervt. Er will irgendetwas erwidern, doch jemand anderes lehnt sich locker über den Tresen und mischt sich ein.
"Sie hat keine Lust auf dich, also verzieh dich"
Ich drehe mich zu der Stimme um und erkenne den Mann mit den Piercings. Er hat immer noch die Waffe locker auf der Schulter und als der lästige Junge die sieht, macht er einen Abgang und geht weg. Dankbar lächele ich dem Mann mit dem Gewehr zu und als er mich ansieht, grinst er charmant.
"Der Hutmacher will dich sehen, ich soll dich zu ihm bringen"
Ich kippe meinen Drink in einem Zug runter und klettere wieder über den Tresen. Er macht eine Deutung, dass ich ihm folgen soll und ich bemerke, wie noch mehr uns anstarren. Wir laufen nach drinnen und nehmen die Treppen, bis wir im obersten Stockwerk einige Gänge entlang gehen.
"Mein Name ist übrigens Niragi"
"Sayuuri, danke für eben", sage ich freundlich und er muss leicht lachen. Er öffnet eine große Tür und wir betreten eine Suite, welche bestimmt acht mal so groß ist wie meine. Der Hutmacher befindet sich im Salon und küsst innig die Frau neben sich im Bikini. Ich schaue fragen zu Niragi, falls wir stören aber er lacht nur.
"Wir sind da", sagt er laut und der Hutmacher schubst die Frau schon fast von der Couch. Er deutet ihr zu gehen und ich setze mich auf seine Geste hin auf die gegenüberstehende Couch. Niragi stellt sich in die Nähe und lehnt sich an die Wand.
"Niragi und du müsstet euch ja jetzt kennen. Aber wenn er dich stört oder du dir eher Privatsphäre wünschst, kann ich ihn auch wegschicken"
"Nein ist schon in Ordnung"
Der Hutmacher bereitet drei Gläser mit Gin vor und jeder von uns nimmt sich eines.
"Also Sayuuri, erzähl mal. Wie bist du an die Kreuz 6 gekommen?"
"Oh es war mein erstes Spiel. Wir waren insgesamt sieben und es war in einer Bibliothek. Wir sollten ein Buch finden bevor die Zeit abläuft, in welcher sich ein kleiner Schalter befindet. Alle sechs Minuten wurde derjenige, der am weitesten davon entfernt war getötet und ab und zu gab es eine kleine Passage aus dem Buch, die an der Decke erschienen ist", erkläre ich knapp.
"Wie viele haben überlebt?"
"Drei"
"Chishiya ist der Meinung, du wärst auf die Idee des Buches gekommen. Er meinte vor dem Casino gab es einen Mann, welcher dich ein kluges Köpfchen genannt hat"
"Ja, ich habe die letzte Zeile erkannt und da war mit klar, dass es aus Dantes Inferno stammt"
"Ich sehe schon, du bist eine Bereicherung für uns. Gefällt dir dein Zimmer?"
"Ja klar, es scheint gemütlich"
"Hast du noch irgendeinen Wunsch? Eine Minibar, ein Regal, einen neuen Spiegel?"
"Oh vielleicht einen Schallplattenspieler, also wenn das irgendwie möglich sein sollte"
"Ein bescheidener Wunsch, ich werde morgen sehen, was ich tun kann"
Wir trinken noch einen Drink und während der Abend vergeht, werden die Gespräche immer lockerer und auch ein wenig privater. Danma erzählt, wie er den Beach gegründet hat und seine Idee dahinter, die Utopie die er sich vorgestellt hat. Wir reden bestimmt zwei Stunden, wobei ich es vermeide zu viel von mir preiszugeben. Am Ende lasse ich ihn alleine mit seiner Bekanntschaft von vorhin und gehe auf mein neues Zimmer.