Kapitel 17

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Am Tag des Aufbruchs von Lennox Einheit, hatte ich keine Minute schlafen können. Immer und immer wieder hatte ich mir darüber den Kopf zerbrochen, wo er hingeschickt werden würde, was sein Ziel sein könnte und vor allem, ob er es unbeschadet überstehen würde.

Ich machte mir so unglaubliche Sorgen um ihn, dass es weh tat. Dabei zweifelte ich nicht eine Sekunde an seinen Fähigkeiten, denn mein Vater hatte Recht gehabt, als er gesagt hatte, dass er großes Potenzial hatte. Er war einer der besten Jäger in seinem Jahrgang. Sein Trainingszustand war überragend, keineswegs. Und auch wenn Lennox und ich in den letzten Wochen so einige Differenzen gehabt hatten, er war mein Bruder. Ich würde mir immer Sorgen um ihn machen. Wir waren schließlich Familie.

„Cally alles gut bei dir? Du wirkst etwas blass.“, besorgt musterte mich Amelie von der Seite.

Wir waren auf dem Weg zum Sammelplatz vor dem Eingang der Akademie. Es war Montag der 10. Oktober und heute würde ich meinen Bruder das letzte Mal für einen Monat sehen.

„Alles gut, ich tue mich nur ein bisschen schwer bei dem Gedanken an die ganze Sache hier.“

Von weitern sah man, dass sich schon fast die gesamte Akademie versammelte hatte und schnell stellten Amelie und ich uns zu unserem Jahrgang. Erst jetzt fiel mir auf, wie viele Jäger tatsächlich an dieser Akademie waren.

Nervös suchte ich die Menge nach Lennox ab, doch konnte ich ihn und seine hellen Locken nicht sichten. Pünktlich um acht Schritt Ophelia Almond aus der Eingangstür und hinter ihr reihten sich die restlichen Lehrer der Akademie.

Und dann endlich kamen die neuen Rekruten der Einsatztruppe.

Alle hatten bereits ihre dunkelblauen Uniformen mit den goldenen Knöpfen und dem gesticktem A auf der linken Brust, an. Außerdem trugen sie auf den Köpfen die gleiche weiße Schirmmütze mit dunkelblauen Rand 

Als ich meinen Bruder nun dort so sah, füllten sich meine Augen mit Tränen. Ich war schon immer viel zu emotional, das hatte ich von meiner Mutter.

Die Truppe stellte sich nebeneinander vorn auf den Treppen auf und Ophelia begab sich vor sie am Fuß der Stufen. Schnell strich ich ein letztes mal meinen Rock den Schulunform glatt.

„Lieber Jäger, heute ist ein wichtiger Tag. Denn stolz kann ich verkünden, dass wir nun diese großartigen Jäger hier, in die Offensive Spezial Truppe der Almond Akademie Großbritanniens aufnehmen werden. Sie gehören jetzt zu einem wichtigen Teil der aktiven Beseitung übernatürlicher Wesen. Das ist doch einen Applaus wert, liebe Schüler, oder nicht?“

Ein tosender Jubel ging über die Menge und auch ich stimmte mit ein.

„Diese jungen Jäger hier haben sich mit meisterlichen Leistungen dazu qualifiziert, Teil etwas Großem zu sein. Sie“ nun drehte sich Ophelia zu der Truppe um „haben meinen vollsten Respekt und ich danke jedem einzelnen von Ihnen vielmals dafür, dass sie von nun an die Welt für alle von uns ein Stück sicherer machen werden.“

Und dann verneigte sie sich vor Ihnen und wir taten es ihr gleich. Es war ein Zeichen von höchster Anerkennung und jedem Jäger war dieses kleine Ritual geläufig.

„Wir verabschieden uns nun von folgenden Jägern: Simon Anders.“ Ein Junge mit dunklem Haar separierte sich aus den Soldaten, ging zu Ophelia, die ihm die Hand schüttelte. Anschließend stellte er sich nun am unteren Bereich der Treppe wieder auf. So wurden nun die Soldaten nacheinander in den Einsatz entlassen.

„Lennox Benton.“

Still klatsche ich, als der Name meines Bruders über die Menge hallte. Amelie berührte mich vorsichtig am Arm und ich lächelte ihr zu, als Zeichen , dass es mir gut ging.

Als sich mein Bruder neben seine Kameraden stellte, suchten seine Augen die Menge ab und ich hob vorsichtig die Hand. Als er mich gefunden hatte, begann er zu grinsen und ich erwiderte es. Er sah schon verdammt süß aus, mit der Mütze, die kaum seine blonden Locken bändigen konnte.

Als alle Jäger ihren Platz am Fuß der Treppe gefunden hatten, räusperte sich Ophelia ein letztes mal.

„Möge Ihre Jagt mit Erfolg erfüllt sein.“ Wir sprachen es ihr nach. Dann wandte sie sich an die Einsatztruppe.

„Sie haben fünf Minuten, nutzen sie  die Zeit um sich nun zu Verabschieden.“ Als sich nach diesen Worten, die Menge an Jägern anfing zu durchmischen, bahnte ich mir meinen Weg durch die Menschen hin zu meinem Bruder.

Einige seiner Freunde waren bereits bei ihm und Tori fiel ihm um den Hals. „

Immer schön hinten anstellen.“, neckte mich Ben.

Doch das musste ich gar nicht, denn als Lennox mich sah, wandte er sich mir zu und zog mich in seine Arme. Schluchzend vergrub ich meinen Kopf an der Beuge seines Halses.

„Cally du weinst meine neue Uniform voll.“

Schmunzelnd schaute ich ihn an und sah, dass auch seine Augen leicht glasig waren. Ja das waren eindeutig Mamas Gene.

„Ich werde dich vermissen Lenny. Und wage es ja nicht drauf zu gehen, das würde ich dir niemals verzeihen.“

„Aber dann wärst du endlich Einzelkind, das hast du dir doch schon immer gewünscht.“

Ein letztes mal drückte er mich an sich und ich nutzte die Gelegenheit ihm eine letzte Frage stellen.

„Was ist eure Aufgabe?“ ,flüsterte ich vorsichtig.

Er tat so, als hätte er nicht mitbekommen, dass ich ihm eine Frage gestellt hatte, doch dann hob er zwei Finger und ich verstand augenblicklich was er meinte.

„Viel glück.“, murmelte ich ein letztes Mal, bevor ich zurück zu Amelie und dem Rest meines Jahrganges ging.

Es war also ein  Vampirnest. Ich wusste nicht so Recht was ich nun mit dieser Information anfangen sollte, doch irgendwie beruhigte es mich, dass es sich um einen Standarteinsatz handelte. Lennox würde das hinbekommen, da war ich mir sicher.

„Cally wie geht es dir?“, Jason stand mit bei Amelie und beide hatten ihre Augenbrauen sorg voll zusammen gezogen.

„Alles gut Leute, ich kenne meinen Bruder, er wird das packen.“

Sie nickten und im selben Augenblick, fuhren die Geländewagen vor, die die Einsatztruppe abholen würden. Mein Blick klebte an Lennox und ich hoffte, dass sich unsere Sicht nochmal kreuzen würde. Und tatsächlich kurz bevor er in den grauen Wagen stieg, fanden seine Augen meine und grinsend hob er ein letztes mal die Hand und ich tat es ihm gleich. Als das Dröhnen der Automotoren das Gelände erfüllte ,musste ich schwer schlucken, denn nun war er endgültig weg.

Und ich wusste nicht, wann ich ihn das nächste mal wiedersehen würde.

„Fühlst du dich bereit für Samstag?“

Ben musterte mich und sofort verspürte ich den Reflex ihn anzulügen, da er jedoch mein Betreuer war, sollte ich vielleicht doch bei der Wahrheit bleiben.

„Noch nicht so wirklich. Es würde mir tatsächlich etwas weiter helfen, wenn du mich endlich über den ganzen Plan aufklären würdest.“ 

Amüsiert, lehnte er sich in seinem Stuhl zurück. Er wusste, dass es mich unglaublich aufregte, wenn er ständig Informationen zurück hielt.

„Zunächst einmal hab ich für diese Woche noch zwei Trainingseinheiten geplant, damit du etwas runter kommst, einmal Nahkampf und einmal Geländelauf. Du kennst unseren groben Plan, ich lass dir die Woche Zeit die Details einzuprägen.“

Dann suchte er nach einer blauen Mappe und übergab sie mir.

„Wie großzügig von dir, danke.“

Meinte ich sarkastisch, bevor ich die Unterlagen studierte. Als erstes las ich meinen Lebenslauf. Wir hatten in früheren Meetings schon darüber geredet, dass ich unter dem Deckname Alice Diller auftreten würde und Bens Begleitung zum Herbstball sein würde. Da die Darwerts jedes Jahr Gäste des Balls waren, schien es unauffällig, mich als seine Plus Eins auszugeben.

Ich studierte die näheren Daten zu meiner Person. Studentin, neu nach  Queensfield gezogen , 21 Jahre.

„Sie zeigt eine leicht impulsive Ader?“, las ich lachend bei meiner Charakter-Beschreibung.

„Ja weißt du, ich dachte wenn du dich nicht ganz so verstellen brauchst, ist es einfacher für dich“, grinste er.

„Toller Einfall Ben.“

Die nächsten Seiten schilderten detailliert mein Vorgehen, wobei mir relativ viel Handlungsfreiheit eingeräumt worden war.

„Das eigentliche Ziel dieses Abend, wird es sein, die Aufmerksamkeit von Gabriel auf dich zu ziehen. Wie du das jedoch anstellst, ist dir überlassen.“

Ich nickte, in der Mappe waren einige Vorschläge angeführt. So sollte ich mich von Ben im Laufe der Veranstaltung distanzieren und mich unter die Anwesenden mischen.

„Der Herbstball gilt als eine der wichtigsten Veranstaltung für die Elite der Stadt. Du wirst also gleichzeitig die Möglichkeit haben die klügsten Köpfe der Stadt kennenzulernen. Ein paar gute Kontakte haben noch Keinem geschadet.“

Eigentlich war ich kein Fan von Veranstaltungen, auf denen sich die Oberschicht feierte und selbst auf die Schulter klopfte, doch versuchte ich professionell an die Sache heranzugehen. Es war mein Job, also ließ ich mich darauf ein.

„Wir werden die gesamte Zeit über Mikrofone in Verbindung stehen und kommunizieren können.“ 

Ich blätterte den Rest der Mappe durch und stellte fest, dass es sich nur noch um einige Bilder von Gabriel und einen Geländeplan handelte.

„Wir treffen uns Samstag Abend um 9 und gehen dann zum Geheimausgang, dort wird uns mein Fahrer abholen. Wenn du im Laufe der Woche noch weitere Fragen hast, können wir uns auch noch einmal treffen, ansonsten würde ich es bei den beiden letzten Trainingseinheiten belassen.“ Ben begann seine Unterlagen zusammenzuräumen, da räusperte ich mich.

„Warum eigentlich bist du kein Mitglied der OF Truppe geworden?“

Er erstarrte in seiner Bewegung und versuchte die richtigen Worte zu finden.

„Calypso ich hab den größten Respekt für deinen Bruder, also nimm es bitte nicht persönlich, wenn ich dir sage, dass ich diese Einsatzgruppen für eine einziges Selbstmordkommando halte. Am Anfang des Jahres wurde uns freigestellt, ob wir und einer der Einsatztruppen anschließen oder Tutor für die Jahresaufgabe sein wollen. Glaub mir ich war einer der Ersten, der sich gemeldet hatte, als es darum ging  als Betreuer der Erstsemester zu arbeiten.“

So langsam begann ich zu verstehen.

„Das hat dich also davon befreit eine der Truppen beizutreten?“

Ben nickte und insgeheim fragte ich mich, warum Lennox das nie in Betracht gezogen hatte.

„Weißt du eigentlich hatte ich damit gerechnet, dass du ganz vorn mit dabei sein würdest, wenn es darum ging erste Einsätze mitzuführen.“

„Tut mir leid dich zu enttäuschen Benton, aber ich hab nicht vor mit 23 ins Gras zu beißen“ , beunruhigt zog ich die Augenbrauen zusammen.

„So hab ich das nicht gemeint, Lennox wird die Mission unbeschadet überstehen, da bin ich mir sicher.“

Ich nickte still und räumte meine Sachen in die Tasche. Ben seufzte und ich musterte sein Gesicht. Er verschwieg mir etwas.

„Wenn du es genau wissen möchtest nun gut. Mein großer Bruder Adam hat in genau so einer Einheit mitgewirkt. Du hast mich auf der Party nach ihm gefragt, wenn du dich noch daran erinnern kannst.“

Natürlich konnte ich mich noch daran erinnern, es war kurz nachdem wir uns geküsst hatten. Er hatte nicht gern über ihn sprechen wollen und mein Bauchgefühl sagte mir, dass diese kleine Geschichte keinen guten Ausgang nehmen würde.

„Damals war es schon im zweiten Jahr erlaubt gewesen einer Einsatzgruppe beizutreten und er hatte sich nun ja.. für die OF gemeldet.“

Ich biss nervös auf meiner Unterlippe herum, ich hatte einerseits das Gefühl, dass Ben nicht gern darüber sprach, aber andererseits es loswerden wollte.

„Du kannst dir wahrscheinlich gut vorstellen, wie stolz meine Eltern gewesen waren. Ein Darwert bei der OF Gruppe. Obwohl er wahrscheinlich keine andere Wahl gehabt hatte, bei den hohen Summen, die zwischen meinem Vater und der Schulleitung geflossen waren.“ Eine Falte bildete sich zwischen seinen Augenbrauen, als er sie zusammen zog.

„Nun ja eins führte zum anderen und schließlich fanden sie Adam und all seine Kollegen bei seinem dritten Einsatz mit aufgerissener Kehle im Wald. Ein Gestaltenwandler hatte das Camp erwischt.“

Er erzählte das mit einer solch monotonen Stimme, dass ich nur an seinem glasigem Blick erkennen konnte, wie wahnsinnig weh es ihm tat darüber zu reden.

„Nach meinen Eltern, war die Akademie daran Schuld gewesen. Zu wenig Personenschutz und so weiter. Dad verklagte sie. Wieder flossen Unmengen an Summen, der Beitritt in eine Einheit wurde auf das dritte Jahr verschoben und alle taten so, als ob die Sache nie geschehen war.“

Nun lag die pure Wut in seinen Augen und ich wagte es nicht auch nur zu atmen.

„Hauptsache sie haben immer noch die Urkunde für seine Mitgliedschaft bei der OF über dem Kamin hängen.“ Es war so ungewohnt, ihn dabei zuzusehen wie er sich negativ zu Dingen äußerte die hier in der Akademie abliefen. Wo er doch sonst so überzeigt von all dem hier war.

„Ben, ich wollte nicht… ich hätte dich nicht danach fragen sollen, es geht mich nichts an. Ich kann dir nur sagen, dass es mir unglaublich leid tut, was deinem Bruder widerfahren ist.“

Ich fühlte mich schuldig mit diesem Thema angefangen zu haben. Doch Ben wirkte schon wieder gefasst.

„Du solltest wissen, wie Vieles hier nun einmal geregelt wird. Ich hab meinen Bruder daran verloren, hoffen wir, dass es bei dir anders sein wird.“

Ich nickte, dann verabschiedeten wir uns voneinander. Ben hatte recht. Man konnte die Dinge, die hier liefen einfach akzeptieren, da man sie eh nicht ändern konnte, so wie er es getan hatte.

Man könnte jedoch auch einfach das ganze System in die Luft jagen und ich war mir noch nicht sicher welchen Weg ich wählen würde.

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⏰ Last updated: Dec 14, 2020 ⏰

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