Prolog

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Bereits seit Stunden trommelte der Regen gegen die bereits beschlagenen Scheiben des großen Fensters, begleitet ab und zu von einem grellen Blitz und dem dazugehörigen Donnerschlag.
Zu allem Überfluss sah es auch nicht danach aus, als ob dieses Unwetter sich schnell verziehen würde.
Die kleine Gestalt, die sich auf dem breiten Fensterbrett zusammengekauert hatte, seufzte traurig.
Sie war sich ziemlich sicher, dass ihr bester und einziger Freund bei diesem Wetter garantiert nicht kommen würde.
Er würde sie nicht für wichtig genug befinden um sich diesem Wetterchaos entgegenzustellen.
Ein sanftes Klopfen mischte sich unter das Prasseln des Regens und vorsichtig wurde die Tür ihres Zimmers geöffnet.
„Jessica, Liebling...Was machst du auf dem Fensterbrett?"
Die schlanke weiße Wölfin ahnte bereits, aus welchem Grund ihre Tochter an der Scheibe klebte und trat an ihre Seite, legte ihr eine Hand auf die Schulter.
Erneut donnerte es.
„Er wird heute nicht kommen, oder Mama?", schniefte die sechsjährige Wölfin, hatte ihre noch viel zu großen Ohren enttäuscht nach hinten geklappt, den Blick fest auf den Gehweg vor dem Haus gerichtet.
„Wie kommst du darauf?"
„Hast du schon einmal aus dem Fenster gesehen, Mama?", entgegnete die kleine Jessica ungläubig und Elaine lächelte leicht, strich ihrer Tochter über das weiße weiche Fell.
„Natürlich hab ich das...Aber du glaubst tatsächlich, dass er sich von so einem kleinen Unwetter aufhalten lässt?"
Unsicher sah ihre Tochter nun doch zu ihr auf, spielte mit ihren Händen am Verschluss ihrer schwarzen Jacke.
„Vielleicht...", gestand sie niedergeschlagen, senkte daraufhin sofort wieder den Blick.
Elaine seufzte, strich sich eine halblange schwarze Haarsträhne aus dem Gesicht. Ohne lange zu zögern ließ sie sich neben ihrer Tochter auf dem Fensterbrett nieder.
„Ist er jetzt dein bester Freund oder nicht?"
„Natürlich ist er es! Jedenfalls...jedenfalls hoffe ich es...", fügte sie zweifelnd an, vergrub das Gesicht in ihren Händen.
„Wie kannst du dir nicht sicher sein?"
Jessica zuckte mit den Schultern.
Ein weiterer Blitz zuckte über den dunkelgrauen Himmel, gefolgt von einem gewaltigen Donnerschlag.
„Weißt du was ich glaube, meine Kleine?"
Ihre Tochter ließ die Hände wieder sinken, schüttelte unsicher den Kopf.
„Ich denke, dass er bereits auf dem Weg hier her ist und weißt du auch warum?"
Erneutes Kopfschütteln.
„Weil ihr beide wie Geschwister seid und er nicht einen Tag ohne seine kleine Schwester auskommen kann", antwortete Elaine, ein zuversichtliches Lächeln im Gesicht.
„Wirklich?"
„So sicher wie die Sterne in der Nacht", entgegnete ihre Mutter und stupste sie liebevoll an der Schnauze an.
Jessica kicherte und sprang dann ihrer Mutter um den Hals, welche die Umarmung ebenso herzlich erwiderte.
Bis es ein Stockwerk tiefer an der Haustür klingelte.
„Ich denke du solltest wohl lieber aufmachen", verkündete Elaine und sofort stand ihre Tochter auf den Beinen, hastete aus ihrem Kinderzimmer und polterte die Treppe hinunter.
Elaine sah ihrer Tochter kurz hinterher, dann folgte sie gemächlich.
Als sie den Fuß der Treppe erreicht hatte, war es Jessica soeben gelungen die Tür aufzuziehen, woraufhin der Sturm einen völlig durchweichten Rattenjungen in ihren Flur pustete.
Die braunen Haare klebten ihm überall im Gesicht und seine Kleidung – bestehend aus alten Turnschuhen, einer braunen Stoffhose, einem weißen Shirt und einer schwarzen Regenjacke – tropfte unablässig auf den Teppich des Flures.
„Einstein!"
Kaum war die Haustür geschlossen sprang die junge Wölfin ihren besten Freund um den Hals, störte sich nicht daran, dass er um gute zwanzig Zentimeter größer war als sie.
„Hiya Flöckchen", grinste der zitternde Junge und erwiderte die Umarmung genau so enthusiastisch.
„Hallo Ottokar", lächelte Elaine und der Angesprochene löste die Jüngere von sich.
„Guten Tag Mrs Winter", grüßte er sie und Elaine schüttelte lächelnd den Kopf.
„Bitte, wie oft sollen wir dir noch sagen, dass du mich ruhig mit Elaine anreden kannst", seufzte sie und er lächelte sie entschuldigend an.
„Entschuldigung...Elaine...."
„Nichts wofür man sich entschuldigen müsste. Jessica...wärst du so nett und würdest deinem Freund einmal ein paar Handtücher bringen? Und was trockenes zum anziehen?"
„Bin sofort wieder da", verkündete das Mädchen und verschwand wieder die Treppe hinauf.
„Komm doch mit in die Küche...Tee oder heiße Schokolade?"
„Eine heiße Schokolade, bitte...wenn es keine Umstände macht", antwortete Ottokar und entledigte sich seiner komplett durchnässten Schuhe, folgte der erwachsenen Wölfin in die geräumige Küche des kleinen Hauses.
Er ließ sich auf dem vierten Stuhl des Tisches nieder und wartete zitternd.
„Wie geht es dir? Ich weiß, das frag ich jeden Tag, aber..."
„Mir geht es soweit gut", warf der Junge hastig ein, hatte jedoch den Blick gesenkt.
Elaine seufzte.
„Wer war es nun schon wieder? Die Idioten in der Schule oder deine Eltern?"
Ottokar zuckte ertappt zusammen, fuhr mit dem Finger Linien auf der Tischplatte nach.
„Ich schätze beide...", antwortete er schließlich kleinlaut.
Im Zimmer über ihnen polterte etwas und man hörte Jessica kurzzeitig fluchen.
„Wenn ich einmal mit dem Direktor oder den Behörden reden soll...", begann Elaine, doch der Junge unterbrach sie hastig.
„Nein! Ich meine...bitte nicht. Das würde alles nur noch schlimmer machen", schloss er und die Wölfin stellte ihm seine Tasse heißer Schokolade hin, an die er sich sofort klammerte.
Schweigend setzte sie sich ihm gegenüber.
Die junge Ratte war ihr in den letzten zwei Jahren ein eigner Sohn geworden und zu wissen, dass Klassenkameraden ihn hänselten und seine eigenen Eltern ihn regelrecht misshandelten brach ihr das Herz.
Aber wenn er nicht wollte, dass man ihm half, dann waren auch ihr die Hände gebunden.
Jedenfalls vorerst noch...
„Nun gut...aber solltest du irgendetwas brauchen – egal was – dann weißt du sicherlich, dass unsere Tür immer für dich offen steht. Verstanden?"
Er sah von seiner Tasse auf und lächelte sie dankbar an.
„Vielen Dank, Elaine..."
„Nun gut, Einstein! Dann packen wir dich einmal ein", verkündete Jessica als sie durch die Tür der Küche trat, einen ganzen Stapel Handtücher und Klebeband in den Händen.
„Ich kann deine Klamotten gerade nicht finden, also musst du noch ein wenig warten und deshalb pack ich dich in Handtücher ein, damit du nicht mehr frierst", erklärte sie auf die überraschten Gesichter ihrer Gegenüber.
Ottokar atmete tief durch, jedoch hatte sich ein ehrliches und breites Grinsen auf seinem Gesicht eingenistet.
„Dann zeig mal was du kannst, Flöckchen", lachte er und schon im nächsten Moment wurde er mit Handtüchern und Klebeband an den Stuhl gefesselt.
Elaine beschränkte sich darauf mit einem amüsierten Grinsen den Kindern zuzusehen.

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