40 | Rücksichtslos

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»Fresse halten jetzt«, grinste ich und schubste ihn grob zurück, sodass er in mein Bett fiel. Während er sich wieder aufrichtete, steckte ich mein Handy ans Ladekabel an und warf einen kurzen Blick auf meine Nachrichten. Keine verpassten Anrufe und auch sonst nichts Wichtiges. Okay, sehr gut.

Wie Fede machte ich mich nun auch daran, mich meiner Klamotten zu entledigen und verdammt, ich hasste es so sehr, dass ich dabei etwas wie Aufregung verspürte. Konnte ich mal aufhören, aus jeder winzigen Sache so ein Ding zu machen?

Als ich mir mein Shirt über den Kopf zog, sah ich aus dem Augenwinkel, wie Fedes Blick an meinen Muskeln hängen blieb. Achtlos knüllte ich es zusammen und warf es in eine Ecke, ehe ich nach dem Saum meiner grauen Jogginghose griff. Mein Körper angespannt, meine Bewegungen fast schon fahrig.

Alter. Warum sollte ich mich wegen so etwas auch drausbringen lassen, ganz ehrlich.

»Hat sich das Training ja gelohnt«, vernahm ich seine Stimme auf meiner Seite. Das Grinsen war nicht zu überhören, aber ausnahmsweise klang er nicht spöttisch. Oder vielleicht doch? Keine Ahnung, bei ihm konnte man es nie mit aller Gewissheit sagen.

Ich drehte meinen Kopf zur Seite und grinste, spannte meine Bauchmuskeln ein wenig an. Die Typen, die mit ihrem Körper prahlten, hatte ich bisher nie verstehen können, trainiert zu sein war für mich nichts als ein Mittel zum Zweck. Doch jetzt fühlte es sich verfickt gut an, dass Fede mich offensichtlich doch geil fand.

Auch wenn ich jetzt noch viel weniger verstand. Warum hatte er dann nicht einfach meinen Kuss erwidert? Okay, es war unnötig. So verdammt unnötig. Sein Verhalten konnte tausend verschiedene Ursachen haben und sowieso, ich sollte am besten aufhören, nachzudenken. Ein Punkt, an dem ich auch schon ein paar Mal gewesen war.

»Bist zwar immer noch ein Idiot, aber wenigstens kein Lauch mehr«, grinste Fede. Er selbst saß in Boxershorts und Shirt da und streifte sich gerade seine khakifarbenen Socken ab.

»Ich war nie ein Lauch, du Wichser«, gab ich zurück, als ich den Raum durchquerte und das Licht löschte. Von draußen kam nur noch wenig Helligkeit durch die kaputten Jalousien und so waren nur die mir wohlbekannten Umrisse meines Zimmers zu erahnen. »Ich hab' die ganzen Pussys schon immer kaputtgeschlagen."

»Ja. Du warst schon immer krass, gegen dich ist noch nie jemand angekommen.« Jetzt war der gewohnte Spott in seiner Stimme zurück. Er warf mir noch einen kurzen Blick zu, dann legte er sich auf den Rücken. Herzhaft gähnte er und sah ein wenig so aus, als würde er gleich auf der Stelle einpennen.

»Was juckt's dich überhaupt, wie mein Körper aussieht?« Ich hob meine Augenbrauen, während ich über ihn drüber kletterte und es mir ebenfalls auf dem Bett bequem machte. Uns trennten nur noch ein paar Zentimeter und ich hoffte, dass ... Was auch immer.

Dass er noch irgendeine anerkennende Bemerkung machen würde. Mich einfach küssen, schließlich eignete sich dieser Moment verdammt gut. In den ganzen kack Filmen hätten sich die Menschen jetzt geküsst, das hätte ich schwören können.

Doch nichts davon passierte.

»Jay. Das war'n dummer Spruch«, erwiderte er mit sämtlicher Überheblichkeit und sorgte dafür, dass die Anspannung in meinem Körper noch größer wurde. Mit welchem Recht nahm es sich dieser Wichser eigentlich raus, sich ständig über mich lustig zu machen? »Keine Ahnung, warum du dem so viel Bedeutung beimisst.«

Ich warf ihm einen kurzen abgefuckten Blick zu, wie er sich auf die Seite drehte und mir somit den Rücken zuwandte. Er sollte sich definitiv zusammenreißen und mich nicht weiterprovozieren. Einen Moment lang sah ich ihn noch an. Seine leicht gewellten Haare, die sich dunkel von meiner Matratze abhoben, sein gebräunter Nacken mit den beiden Muttermalen, der ausgeleierte Saum seines dunkelblauen T-Shirts.

Unruhig grummelte mein Magen, während seine Worte von eben in mir nachhallten.

Jay, das war'n dummer Spruch.

Ich drehte mich auf die andere Seite, starrte auf die versiffte Wand vor mir. Einst war sie mal weiß gegeben, doch dank des vielen Rauchs hatte sie eine gelbliche Färbung angenommen und ein paar Flecken, von denen ich nicht einmal wusste, woher sie stammten.

Keine Ahnung, warum du dem so viel Bedeutung beimisst.

Ich sollte es endlich raffen. Dass ich mir nur eingebildet hatte, dass da was zwischen uns war und er schlichtweg kein Interesse hatte. Na und. Hatte doch auch nichts für mein Selbstbewusstsein zu bedeuten. Wenn mich irgendein Weib korbte, juckte mich das doch sonst auch nicht.

»Jay«, erklang auf einmal Fedes Stimme undeutlich in meinem Rücken.

»Was'n?«

»Hör auf, so 'ne eingeschnappte Prinzessin zu sein«, murmelte er.

»Bin ich gar nicht, Alter.« Ich drehte mich um und packte ihn, der sich wieder mir zugewandt hatte, an der Schulter. Schüttelte ihn grob.

Fede machte sich von mir los, grinste. »Gute Nacht, du Wichser«, flüsterte er und machte es sich auf seinem Unterarm gemütlich. Sowohl Decke als auch Kissen hatte ich für mich in Beschlag genommen, wäre ja noch schöner, wenn ich mit Teilen anfangen würde.

Es dauerte nur ein paar Minuten, bis seine Atmung gleichmäßiger geworden war und ich mir sicher war, dass er eingeschlafen sein musste. Wie konnte man so schnell einpennen? War doch echt nicht normal.

Einen Moment lang sah ich noch auf sein Gesicht, das ich trotz des wenigen Lichts, das meine zerdrückten Jalousien hindurch ließen, gut in der Dunkelheit ausmachen konnte. Die vollen Wimpern, die paar Pickel auf der Stirn. Die dichten, aber markant geschwungenen Augenbrauen, bei denen einige Härchen aus der Form wuchsen.

Ich würde ihn zu gerne berühren. Näher an ihn ranrutschen. Seine scheiß Augenbrauen zurecht streichen. Nochmal seinen Blick auf meinen Muskeln fühlen, das Gefühl haben, dass ich ihn geil machen konnte.

Er war so nah und es wäre ein leichtes gewesen, meine Hand auszustrecken. Ihn zu berühren.

Den ganzen Abend lang hatte ich die perfekten Chancen gehabt, dass endlich etwas zwischen uns lief und ich hatte sie nicht genutzt. Wie bescheuert war das denn?

Angestrengt biss ich meine Zähne aufeinander. Eigentlich war ich mir ziemlich sicher, dass das für Fede nur Freundschaft war. Dass er gar nicht mehr wollte. Naja, zumindest das ... aber trotzdem. Verfickte Scheiße.

Mich wollte einfach kein Schlaf überkommen, während Fede so nah bei mir war und seine Anwesenheit mich nur stresste. Wie er friedlich pennte, während die Gedanken in meinem Kopf nur so rasten, mich mit ihrer Wucht zu Boden schmissen. Wie konnte es eigentlich sein, dass ihn die ganze Scheiße gar nicht zu belasten schien? Es dauerte noch eine Weile, bis ich mich ein wenig aufrichtete und vorsichtig über Fede drüber kletterte. Die Matratze quietschte und gab unter meinem Gewicht nach.

Für einen Moment blieb ich angespannt stehen, doch Fede schlief tief und fest. Schnarchte ein wenig.

Kurz überlegte, was ich an Drogen nehmen könnte. Zudröhnen klang gerade nach einer verdammt geilen Option und als Dealer war nichts leichter möglich.

Keine Upper, obwohl ich die meistens lieber hatte.

Fede bekam nichts davon mit, wie ich mein Gras und das Bauzeugs aus der Schublade holte und mich dann in die verwaiste Küche verzog. Die Fliesen fühlten sich kalt unter meinen nackten Füßen an, während ich damit begann, mir einen dicken Joint zu bauen. Durch das Fenster flog mein Blick auf den vielen Lichtsmog draußen, der dafür sorgte, dass es in der Stadt nie so recht dunkel wurde. Trotz der späten Uhrzeit waren in den umliegenden Plattenbauten noch ein

Es kostete viel zu viel Gras, bis ich mich wieder aufrappelte und zurück in mein Zimmer ging. Dort war ich so leise wie möglich, passte auf, dass ich nicht über die Bierflaschen auf dem Boden oder meinen ganzen anderen Krimskrams stolperte. Wollte Fede ja nicht wecken. Verfickte Scheiße, was war eigentlich los mit mir? Seit wann nahm ich Rücksicht auf andere Menschen?

Die Verlierer - Sklaven des ErfolgsWhere stories live. Discover now