„Ich versuch's."

„Oder iss' irgendwas. Glaubst du, du kriegst was runter?"

Sie antwortete kurz nicht, bis sie schließlich sagte: „Ja."

„Gut."

„Dann jetzt wirklich...tschüss", verabschiedete sie sich erneut.

„Auf Wiederhören", sagte ich leise und sie legte auf. Mein Herz sank noch viel tiefer als nur in meine Hose, als ich zu Marc schielte.

„Marc?" Ich beugte mich über ihn, seine Fahne schlug mir ins Gesicht. „Marc", wiederholte ich, diesmal lauter.

„Hm, was?", nuschelte er, während er langsam blinzelte. „Was isn?" Er setzte sich auf, sodass ich Platz neben ihm hatte. Ich blieb stehen.

Er hörte mir stumm zu, unterbrach mich kein einziges Mal.

Er wurde nicht wütend oder laut. Es fühlte sich nur an, als wäre er drei Universen und fünf Zeitzonen von mir entfernt. Als würde keines meiner Worte bei ihm eintreffen, dabei wusste ich, dass sie das taten.

Irgendwann zog er mich auf seinen Schoß und vergrub das Gesicht in meinen Haaren.

„Ich brauch' dich, El." Mein Kopf war so taub, dass ich ihn kaum verstand. „Ich weiß, ich tu immer so, als wäre es nicht so..." Seine Stimme erstickte und sein Oberkörper zitterte. „Aber ich brauch' dich. Mehr als alles andere. Und vor allem jetzt." Ich drehte mich um, um seinen Kopf streicheln zu können. Sein Atem wurde immer langsamer, regelmäßiger, seine Tränen verebbten.

„Ich weiß, Marc. Ich weiß."

Er kriegte nach endlosen Diskussionen mit seinem Chef schließlich fünf Tage Urlaub, die er nutzte, um nach Columbus zu fliegen. Ich blieb Zuhause, um auf Michael aufzupassen. Marc fand, er war zu klein, um schon in Flugzeugen zu sitzen, was vermutlich auch stimmte. Und auch wenn es nichts stimmte, es war am einfachsten, Marc einfach Recht zu geben.

Er rief an, sobald er gelandet war, so wie er es am Vorabend versprochen hatte. Er hatte einen Flug mitten in der Nacht genommen, den ersten, den er erwischen konnte, also war es erst kurz nach acht. Bei ihm war es schon elf, fiel mir dann ein. „El? Hörst du mich?", fragte er.

„Ja. Bin da. Wie war der Flug?"

„Ist egal."

„Wie lang brauchst du zum Krankenhaus...?"

„Zehn Minuten oder so. Wenn ich endlich mal ein Taxi krieg' zumindest", sagte er. Zwischen den hupenden Autos und lauten Menschen konnte ich ihn kaum verstehen.

„Wieso hast du angerufen?", fragte ich. Um mir von seinen Problemen bei der Taxisuche zu erzählen bestimmt nicht, und über seine Reise wollte er ja auch nicht wirklich reden.

„Kannst du meinen alten OSU-Pulli raussuchen?", bat er mich jetzt, was mich ein wenig verwunderte.

„Der den du mir gegeben hast?"

„Genau. Der sollte irgendwo im Keller sein, in den alten Boxen." Ja. Da war er auch seit Jahren. Ich trug ihn nicht mehr. Vor zwei, drei, vielleicht auch vor vier Jahren hatte ich ihn in den Keller verbannt. Er erinnerte mich zu sehr daran, wie gut mal alles gewesen war und wie nicht mehr gut es mittlerweile war.

„Wozu?"

„Ich mocht's immer, wenn du den getragen hast", erklärte er. „Fühlte sich heimatlich an. Als wär' ich der Typ aus'm College, der vorm Einschlafen an dieses Mädchen denkt, was er bei so 'ner lahmen Party getroffen hat." Ich fand es süß. Ich fand ihn süß.

Definiere LiebeWhere stories live. Discover now