3. Der lüsterne Arbeitskollege

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Gemächlich fuhr sie zum Supermarkt und schließlich nach Hause. Die Hände voll mit zwei schweren Sackerln war es nicht leicht die Haustüre aufzuschließen. Stöhnend versuchte sie zumindest eine Hand frei zu bekommen um den Code für das Schloss einzugeben.

Es war elektronisch wie bei den meisten modernen Häusern. In den Sackerln raschelte es verdächtig nach Süßem. Sie hatte noch ein paar Snacks für die etwa dreistündige Fahrt nach Nikko gekauft.

Die Kinder hatten nach der Schule immer großen Hunger und würden weniger Streiten wenn sie eine Kleinigkeit im Magen hatten. Melodie spürte wie ihr Herz aufgeregt schneller schlug als sie an das Ryokan dachte.

Es befand sich nahe der Ausflugsstadt Nikko. Das kleine Dorf war für seine Wälder und Tempel berühmt. Melodie war bereits zwei Mal mit Su-mi dort wandern gewesen. Besonders in der Nebensaison war es ein Fleckchen Himmel auf Erden.

In einem Ryokan dagegen war Melodie noch nie gewesen, sie fand es immer zu kostspielig und war daher sehr überrascht gewesen als Reiji von sich aus den Wunsch geäußert hatte, ihr und seinen Kindern diesen Ausflug zu ermöglichen. Soweit sie es nachlesen oder erfragen konnte, war ein Ryokan nicht mehr als ein schickes Hotel, das jedoch eine Besonderheit besaß und sich dafür reich entlohnen ließ.

Das Zauberwort hier war Onsen. Seit Melodie das erste Mal diesen Begriff gehört und von Su-mi in ein solches Etablissement gebracht wurde, liebte sie es abgöttisch. Die heißen Quellen, die traditionelle ein Onsen ausmachten, lieferten eine tiefe Entspannung. Zuvor musste man sich noch waschen und es gehörte ein richtiges Ritual zu dem ganzen, aber genau das machte es zu etwas Besonderem.

In diesen kochend heißen Becken, teils indoor, teils outdoor, verschwammen alle Probleme. Es gab in Kamakura ebenfalls mehrere Onsen und so gut es ging versuchte Melodie regelmäßig diese aufzusuchen. Irgendwie hatte es etwas befreiendes nackt gekocht zu werden.

Meistens dauerte so ein Onsenbesuch nicht mehr als eine Stunde, da das heiße Wasser selbst für erfahrene Onsenbesucher auf längere Zeit zu schmerzhaft wäre. Die Devise hieß zehn Minuten kochen, zehn Minuten draußen entspannen. Aber für Kinder war dieser Prozess natürlich zu langweilig.

Reiji und sie hatten daher extra ein Ryokan mit Onsen für Kinder gebucht, mit einem kühleren Becken und Spielmöglichkeiten. Melodie wusste, dass dies für Takeo nicht unbedingt notwendig war. Der Junge würde sich ein Buch mitnehmen und genauso die stille genießen wie die Erwachsenen. Fumiko würde zwar ihre Aufmerksamkeit fordern, doch mehr als das würde auch sie nicht wagen.

Die Kinder waren gut erzogen und konnten sich mit ihrer Fantasie alleine beschäftigen. Im Ryokan also würden sie nicht mehr tun als gutes Essen genießen und alle halbe Stunde ins Wasser gehen und sich entspannen. Bezahlt war der Kurzurlaub bereits, nun blieb ihr nur noch das Packen von Kleidung und den nötigsten Hygieneartikel für sich und die zwei Kinder.

Endlich klickte das Schloss der Tür und ließ sie eintreten. Irritiert blieb sie im Türrahmen stehen. Sie konnte nicht nur Reijis Schuhe erkennen, sondern ebenso ein fremdes Paar im Eingangsbereich feststellen. Es kam nur äußerst selten vor, das Reiji von Zuhause aus arbeitete und dass er sich einen Tag frei nahm, war fast unvorstellbar.

Weshalb also war er mitten am Tag nicht bei der Arbeit, wo er doch heute Morgen noch von höchster Belastung gejammert hatte. Melodie zog die Augenbrauen zusammen.

Hatte Reiji sie angelogen?

Nein, das würde er nicht tun. Er war vieles, doch ein Lügner ganz sicher nicht. Was ging hier nur vor sich? Langsam ging Melodie den Flur entlang und blieb kurz vor dem Wohnzimmer stehen. Die Sackerln ließ sie achtlos bei den Schuhen liegen. Dieses Geheimnis war viel interessanter als ihre Einkäufe. Sie konnte den Gast hören. Reijis Stimme war ebenso deutlich erkennbar. Sie schienen im Wohnzimmer eine hitzige Diskussion zu führen. Innehaltend lauschte Melodie den Tonlagen der beiden.

Oni- Teufel aus der TiefeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt