1. Ein Morgen wie jeder andere

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Erschöpft lag er im Bett. Wieder war er spät nach Hause gekommen und wieder waren die Stunden seines Schlafes unruhig und kurz gewesen. Sein Körper brauchte eine Pause, doch die konnte und wollte er ihm nicht gönnen. Und wie jeden Morgen wartete er auf die Schritte seiner Kinder und das Lachen einer ganz bestimmten Frau. Er würde sie erst am Frühstückstisch sehen, doch zumindest in seiner Fantasie konnte er sich vorstellen, der perfekte Vater zu sein.

Abwartend lag sie in ihrem Bett und starrte auf die Tür, durch die jeden Moment ihr Au-pair-Kind Fumiko stürmen würde. Das vierjährige Mädchen liebte es sie aufzuwecken und natürlich wollte sie ihr diesen Spaß nicht nehmen. Dafür liebte sie die kleine Japanerin zu sehr.

Seufzend griff sie nach ihrem Handy und starrte auf das Display. Es war fast sieben Uhr und damit war Fumiko schon reichlich spät dran.

"Melodie!!", mit einem lauten Knall wurde die Tür zu ihrem privaten Zimmer aufgerissen und ein kleines Mädchen sauste wie der Wind zu ihrem Bett. Melodie richtete sich lächelnd auf, nur um von Fumiko sofort wieder in die Kissen gedrückt zu werden.

"Ich hab was ganz seltsames geträumt.", begann Fumiko aufgeregt auf Japanisch und verschluckte einige Wörter. Melodies Kenntnisse der japanischen Sprache waren bei weitem nicht perfekt und es war der Regelmäßigkeit dieser Morgenroutine zu verdanke, dass sie verstand was Fumiko ihr sagen wollte. Abwartend spielte das kleine Mädchen mit Melodies rostroten Haaren und suchte mit den Augen ihre volle Aufmerksamkeit.

"Erzähl es mir.", entgegnete diese und zog das Mädchen in ihre Arme. Liebevoll streichelte sie dem Kind über den Kopf während sie der wilden Geschichte lauschte.

Es waren diese Momente für die Melodie in der Früh die Augen aufschlug. Fumiko strahlte sie mit solch einer Liebe an, dass es ihr schwer fiel diese nicht mit vollem Herzen zu erwidern.

"Erzählt sie dir wieder irgendwelche Dummheiten?", Takeo, der achtjährige Bruder Fumikos stand gähnend in der Tür. Seine schwarzen Haare standen in alle Richtungen ab. Melodie hob den Arm und winkte den Jungen zu sich. Zögerlich trat er ein.

Takeo war wesentlich zurückhaltender als seine kleine Schwester, aber das hieß nicht das Melodie ihm weniger Herzlichkeit entgegenbrachte. Lächelnd zog sie auch ihn auf ihr Bett und strich seine wirren Haare zurecht.

"Ich hab überhaupt nichts Dummes gesagt!", empörte sich Fumiko beleidigt, doch ihr Bruder schien kein schlechtes Gewissen zu haben. Melodie, die die Streiterein der Kinder gewohnt war, wusste, dass sie sie nun trennen sollte.

"Wieso ziehst du dich nicht schon an, Miko-chan. Ich mache gleich Frühstück, dein knurrender Magen ist schon viel zu laut. Da hab ich ja Angst, dass du gleich mich isst!", spielerisch ängstlich wich sie vor Fumiko zurück.

"Nein! Du schmeckst nicht gut.", das kleine Mädchen lachte laut und hüpfte aus dem Bett. Mit einem letzten bösen Blick auf Takeo verschwand sie aus dem Zimmer. Zärtlich nahm Melodie nun auch Takeo in den Arm und küsste seinen Scheitel.

"Hast du gut geschlafen.", fragte sie liebevoll. Takeo nickte langsam während er in ihren Armen immer ruhiger und entspannter wurde. Melodie wusste, dass er furchtbare Albträume hatte, aber nur selten davon sprach.

"Ich mache mich auch besser fertig.", murmelte er an ihrer Brust und zog sich langsam zurück.

"Natürlich. Geh nur, aber fang bitte nicht wieder an mit Fumiko zu streiten. Dafür ist es noch zu früh am Tag." Nickend verließ er ihr Zimmer. Melodie schlug seufzend die Decke zurück und stand auf.

Neun Monate arbeitete sie nun schon für Reiji Kobayashi, einen national berühmten Archäologen in Kamakura, Japan. Seine Arbeit war hoch geschätzt, obwohl Melodie nicht wirklich etwas davon verstand.

Oni- Teufel aus der TiefeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt