Sleep tight, Lullaby

11 0 0
                                    

Cayden


„Ich habe das Gefühl in diesem verdammten Kaff ist ein Tag schlimmer als der andere.

Ich will wieder nach Hause kommen. In unser Zuhause.

Liest du das hier Tess? Ich habe Heimweh!

Nach unserem durchgesessenen Sofa und deinem schrecklichen Chilli.

Wie hast du mich nur dazu gebracht, dir dieses verfluchte Versprechen zu geben?"


Ich werde noch verrückt.

Ich kann hören, wie sie versucht sich nebenan in den Schlaf zu weinen. Immer wieder schluchzt sie leise vor sich hin - und ich habe nicht den blassesten Schimmer was passiert ist. Aber ich kann nicht schon wieder zu ihr herüber gehen. Ich will es auch nicht.

Sie ist nicht meine Verantwortung. Das sollte ich mir schleunigst in meinen Dickschädel hämmern. Dafür hat sie einen Freund. Oder Nicht-Freund. Keine Ahnung, wie man solche On-Off Beziehungen heutzutage nennt. Ich hatte so etwas noch nie.

Wenn ich eines mit Stolz behaupten kann, dann, dass ich immer zu meinem Wort stehe.

Wenn ich sage „Es ist aus.", dann meine ich es auch so.

Ich setze mich an den kleinen Schreibtisch und hole meine Baupläne für das Hotel hervor. Ich krickle lustlos darauf herum und reibe mir Gedankenverloren über die schwarzen Linien auf meinen Armen. Erinnere mich an jede schmerzhafte Begegnung mit der Nadel und schwelge im blassen Echo des Schmerzes. Ich habe jede Sekunde davon genossen.

Es hört sich an, als würde schon wieder jemand etwas durchs Zimmer nebenan werfen.

Scheiß drauf.

Ich gehe jetzt zu ihr rüber.

Ich habe echt das Durchhaltevermögen eines vergesslichen Otters.

Ich zerre mir genervt von mir selbst und meiner Inkonsequenz ein T-Shirt aus meinem Koffer über den Kopf und schleiche mich erneut wie ein Triebtäter durchs Haus, bis ich vor ihrer Zimmertür stehen bleibe. Einige Sekunden lausche ich, ob sie endlich eingeschlafen ist. Doch dann schluchzt sie erneut leise auf und ich reiße resolut die Tür auf. Ein Lichtschein fällt durchs Fenster auf ihr erschrockenes Gesicht. Ihre Augen sind verquollen und sie versucht sich hektisch die Tränen aus dem Gesicht zu reiben. Ich schließe die Tür hinter mir, ohne ihr auch nur ein Wort der Erklärung zu geben und gehe zu ihrem Bett hinüber. Setze mich einfach neben sie aufs Bett und breite meine Arme aus.

Was tue ich hier nur?

Sie hält kurz inne.

Dann wirft sie sich in meine Arme und ich spüre, dass die Tränenschleusen wieder geöffnet wurden, weil mein Shirt im Brustbereich ziemlich schnell ziemlich feucht wird.

Sanft streiche ich ihr über den Rücken und fahre Gedankenverloren jeden einzelnen Wirbel nach. Sie wirkt so klein und zerbrechlich in meinen Armen, dabei ist sie glaube ich das genaue Gegenteil. Wenn ich an die Geschichte mit ihren Eltern zurück denke, bin ich mir sogar ziemlich sicher, dass sie sehr lange sehr stark hatte sein müssen.

Warum brachte dieser Typ sie dann so aus der Fassung?

Es geht doch schon wieder um ihn oder?

Es geht immer um diese Typen, das sollte ich doch langsam wissen.

„Reden wir heute darüber, was passiert ist?", frage ich mit den Lippen in ihren blonden Locken. Sie schaut vorsichtig zu mir auf.

„Nein. Sonst lässt du nur wieder einen Klugscheißer Kommentar von dir.", flüstert sie und reibt sich mit den Handflächen über die geschwollenen Lider. Ich könnte ihr jetzt versprechen, dass ich das nicht tun werde - aber wir wissen beide, dass wäre gelogen.

„Gibt es irgendwas was ich tun kann?", frage ich leise. Eine Frage, die ich in einem vergangenen Leben hätte stellen sollen. Eine Frage, die viel zu selten gestellt wird.

Die ich viel zu selten gestellt habe.

Sie schüttelt langsam den Kopf.

Abr ich glaube ihr nicht.

Sanft hebe ich ihr Kinn an, sodass sie mich anschauen muss.

Ich habe kurz das Gefühl in ihren Augen zu ertrinken. In der Trauer darin, die mir nur allzu bekannt vorkommt. Grüne Abgründe, die drohen mich in sie hinab zu ziehen und nie wieder das Licht der Welt erblicken zu lassen, wenn ich nicht aufpasse.

„Brauchst du Hilfe?", frage ich. Ich klinge heiser. Weil mir vermutlich gleich die Stimme versagt.

Verdammt.

Es fühlt sich an, als hätte ich ein Dejavu.

Sie schüttelt den Kopf und richtet sich auf.

Ich kann ihr dabei zuschauen, wie sie ihre steinerne Maske wieder aufsetzt.

Ich kann nicht behaupten, dass ich diese Seite an ihr mag.

„Jetzt habe ich dein ganzes Shirt voll geheult.", wispert sie und zupft daran herum. Es klebt an meiner Brust.

Ich grinse.

„Kein Problem.", erwidere ich und ziehe es mir einfach über den Kopf. Sie schnappt hörbar nach Luft, als ich es neben dem Bett auf den Boden fallen lasse. Ihre Augen saugen den Anblick meiner Tätowierungen in sich auf und ich genieße es einen Tacken zu sehr. Wünsche mir insgeheim, dass sie sie mit ihren dünnen Fingern nachfährt und ihrem Pfad federleicht über meinen Körper folgt.

Ich genießen ihren Blick auf meinem nackten Körper viel mehr, als ich es sollte.

Aber ich habe auch Angst, dass sie zu genau hinschaut und die falschen Fragen stellt.

Ohne ihren Protesten zuzuhören lasse ich mich neben sie ins Bett fallen und schließe meine Arme um sie.

„Was soll das werden Cayden?", zischt sie.

„Wir kuscheln?", brumme ich und wackle im Dunkeln mit den Augenbrauen.

„Was wenn dich einer hier findet?", sie setzt sich erneut etwas auf und starrt auf mich herab. Lässt ihre Augen zu lange auf meinem Bauch ruhen. Wandert blinzelnd hoch zu meinem Gesicht und ich kann sehen, als sie ihren Widerstand aufgibt. Erneut öffne ich die Arme und bedeute ihr, sich hinein zu kuscheln.

„Wir machen doch nichts. Wir sind einfach nur Kuschel-Partner.", versuche ich es grinsend. Sie schüttelt den Kopf, verdreht die Augen - und lässt sich endlich in meine wartenden Arme fallen.

Erst verspannt sie sich sichtlich und würde vermutlich steif wie ein Brett vom Bett fallen, wenn ich sie los lasse. Doch als ich beginne leise ein Lied zu summen, dass meine Mutter mir immer vorgesungen hat, wenn ich wieder Albträume hatte, entspannt sie sich langsam und lässt den Kopf auf meinen Oberarm sinken. Ich sauge ihren frischen blumigen Duft in mich auf und schließe die Augen.

Sie presst ihren kleinen Körper gegen mich und ihre Haare kitzeln mich an der Nase und den Lippen, als ich mein Kinn auf ihren Kopf sinken lasse.

Das hier fühlt sich viel vertrauter an, als es sollte.

Viel vertrauter, als ich es jemals zulassen wollte.

Ich meine wir kennen uns wie lange?

4 Tage? Eine Woche?

Aber ich will verdammt sein, wenn ihre kurvigen Hüften, die sich gegen mich pressen, nicht absolut perfekt anfühlen. Ich streichle sanft mit dem Daumen in kreisenden Bewegungen über ihren Oberarm und summe weiterhin in ihr Ohr.

Sie liegt warm und weich neben mir und versucht krampfhaft sich nicht zu bewegen. Sanft ziehe ich sie noch ein Stück näher an meine Brust und lege ihre Decke über sie.

„Danke." Flüstert sie erschöpft. Ich brumme etwas Unverständliches.

Es dauert nicht lange, bis ihre Atemzüge sich verlangsamen und ich kann spüren, als sie in den Schlaf hinab gleitet.

Völlig entspannt.

Was ich von mir und vor allem meiner unteren Region definitiv nicht behaupten kann.

Ich brauche sehr viel länger als sie, um einzuschlafen.

Kiss me in the DarkWo Geschichten leben. Entdecke jetzt