31 | Worauf wichst du?

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»Mich juckt das doch gar nicht. Ich passe mich nur dir an. Und bei dir wird alles in dem Maß gemessen, wozu Leute masturbieren.«

»Ist halt auch wichtig.«

»Okay, gut ... Jay, worauf wichst du?«, fragte Fede nach.

Ich lachte kopfschüttelnd. »Warte, was?«

»Was?« Auch seiner Stimme war ein Grinsen zu entnehmen.

»Ich hab' nicht damit gerechnet, das von dir gefragt zu werden. Ich mein', du bist Fede. So'n Streber.«

»Soll das heißen, dass ich verklemmt bin?«

»Ja. Keine Ahnung. Doch, schon, ich hab' dich noch nie wirklich über Sex reden hören.«

»Ich bin übrigens auch der Typ, der's immer hinkriegt, dich zu überraschen.«

»Stimmt.«

Kurz schwiegen wir, dann ergriff er wieder das Wort: »Du schuldest mir noch 'ne Antwort.«

»Worauf?«

»Du weißt ganz genau, worauf. Willst du Zeit schinden oder so?« Er lachte und in diesem Moment verfluchte ich die Tatsache, dass wir nur über unsere Handys kommunizierten. Ich hätte ihn dafür gerne einfach geboxt. Verdient hätte er es.

»Ja, zu Pornos halt«, setzte ich an und bemühte mich um Beiläufigkeit in der Stimme. »Weiber mit dicken Titten, irgendwelches hardcore Zeugs. So brutaler Sex. Sowas ist geil.« Und auf dich, aber das sagte ich nicht. Verdammt, das war mir immer noch ziemlich peinlich, auch wenn ich es geschafft habe, sämtliche Gedanken an Fede beim Wichsen zu verdrängen.

»Es ist halt einfach genau die Antwort, die ich erwartet hab'«, lachte er.

»Oh, ein krass talentierter Wahrsager«, spottete ich. Mit erstaunlich miesen Qualitäten. »Okay. Jetzt du.«

»Ich mag's auch, wenn's härter ist, aber Pornos sind nicht so mein Ding«, begann er zu erzählen, während ich mein Handy näher ans Ohr hielt, um ihn besser verstehen zu können. »Keine Ahnung, das ist alles so unpersönlich und mechanisch und da baut sich keine Spannung auf und so. Ich versteh' nicht, was daran geil sein soll. Schwulenpornos sind oft noch bescheuerter. Ganz ehrlich. Als gäbe es nur Menschen, die drauf stehen, beim Sex Daddy zu stöhnen.«

»Wenn das mal ein Weib bei mir machen würde, ich würd' sie aus dem Bett boxen.«

»Glaub ich dir sofort.« Fede lachte. »Außerdem, schaff es mal bei meiner Familie, einen Porno zu gucken. Das ist 'ne Höchstleistung. Selbst im Bad muss man damit rechnen, dass gleich Leonardo aus der Wäschebox kommt.«

»Was zum Fick, Alter.« Ich lachte kopfschüttelnd. »Was ist denn sonst dein Ding? Also beim Wichsen.«

»Mir reicht das, mir da einfach was vorzustellen. Ganz ehrlich, ist doch viel spannender als sich so Zeugs anzugucken«, meinte er.

»Nee, ich bleib Team Porno. Ist halt schon geil.« Grinsend drehte ich mich auf den Bauch und versuchte, mir seine Worte zu merken. Keine Ahnung, irgendwann fand ich dieses ganze Gespräch gerade verdammt heiß. Ob er vielleicht auch schon mal an mich gedacht hatte, wenn er sich einen runtergeholt hatte?

Meine Fresse, Alter, das ging jetzt echt zu weit.

»Alles klar«, lachte er, dann schwiegen wir beide für einen Moment. Die Stelle war nicht einmal unangenehm, sondern irgendwie hatte es etwas Schönes, sein leises Atmen am anderen Ende der Leitung zu hören, zu wissen, dass er da war. Vielleicht würde ich ja bald genauso direkt neben ihm liegen. Wir miteinander rummachen.

Mit einer Hand griff ich nach meiner Zigarettenpackung, die sich noch in meiner Jogginghose auf dem Boden befand. Eigentlich wollte ich noch viel mehr über ihn wissen. Was genau er sich vorstellte. Wie er beim Sex angefasst werden wollte.

»Und du ... Hast du'n Lieblingsplanet?«, nuschelte ich und tastete auf meinem Nachttisch nach meinem Feuerzeug. Irgendwo musste das scheiß Ding doch sein. Stattdessen fiel etwas klirrend zu Boden, wahrscheinlich der Aschenbecher. Verdammt.

Fede lachte schon wieder. Das war langsam zu viel des Guten. »Okay, das war jetzt süß.«

Ich hatte endlich mein Feuerzeug gefunden, ließ es aufflackern und so klang meine Antwort nach dem Inhalieren auch klarer: »Alter, du hast mich nicht ernsthaft als süß bezeichnet.«

»Nicht dich, nur die Frage«, korrigierte er, noch immer mit einem belustigten Ton. »Wir reden übers Wichsen und Jay so: Hast du einen Lieblingsplanet?«

»Ich glaube, du willst trotzdem hart aufs Maul. Wenn wir uns das nächste Mal sehen«, drohte ich ihm, meine Stimme mit dem typischen schneidenden Klang.

»Bei allem, was ich in letzter Zeit über dich gehört hab', sollte ich echt Angst haben.« Es war sofort klar, dass Fede wahrscheinlich nie vor mir Angst haben würde. Doch mittlerweile hatte ich genug Zeit gehabt, das zu akzeptieren.

Ich zog meine Augenbrauen zusammen. »Was hast du gehört?«

»Alles Mögliche. Die an der Schule reden echt viel, seit du nicht mehr da bist. Wenn man denen glaubt, steckst du jede Woche in 'ner Massenschlägerei und 'nem Drive-by-Shooting und was weiß ich alles. So abgedrehtes Zeugs halt.«

»Vielleicht stimmt's ja.«

»Definitiv.« Überheblich lachte er auf und ich biss die Zähne zusammen, schwieg. Ich hasste seine beschissene Selbstherrlichkeit. Dieser Wichser ging doch auch nur durch die Welt, in dem er sich ununterbrochen abfeierte.

»Also mein Lieblingsplanet ...«, kehrte er zum Thema zurück. »Hm ... Jupiter ist irgendwie echt cool, die Oberfläche davon sieht so krass schön aus. Wie eine Murmel.«

Wir laberten noch eine ganze Weile miteinander rum, über alles Mögliche. Über seine Englisch-Klausur, die er in ein paar Stunden schrieb und bei der er sich sicher war, sie ziemlich in den Sand zu setzen, weil Sprachen einfach nicht sein Ding waren. Darüber, ob Ananas auf Pizza berechtigt war (er ja, ich nein und für seine italienische Oma ein gefühlter Grund, Menschen aus der Familie zu verstoßen).

»Ich muss jetzt auflegen, wegen Schule und so«, verabschiedete Fede sich schließlich. »Aber hey, war schön, dass wir gequatscht haben.«

Ich räusperte mich. »Fand ich auch.«

»Fuck, Jay, das war jetzt mehr an Komplimenten, als ich je aus deinem Mund erwartet hab'«, lachte er.

»Willst noch eins hören?«

»Ne, ich glaub', das wird mir dann zu viel, muss das erst mal verarbeiten.«

»Ach, schade. Hatte eigentlich ein richtig tolles Kompliment.«

»Hau raus.«

»Du bist ein arrogantes Arschloch. Ich hab' dir viel zu selten die Fresse eingehauen«, grinste ich und drehte mich auf den Bauch. Mein Gesicht stützte ich auf meiner Hand auf.

»Super Kompliment. Und lass lieber, hab' vom letzten Mal noch 'ne Narbe.«

»Echt jetzt?«

»Jap.«

»Muss ich sehen.«

Er lachte. »War klar.«

»Boah, Fede, vieni fuori!«, vernahm ich Leonardos Rufen im Hintergrund. »Kack mal nicht so lang!«

»Okay, bis dann, Jay«, verabschiedete Fede sich und legte auf. Ich nahm das Handy von meinem Ohr und warf ein Blick aufs Display. 03h:12min verriet es mir. Alter. Ich hatte noch nie in meinem verdammten Leben so lang mit einer anderen Person telefoniert, eigentlich hasste ich es, sinnlos am Handy zu quatschen. So zeitverschwendend.

Genau wie diese ganze Sache mit Fede. Ich sollte einfach mal mit dem vögeln und nicht so einen Dreck machen wie Kuscheln oder Telefonieren. Alter. Das ging in eine völlig falsche Richtung hier.

Die Verlierer - Sklaven des ErfolgsWhere stories live. Discover now