Die Geschichte von Yusuf (Joseph)

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Ishak hatte einen Sohn, der Yakub hieß. Als er herangewachsen und ein Mann geworden war, heiratete er und bekam im Laufe der Zeit zwölf Söhne und zahlreiche Töchter. Diese halfen schon seit der frühesten Jugend ihrem Vater bei verschiedenen Arbeiten auf dem Feld oder hüteten die Schafe und Ziegen. Yakub war ein guter Vater. Er hatte alle seine Kinder lieb. Am meisten aber liebte er seinen zweitjüngsten Sohn Yusuf. Trotzdem verwöhnte und bevorzugte er ihn aber nicht, sondern war gegen alle seine Kinder gerecht. Eines Nachts hatte Yusuf einen Traum, und als er am Morgen aufstand, erzählte er ihn seinem Vater: „Ich sah, wie sich elf Sterne, Sonne und Mond vor mir verbeugten. „Da sah Yakub, dass Yusuf von Allah auserwählt war, um eine besondere Aufgabe zu erfüllen, Er sagte: „Mein lieber Sohn, sprich nicht mit deinen Brüdern über diesen Traum, denn sie werden sonst vielleicht neidisch und versuchen, dir etwas anzutun. Der Teufel ist ein verschworener Feind der Menschen und flüstert ihnen boshafte Gedanken ein. Du bist von Allah auserwählt, und Er wird dich die Deutung von Visionen und Ereignissen lehren und dir Gutes geben, so wie Er mir und meinen Vätern Gutes gegeben hat. "Yusufs Brüder waren ohnehin eifersüchtig und neidisch, und sie sprachen unter sich: „Unser Vater liebt Yusuf und unseren jüngsten Bruder mehr als uns alle. Am meisten liebt er Yusuf. Wir anderen sind ihm gleichgültig. Wirklich er ist alt, und sein Verstand ist nicht mehr klar." Einer der Brüder schlug vor: „Warum töten wir Yusuf nicht? Oder wir können ihn auch in ein fremdes Land verschleppen, dann muss der Vater uns wieder lieben, wenn er nicht mehr da ist. Hinterher können wir dann immer noch Gutes tun, damit die Schandtat ausgeglichen wird." Ein anderer sagte: „Töten wollen wir ihn nicht, das ist zu grausam, und immerhin ist er ja unser Bruder. Wir können ihn ja in einen leeren Brunnen werfen. Dort finden ihn dann die Reisenden und nehmen ihn mit." Damit waren die anderen einverstanden, und sie machten einen Plan. Am nächsten Tag sprachen sie zu ihrem Vater: „Vater, warum lässt du nicht Yusuf mit uns gehen, damit er draußen spielen kann? Wir wollen auch gut auf ihn aufpassen, damit ihm kein Unheil geschieht. Das wird ihm sicher Freude machen. „Yakub erwiderte: „Es macht mich wirklich traurig, wenn Yusuf nicht zu Hause ist. Ich fürchte, dass ihn der Wolf frisst, wenn ihr nicht auf ihn aufpasst. „Die Brüder aber sagten: „Der Wolf wird ihn schon nicht fressen, denn wir sind viele, und er müsste uns schon alle töten, bevor er unseren Bruder angreifen kann. "Schließlich gab der Vater schweren Herzens seine Erlaubnis, und die Brüder nahmen Yusuf mit auf die Weide. Als sie weit draußen waren, wo kein Mensch sie hören konnte, packten sie Yusuf plötzlich und warfen ihn in einen ausgetrockneten Brunnen. Dann schlachteten sie ein Schaf, bespritzten Yusufs Hemd mit dem Blut und gingen nach Hause. „O Vater!" riefen sie, „während wir beim Wettlauf waren, ließen wir Yusuf bei unseren Sachen zurück. Und da kam ein Wolf und verschlang ihn. Aber du wirst uns sicher nicht glauben, obwohl wir die Wahrheit sagen." Dabei weinten sie heuchlerische Tränen. Yakub sah das blutbefleckte Hemd und sprach: „Nein, ihr sagt nicht die Wahrheit, sondern ihr habt euch eine Geschichte ausgedacht, um mich zu betrügen. Was kann ich tun, als mich auf Allah verlassen und Ihn um Hilfe bitten?" Er weinte sehr. Inzwischen saß Yusuf einsam in dem verlassenen Brunnenloch. Es wurde dunkel, und die Nacht brach herein. Aber Yusuf hatte keine Angst. Er wusste, dass Allah ihn nicht verlassen hatte, und Allah ließ ihn wissen, dass er eines Tages seinen Brüdern und seinen Eltern sagen würde, was hier geschehen war. Am nächsten Tag kam eine Karawane vorbei. Die Reisenden erblickten den Brunnen und hielten an, um Wasser zu schöpfen. Aber wie verwundert waren sie, als sie statt des Wassers einen Jungen aus dem Brunnen zogen! Sie wussten nicht so recht, was sie mit ihm anfangen sollten, aber da kamen auch schon Yusufs Brüder mit den Schafen, die sie zur Weide trieben. Sie sprachen zu den Fremden: „Wenn ihr diesen Jungen mitnehmen wollt, dann verkaufen wir ihn euch." Sie verkauften ihn sehr billig, weil sie ihn unbedingt loswerden wollten, und die fremden Kaufleute versteckten ihn unter ihren Waren, denn sie hatten bei alledem ein schlechtes Gewissen.

So zogen sie weiter, bis sie nach tagelanger beschwerlicher Wüstenreise nach Ägypten kamen. Dort verkauften sie ihre Waren und boten auf dem Markt auch Yusuf als Sklaven an. Es dauerte auch nicht lange, da kam ein reicher Ägypter auf den Markt. Er hieß Aziz und war ein hoher Beamter am Hof des Pharao. Da er gerade einen Sklaven brauchte und ihm der hübsche Junge gut gefiel, kaufte er Yusuf und brachte ihn nach Hause. Zu seiner Frau sprach er: „Behandle ihn gut, denn vielleicht bringt er uns Glück, oder wir nehmen ihn als Sohn an." Denn Aziz hatte keine Kinder. So blieb Yusuf in Ägypten. In kurzer Zeit lernte er, die fremde Sprache fließend zu sprechen, und wuchs zu einem kräftigen und klugen jungen Mann heran. Bevor er erwachsen war, meisterte er alle Wissenschaften und Künste des Landes, und Aziz beobachtete ihn dabei mit Freude, denn Yusuf war für ihn wie ein eigener Sohn. Das ganz besondere an Yusuf war, dass Allah ihn lehrte, Träume und merkwürdige Ereignisse zu deuten. Wie ein grünes Band erstreckt sich Ägypten an den Ufern des Nils entlang durch die Wüste. Jedes Jahr, wenn es in den fernen Gebirgen in Afrika, wo die Nilquellen liegen, regnete, trat der Fluss über seine Ufer, überschwemmte das ganze Land und brachte fruchtbaren schwarzen Schlamm auf die Felder. Wäre einmal der Regen im afrikanischen Gebirge ausgeblieben, so hätte der Nil im Sommer nicht genug Wasser geführt, und in Ägypten hätte nichts wachsen können. So zeigt Allah den Menschen Seine Wunder. Aber die Ägypter hatten längst vergessen, dass Allah ihnen das Wasser schickte und sie ernährte. Die ägyptischen Götzenpriester hatten im Volk den Glauben verbreitet, der Pharao sei es, der jedes Jahr Wasser und fruchtbaren Schlamm nach Ägypten kommen ließ. Dem Pharao war das nur recht. Er ließ sich als Gott anbeten und behandelte das Volk wie Sklaven. An dieser Götzendienerei beteiligte sich Yusuf selbstverständlich nicht. Denn er erinnerte sich nicht nur an das, was sein Vater ihm von Allah und Seinen Gesandten erzählt hatte, sondern er erkannte auch selbst die Wahrheit und durchschaute den Betrug der Priester. Im Laufe der Zeit gefiel der junge Mann Aziz Frau immer besser. Sie, die verwöhnte, gelangweilte Dame, empfand seine Anwesenheit als aufregend und verliebte sich in ihn. Als ihr Mann eines Tages ausgegangen war, kam sie zu Yusuf, verschloss alle Türen, lächelte ihn an und sagte: „Komm nun. Lieber. „Aber Yusuf antwortete: „Allah bewahre mich davor! Dein Mann ist mein Herr und hat Vertrauen zu mir, und ich werde ihn nicht betrügen, nachdem er mich so gut behandelt und mir das Leben im fremden Land so leicht gemacht hat! Untreue bringt nichts Gutes." Aber die Frau ließ sich nicht abweisen, sondern versuchte mit Gen-walt, Yusuf zu umarmen. Er wehrte sich und riss sich los, und sie wollte ihn am Hemd festhalten, aber das Hemd zerriss, und er war frei und lief zur Tür. In diesem Augenblick kam ihr Mann nach Hause und fand die beiden so aufgeregt und seine Frau mit einem Fetzen von Yusufs Hemd in der Hand. Sie hatte natürlich Angst, ihr Mann könnte böse auf sie sein, deshalb versuchte sie schnell, sich herauszureden. „Dieser Taugenichts!" sagte sie. „Als du weg warst, wollte er mich belästigen. Ist das der Dank für unsere gute Behandlung? Man sollte ihn streng dafür bestrafen. „Yusuf dagegen sagte: „So war es nicht, sondern sie hat versucht, mich zu verführen." So sprachen sie beide vor dem Hausherrn, und dieser wusste nicht, was er tun sollte, bis jemand ihm riet: „Wenn Yusufs Hemd vorn zerrissen ist, dann ist ihre Anklage richtig, ist es aber von hinten zerrissen, dann lügt sie, und er sagt die Wahrheit. „Aziz fand nun ganz richtig, dass Yusufs Hemd von hinten zerrissen war, und er war sehr enttäuscht, dass seine Frau versucht hatte, ihn zu betrügen und auch noch falsche Beschuldigungen gegen Yusuf vorzubringen. Er forderte sie auf, sich bei Yusuf zu entschlug-digen und ihn in Zukunft in Frieden zu lassen. Die Geschichte sprach sich jedoch bald bei den Damen der Stadt herum und wurde zu einem richtigen Skandal. Alle sprachen über Aziz Frau und lachten sie aus. „Habt ihr schon gehört", hieß es, „sie hat versucht, ihren Sklaven zu verführen. Wie kann man sich nur in einen Sklaven verlieben! Ach, vielleicht ist sie wirr im Kopf, die Arme! "Das Gerede kam natürlich auch Aziz Frau zu Ohren. Sie schämte sich, zum Gesprächsthema der ganzen Stadt geworden zu sein. Um sich zu rechtfertigen, lud sie alle einflussreichen Damen ein. Jede von ihnen bekam ein Messer, mit dem sie die Früchte schälen konnte, die zum Nachtisch serviert wurden. Gleichzeitig rief Aziz Frau unter einem Vorwand Yusuf herein. Als die Damen diesen hübschen jungen Mann erblickten, vergaßen sie darüber alles andere und riefen aus: „Allah bewahre uns! So schön kann doch kein Mensch sein! Vielleicht ist er ein Engel!" Und so erstaunt waren sie, dass sie nicht achtgaben und sich in die Finger schnitten. Aziz Frau sagte zu ihnen: „Das ist der Mann, für den ihr mir Vorwürfe macht. Ich war in ihn verliebt und wollte ihn verführen, aber er wehrte sich und gab nicht nach. Aber wenn er jetzt nicht tut, was ich verlange, will ich wirklich dafür sorgen, dass er ins Gefängnis geworfen wird und sein Ansehen verliert. „Die Frauen stimmten ihr sogleich zu. „Er soll alles tun, was du von ihm verlangst", sagten sie, „sonst wollen wir alle dafür sorgen, dass er ins Gefängnis kommt. „Yusuf aber sprach: „Das Gefängnis ist mir lieber als das, wozu mich diese Frauen erpressen wollen. 0 mein Herr, wenn Du nicht ihre Nachstellung von mir abgewendet hättest, dann hätte ich vielleicht gar in meinem jugendlichen Leichtsinn nachgegeben und damit zu den Unwissenden gehört. „Die Frauen benutzten ihren ganzen Einfluss, um Yusuf ins Gefängnis zu bringen, und selbst Aziz war schließlich damit einverstanden, denn er meinte, dass dadurch der Skandal am ehesten in Vergessenheit geriete. Bald lernte Yusuf auch seine Gefängnisgenossen kennen. Einer von ihnen war früher Mundschenk des Pharao gewesen. Der andere war Bäcker am Königshof. Beide waren wegen irgendeines Vergehens ins Gefängnis gekommen, und beide beteuerten ihre Unschuld. Eines Tages hatten diese beiden Männer einen Traum und erzählten am nächsten Morgen Yusuf davon. Der eine sagte: „Ich sah, wie ich für den König Trauben auspresste." Der andere berichtete: „In meinem Traum ging ich eine Straße entlang und trug Brot auf meinem Kopf. Da kamen Vögel und fraßen von dem Brot." Und da sie wussten, dass Yusuf Träume deuten konnte, baten sie ihn, ihnen die Bedeutung zu enthüllen.

Die Geschichte der Propheten und GesandtenWhere stories live. Discover now